Politik

Kiew erklärt Waffenruhe für beendet

Lesezeit: 2 min
23.04.2014 18:16
Die Übergangsregierung in Kiew plant eine neue Offensive gegen die pro-russischen Separatisten. Russlands Außenminister Lawrow hatte zuvor Vergeltung angekündigt, sollten russische Bürger zu Schaden kommen. Kiew hofft im Falle eines russischen Eingreifens auf amerikanische Militärunterstützung.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Ukraine hat die vereinbarte Waffenruhe für beendet erklärt und eine neue Offensive gegen pro-russische Separatisten im Osten des Landes angekündigt. Der „Anti-Terror-Einsatz“ werde in Kürze beginnen, sagte Vize-Ministerpräsident Vitali Jarema am Mittwoch. Das Land habe Rückendeckung von den USA erhalten. Sollte Russland seinerseits aggressiv vorgehen, hoffe man auf „handfeste“ amerikanische Hilfe. Der russische Außenminister Sergej Lawrow drohte mit Vergeltung, sollten die Interessen russischer Bürger in Gefahr geraten. Er verwies auf die abtrünnige georgische Kaukasus-Provinz Süd-Ossetien, wo Russland den Separatisten 2008 zur Hilfe gekommen war.

Im Osten der Ukraine halten pro-russische Kämpfer seit Wochen etwa ein Dutzend Regierungsgebäude besetzt. Die USA und Russland werfen sich gegenseitig vor, für die seit Monaten dauernde Krise in dem osteuropäischen Land verantwortlich zu sein. In Donezk und anderen Städten im industriell geprägten Osten der Ukraine gibt es viele russischstämmige Bürger, die sich mit Russland verbunden fühlen und zum Teil auch einen russischen Pass besitzen. Damit ähnelt die Lage der auf der Halbinsel Krim, die nach einer Volksabstimmung in die Russische Förderation aufgenommen wurde.

Als Auslöser des neuen Einsatzes nannte der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow unter anderem den Tod eines Stadtrates, dessen Leiche am Samstag nahe Slawjansk gefunden worden war. Der Polizei zufolge wurde der Mann gefoltert, bevor er noch lebend in einen Fluss geworfen wurde. Angeblich habe der Stadtrat zuvor versucht, die Fahne der ausgerufenen Republik Donezk einzuholen. Dem ukrainischen Innenministerium zufolge wurde er später von maskierten Männern in Tarnkleidung in ein Auto gezerrt.

„Die Terroristen, die die ganze Donezk-Region faktisch in Geiselhaft halten, haben damit begonnen, ukrainische Patrioten zu foltern und zu ermorden“, sagte Turtschinow. Damit sei eine Grenze überschritten worden.

Die Europäische Union äußerte sich besorgt über die Berichte, denen zufolge der Politiker der Batkiwschtschyna-Partei des Übergangspräsidentens Alexander Turtschinow getötet wurde. Die EU hat Russland aufgefordert, sich für ein sofortiges Ende von Entführungen und Tötungen im Osten der Ukraine einzusetzen. Die Regierung in Moskau solle ihren Einfluss dort geltend machen, sagte ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Mittwoch.

Die Ukraine, die USA, Russland und die EU hatten vor Ostern eine Waffenruhe-Vereinbarung getroffen, die von alle „illegalen Gruppen“ die Abgabe der Waffen und die Räumung besetzter Gebäude vorsieht (mehr hier). Dies wurde nicht befolgt. In Slawjansk riefen die faktischen Machthaber die Bevölkerung auf, sich auf einen Angriff der Kiew-treuen Sicherheitskräfte vorzubereiten. Unklar ist ohnehin, wie effektiv ein Vorstoß der Truppen aus Kiew sein würde. Vor zwei Wochen waren die Sicherheitskräfte bei einer ähnlichen Aktion eher zurückhaltend gegen die bewaffneten Separatisten vorgegangen und wenig später abgezogen. Einige Soldaten der Ukraine sind dabei sogar zu den Separatisten übergelaufen (hier).

„Wir haben die Zusicherung der USA erhalten, dass sie uns mit einem Aggressor nicht alleine lassen werden“, sagte Vize-Regierungschef Jarema. Die USA und die Nato haben einen Einsatz ihrer Streitkräfte zwar ausgeschlossen. Allerdings sicherte US-Vize-Präsident Joe Biden am Dienstag der Regierung in Kiew bei einem Besuch Militärhilfe in Form von Funkgeräten und Fahrzeugen zu (hier). Das US-Verteidigungsministerium kündigte an, 600 Soldaten zu Manövern nach Polen und in die baltischen Staaten zu entsenden (hier).

Lawrow sagte dem Sender RT, ein Angriff auf russische Bürger sei „ein Angriff auf die Russische Förderation“. Sollten „unsere legitimen Interessen, die Interessen von Russen“ direkt angegriffen werden, sehe er keine andere Möglichkeit als entsprechend dem Völkerrecht darauf zu reagieren. In einer Erklärung seines Ministeriums wurde später die Forderung wiederholt, die Ukraine müsse ihre Truppen aus dem Südosten des Landes abziehen.

Ein zentraler Faktor in dem Streit ist die hohe Abhängigkeit der Ukraine von russischem Erdgas. Der staatliche russische Gaskonzern Gazprom hat angekündigt, der Ukraine im kommenden Monat das Gas abzuklemmen, sollte die Regierung in Kiew ausstehende Rechnungen von 2,2 Milliarden Dollar nicht begleichen (hier). Dadurch könnte auch der Transport von Erdgas nach Westeuropa durch die Ukraine beeinträchtigt werden. Die EU deckt etwa ein Drittel ihres Bedarfs mit russischem Gas. Nach Angaben einer EU-Sprecherin gibt es noch keinen Termin für geplante Gespräche zwischen der EU, Russland und der Ukraine.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Robert Habeck sollte endlich die Kehrtwende vollziehen - im Heizungskeller Deutschlands
03.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Finanzen
Finanzen Wirtschaftsstandort in der Kritik: Deutsche Ökonomen fordern Reformen
03.05.2024

Deutschlands Wirtschaftskraft schwächelt: Volkswirte geben alarmierend schlechte Noten. Erfahren Sie, welche Reformen jetzt dringend...

DWN
Politik
Politik Rheinmetall-Chef: Deutschland muss Militärausgaben um 30 Milliarden Euro erhöhen
03.05.2024

Armin Papperger, der CEO von Rheinmetall, drängt darauf, dass Deutschland seine Militärausgaben um mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Indische Arbeitskräfte im Fokus: Deutschland öffnet die Türen für Fachkräfte
03.05.2024

Die Bundesregierung strebt an, einen bedeutenden Anteil der indischen Bevölkerung nach Deutschland zu holen, um hier zu arbeiten. Viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Wie lege ich mein Geld an – wichtige Tipps für Anfänger
03.05.2024

Die Tipps zur Geldanlage können wirklich spannend sein, besonders wenn es darum geht, die eigenen finanziellen Ziele zu erreichen und eine...

DWN
Politik
Politik Die Bundesregierung macht Russland für den Cyberangriff auf SPD verantwortlich
03.05.2024

Im Januar des Vorjahres wurden die E-Mail-Konten der SPD von Hackern attackiert. Die Bundesregierung gibt nun "eindeutig" Russland die...

DWN
Finanzen
Finanzen Der komplette Guide zur Bankvollmacht: Sicherheit und Flexibilität im Finanzmanagement
03.05.2024

Eine Bankvollmacht kann entscheidend dafür sein, Sicherheit und Flexibilität in Ihren finanziellen Angelegenheiten zu gewährleisten....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fleischersatz auf dem Vormarsch: Deutschland erlebt Produktionsboom
03.05.2024

Vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte gewinnen in Deutschland an Beliebtheit: Produktion verdoppelt sich seit 2019. Fleischkonsum...