Die EZB hat die Tür für eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik in vier Wochen sperrangelweit aufgemacht.
„Der EZB-Rat fühlt sich wohl damit, beim nächsten Mal zu handeln“, sagte Notenbankchef Mario Draghi am Donnerstag und schickte damit den Euro auf Talfahrt, deutlich unter die Marke von 1,39 Dollar.
Vor einem Beschluss über zusätzliche Maßnahmen im Kampf gegen eine mögliche Deflation wollten die Notenbanker aber noch die neuen Prognosen ihrer hauseigenen Ökonomen zu Teuerung, Wachstum und Beschäftigung abwarten. Diese sollen zur nächsten Sitzung am 5. Juni vorliegen.
Die EZB beließ den Leitzins dieses Mal auf dem Rekordtief von 0,25 Prozent. Draghi betonte vor Journalisten in Brüssel mehrfach, die Ratssitzung sei dazu genutzt worden, über neue geldpolitische Schritte zu diskutieren, diese aber noch nicht zu beschließen.
Denkbar sind eine weitere Zinssenkung, Strafzinsen für Banken, Liquiditätsspritzen oder sogar massive Wertpapierkäufe. An den Finanzmärkten setzen die Investoren nun darauf, dass die EZB im Juni gegen die seit Monaten niedrigen Teuerungsraten vorgeht.
Ein besonderes Augenmerk der Zentralbanker liege auf dem zuletzt deutlich gegenüber dem Dollar aufgewerteten Euro. Vor dem Hintergrund der niedrigen Inflation sei ein starker Euro ein „ernsthafter Grund zur Sorge“, sagte Draghi.
Ein starker Euro setzt nicht nur die Exporteure unter Druck, sondern hält über sinkende Importpreise auch das Preisniveau niedrig. Die Teuerungsrate in der Euro-Zone lag im April bei 0,7 Prozent und damit weiter deutlich unter der Zielmarke der Notenbanker von knapp zwei Prozent - war aber zumindest nicht mehr so schwach wie im März, als sie nur 0,5 Prozent betragen hatte.
Ökonomen sind nicht sicher, ob die EZB beim nächsten Mal wirklich handelt: „Draghi verstärkt die Erwartung, dass im Juni etwas passiert. Er sagt aber auch, dass das letztlich von den Daten abhängt“, erklärte Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. „Draghi lässt sich damit alle Hintertürchen offen.“
Aber sollte die Teuerungsrate im Mai wieder zurückgehen und die EZB ihren Inflationsausblick für 2016 nennenswert senken, dürften die Zentralbanker eingreifen. Auch Risiken wie die Ukraine-Krise könnten nach Ansicht Schmiedings dazu führen.
Im März hatten die EZB-Ökonomen für 2016 eine Inflationsrate von 1,5 Prozent vorausgesagt. Auch dies liegt noch klar unter der Zielmarke der Zentralbanker. Einige Ökonomen befürchten, dass ohne ein extremes Gelddrucken durch die EZB die Preise sinken könnten.
Eine solche Deflation würde den Schuldnern schaden, vor allem den massiv verschuldeten Staaten. Denn sie müssten ihre Schuld in einem wertvolleren Geld zahlen. Profitieren würden die Sparer, deren Geld aufgrund fallender Preise wertvoller würde. Doch die Sparer haben offenbar weniger Einfluss auf die EZB als die hoch verschuldeten Staaten.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Industrieländer-Organisation OECD haben die EZB angesichts der niedrigen Inflation bereits zum Handeln aufgefordert. Ihnen erteilte Draghi erneut eine Absage, ebenso Forderungen aus Frankreich nach einer Abwertung des Euro (mehr hier). „Wir sind unabhängig“, so der Italiener.