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Hohes Armutsrisiko in Deutschland durch Niedriglohn

Der stark gewachsene Niedriglohnsektor und der hohe Anteil befristet Beschäftigter sind ursächlich für das hohe Armutsrisiko. Besonders gefährdet sind Minijobber und Alleinerziehende. Ihnen droht oft Altersarmut, da die Rentenansprüche in Deutschland enger als in anderen Staaten an die Einkommen gekoppelt sind, so eine Studie der OECD.
13.05.2014 15:19
Lesezeit: 1 min

Der Aufschwung in Deutschland geht an den sozial Schwächsten vorbei. Zu diesem Ergebnis kommt die OECD in ihrem alle zwei Jahre veröffentlichten Wirtschaftsausblick. „Das relative Armutsrisiko und die Einkommensungleichheit sind in den letzten Jahren weitgehend unverändert geblieben“, heißt es darin. OECD-Generalsekretär Angel Gurria fordert die Bundesregierung deshalb zu Reformen auf. „Das Land muss jetzt handeln“, sagte er am Dienstag.

Dank der Reformen im vergangenen Jahrzehnt habe Deutschland im historischen und im internationalen Vergleich eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten, stellt die 34 Mitgliedsländer zählende Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fest. Problematisch seien jedoch der stark gewachsene Niedriglohnsektor und der hohe Anteil befristet Beschäftigter. Besonders groß sei nach wie vor das Armutsrisiko für geringfügig Beschäftigte wie Minijobber, Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose, ältere Beschäftigte und Zuwanderer.

„Mit 37 Prozent ist der Anteil der privaten Haushalte ohne Vermögen verhältnismäßig hoch“, heißt es etwa. Zugleich seien die Aufstiegschancen von Geringverdienern gesunken. Ihnen drohe oft Altersarmut, da die Rentenansprüche in Deutschland enger als in vielen anderen OECD-Staaten an die Einkommen gekoppelt seien.

Die OECD empfiehlt daher, der Zweiteilung des Arbeitsmarktes entgegenzuwirken - hier Arbeitnehmer mit unbefristeten Verträgen, höherem Kündigungsschutz und häufig komfortablerem Gehalt, dort jene mit befristeten Verträgen, wenig Schutz und geringerem Lohn. „Ein allgemeiner, von einer unabhängigen Expertenkommission festgelegter Mindestlohn könnte dabei helfen“, so die Organisation. „Ebenso eine Angleichung der Regeln zum Beschäftigungsschutz in befristeten und unbefristeten Verträgen.“ Langzeitarbeitslose müsse zudem durch gezielte Zuschüsse und Anreize zur Weiterbildung geholfen werden.

Mindestens ebenso wichtig sei aber, schon jungen Menschen gleich gute Startbedingungen für Bildung und Beruf zu ermöglichen. Neben Investitionen in die frühkindliche Bildung, fordert die OECD mehr Mittel für Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schüler. Der Ausbau erschwinglicher Plätze für die Kinderbetreuung „erleichtert die Arbeitsmarktintegration von Alleinerziehenden und verbessert die Verdienstaussichten, insbesondere von einkommensschwachen Haushalten“. Das könne insbesondere helfen, Frauen eine Vollzeitstelle zu ermöglichen. Nur 62 Prozent der Frauen seien in Vollzeit tätig, im OECD-Schnitt hingegen 74 Prozent.

Die OECD rät außerdem dazu, Arbeit weniger zu besteuern und die Sozialabgaben vor allem für Geringverdiener zu senken. Um keine Löcher in die Staatskasse zu reißen, könnte Immobilienbesitz stärker besteuert werden. Zudem sollten Gewinne aus dem Verkauf nicht selbst genutzter Immobilien nicht mehr von der Steuer befreit werden und Steuervorteile für Firmenwagen und die Pendlerpauschale zurückgefahren werden. „Es besteht auch Spielraum zur weiteren Steigerung der Einnahmen aus der Erbschaftsteuer durch die Abschaffung von Befreiungen.“

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