Politik

Russland: Europas Banken mit 900 Milliarden Euro im Risiko

Ein Wirtschafts-Krieg gegen Russland ist für Europas Banken besonders gefährlich: Die Banken haben massiv Kredite an russische Unternehmen vergeben und riskieren, dass diese nicht bedient werden können. Der Ökonom Yanis Varoufakis hält eine neue Bankenkrise in Europa für möglich.
28.04.2014 10:18
Lesezeit: 2 min

Die Drohung des Westens, die Sanktionen gegen Russland zu verschärfen und weitere Sanktionen zu verhängen, sind nach Ansicht des Ökonomen Yanis Varoufakis ein großes Problem für das europäische Finanzsystem.

Varoufakis sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Die europäischen Banken haben an russische Unternehmen Kredite in Höhe von 900 Milliarden Euro vergeben. Diese Kredite müssen monatlich zurückgezahlt werden, die Banken erwarten Rückzahlungen und Zinsen in der Höhe von 10 Milliarden Euro monatlich. Seit seiner Pleite im Jahr 1998 hat Russland seine Währungsreserven wieder aufgebaut und hat nun etwa 450 Milliarden Euro an Reserven. Trotzdem führt die fortgesetzte Kapitalflucht in der Folge der Ukraine- und Krimkrise zu einer substantiellen Unsicherheit im europäischen Bankensektor, ob die russischen Unternehmen ihrem Schuldendienst nachkommen können.“

Varoufakis hält es für denkbar, dass diese Entwicklung zu einer„neuen Phase in der europäischen Bankenkrise“ führen könnte – dann nämlich, wenn sich anlässlich des EZB-Stresstests herausstellt, dass die „Überprüfung der Qualität der Assets durch die Bankenaufsicht der EZB“ mehr faule Kredite in den Bilanzen der europäischen Banken feststellen wird als ohne Russland-Krise.

Varoufakis glaubt nicht, dass diese Erkenntnis dazu führen werde, die kriegerischen Töne in Ost und West zu beenden. Allerdings zweifelt Varoufakis an der Fähigkeit des Westens, einen Krieg gegen Russland zu führen: „Europa hat keine militärischen Kapazitäten, um an der russisch-ukrainischen Grenze einen Krieg zu führen. Die Amerikaner haben ihrerseits kein Interesse, Truppen in die Krisenregion zu entsenden. Aus geopolitischer Sicht ist die Ukraine für die Amerikaner nicht mit Polen oder den baltischen Staaten zu vergleichen. Die Amerikaner und die Nato haben klargemacht, dass sie diese Staaten verteidigen werden. Ich habe den Eindruck, dass der Westen bereit ist, die Annexion der Krim zu akzeptieren, wenn die Russen sich weitgehend aus der Ost-Ukraine heraushalten und dort keine weiteren militärischen Aktionen setzen.“

Sanktionen würden Russland stärker treffen als Europa – doch wären die EU-Staaten „ausreichend stark betroffen, um Berlin, Paris und Brüssel zu einer Denkpause zu bewegen“.

Varoufakis glaubt jedoch auch, dass die USA kein Interesse haben, den Konflikt mit Russland zu überreizen: Der Ökonom ist der Auffassung, dass ein zerrüttetes Verhältnis zwischen Washington und Moskau die ganze Außenpolitik der USA destablisieren würde: „Washington braucht Moskau, um die Normalisierung mit dem Iran nicht zu gefährden. Mit dem Iran brauchen die USA wiederum ein normales Verhältnis, um die Lage in Syrien und im Irak einigermaßen unter Kontrolle halten zu können.“

Daher bleiben auch die Sanktionen der USA bis auf weiteres auf Einzelpersonen beschränkt und haben vorwiegend rhetorischen Charakter: Sie würden Personen und Firmen treffen und noch am Montag verkündet, sagte Barack Obama bei einem Besuch in Manila. Die Sanktionen zielten auf Exporte im Hochtechnologiebereich. In einer nächsten Stufe könnten Sanktionen möglicherweise auch auf die Banken- und Verteidigungsbranche zielen, sollte Russland weiter aggressiv gegen die Ukraine vorgehen.

Abgesehen davon haben die Sanktionen auch einen für den Westen nicht unangenehmen Nebeneffekt: Russische und ukrainische Oligarchen parken ihre Vermögen seit Jahresbeginn verstärkt in Londoner Luxus-Villen. Davon profitiert der Finanzplatz London mit einem neuerlichen Immobilien-Boom (mehr dazu hier).

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Dynamische Preise: Kommt der stündlich wechselnde Steakpreis im Supermarkt?
03.09.2025

Dynamische Preise erobern den Einzelhandel. Digitale Preisschilder könnten Einkäufe im Supermarkt so unberechenbar machen wie Flugtickets...

DWN
Politik
Politik Bürgergeld: Merz will zehn Prozent der Ausgaben reduzieren
02.09.2025

Bundeskanzler Friedrich Merz fordert Einsparungen beim Bürgergeld – konkret zehn Prozent. Diese Milliardenkürzung sorgt für heftige...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tupperware-Neustart in fünf europäischen Märkten
02.09.2025

Tupperware-Neustart mit dem französischen Investor Cédric Meston: Der Frischhaltedosenspezialist wagt den mutigen Schritt, das Geschäft...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis erklimmt neues Rekordhoch: Anleger setzen auf Zinssenkungen – was kommt jetzt?
02.09.2025

Der Goldpreis hat ein neues Rekordhoch erreicht und dabei erstmals die Marke von 3.500 Dollar überschritten. Anleger hoffen auf...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen im Abwärtsstrudel: Nasdaq 100 und Anleihemärkte belasten Stimmung
02.09.2025

Die US-Börsen geraten ins Wanken: Steigende Anleiherenditen, schwächelnde Tech-Riesen und politische Unsicherheiten setzen Anleger unter...

DWN
Politik
Politik Flugzeug mit Ursula von der Leyen betroffen von GPS-Störung – Russland im Fokus
02.09.2025

Ein ungewöhnlicher Zwischenfall sorgt für Aufsehen: Ein Flugzeug mit Ursula von der Leyen an Bord gerät ins Visier einer mutmaßlich...

DWN
Finanzen
Finanzen SMA Solar-Aktie stürzt nach Gewinnwarnung ab – drohen weitere Probleme?
02.09.2025

Die SMA Solar-Aktie steht massiv unter Druck: Nach einer überraschenden Gewinnwarnung brechen die Kurse zweistellig ein. Anleger fragen...

DWN
Finanzen
Finanzen Europa: Anleihenmarkt vor Umbruch – niederländische Rentenreform treibt Renditen langfristiger Anleihen nach oben
02.09.2025

Die niederländische Rentenreform droht, den europäischen Anleihenmarkt mit einer Welle von zwei Billionen Euro auf den Kopf zu stellen....