Politik

Zahl der ausgesetzten Kinder in Europa steigt dramatisch

Lesezeit: 2 min
12.08.2012 01:57
Die Armut in den angeschlagenen europäischen Ländern hat im vergangenen Jahr zu einem drastischen Anstieg der zurückgelassenen Kinder geführt. Besonders in Griechenland ist die Situation alarmierend. Viele Eltern können es sich nicht mehr leisten, ihre Kinder groß zu ziehen.
Zahl der ausgesetzten Kinder in Europa steigt dramatisch

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die von vielen europäischen Ländern veranschlagten Sparmaßnahmen in Kombination mit der Rezession und der hohen Arbeitslosigkeit im Euroraum fordern ihren Tribut. Die Zahl der Kleinkinder und Säuglinge, die beispielsweise in Babyklappen, Kliniken, Krankenhäusern und Kirchen zurückgelassen werden, ist dramatisch angestiegen. Sowohl die UNO als auch die Europäische Kommission sehen einen deutlichen Zusammenhang dieser Entwicklung mit den Sparmaßnahmen und der fortschreitenden Verarmung der Bevölkerung in etlichen Ländern – mitten in Europa.

Den SOS-Kinderdörfern zufolge wurden im vergangenen Jahr etwa in Griechenland 1.200 und in Italien 750 Kinder von ihren Eltern zurückgelassen. 2003 lag die Zahl der verlassenen Kinder in Griechenland noch bei 114 und in Italien bei rund 400. Allein in den letzten zwei Jahren ist die Adoptionsrate in Griechenland und Italien um 20 Prozent gestiegen. Die Kosten für die eigenen Kinder, die pro Kind in Europa durchschnittlich 20 bis 30 Prozent des Haushaltsbudgets der Familien liegen, können von vielen kaum mehr aufgebracht werden.

George Protopapas, der nationale Direktor der griechischen Abteilung bei den SOS-Kinderdörfern, berichtete beispielsweise der CNBC von einem seiner jüngsten Fälle. Die Mutter eines vierjährigen Kindes hatte ihr Kind im Kindergarten mit folgender Notiz zurückgelassen: „Ich werde heute nicht kommen, um Anna abzuholen, weil ich es mir nicht leisten kann, mich um sie zu kümmern. Bitte nehmen Sie sie gut auf. Es tut mir leid.“ In den nächsten Jahren „wird es noch mehr Fälle wie diesen geben“, ergänzt George Protopapas.

„Im vergangenen Jahr hat SOS Griechenland eine Zunahme bei den Anträgen für alle Arten der Unterstützung um 150 Prozent gemessen, hauptsächlich aus finanziellen Gründen“, so George Protopapas. 87 Prozent der Antragsteller waren Griechen. 27,7 Prozent – fast ein Drittel – der Griechen leben dem griechischen Statistikamt zufolge in Armut. Derzeit kämen die Antragsteller vor allem aus der unteren Klasse der Einkommen. George Protopapas geht jedoch davon aus, dass in den kommenden zwei Jahren auch stärker Mittelklasse-Familien betroffen sein werden. Sein Kollege Stergios Sifnios, Direktor für Soziale Arbeit bei den SOS-Kinderdörfern, gab zu bedenken, dass er in seiner 30-jährigen Zusammenarbeit mit der Organisation noch keine gesellschaftliche Krise dieser Art in Europa erlebt habe und glaube, dass sich die Situation weiter zuspitzen werde.

Aus einem Bericht der Europäischen Kommission geht hervor, dass 2012 116 Millionen Menschen in der EU von Armut bedroht sind und 20,5 Prozent der Kinder in der EU. Das von der EU finanzierte Programm „Daphne“ kam in einer Studie zu dem Schluss, „dass die primären Faktoren“, die dazu beitragen, dass Kinder von ihren Eltern zurückgelassen werden, „Alltagsbedingungen wie zu Beispiel Armut, Arbeitslosigkeit der Eltern, geringe oder fehlende Einkommen sowie ein Mangel an materiellen Ressourcen und schlechte Lebensbedingungen sind.“

Professor Kevin Browne von der Nottingham Universität, einer der Autoren des „Daphne“-Berichts, sagte der CNBC, dass aufgrund der Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen in der EU die Menschenrechte der Kinder in Gefahr sind. „Im Artikel 7 des Übereinkommens der Vereinten Nationen zum Recht des Kindes heißt es, dass jedes Kind“ das Recht hat, zu wissen, wer seine Eltern sind und von diesen betreut zu werden. „Wenn ein Kind zurückgelassen wird, wird dieses Recht verletzt“, so Kevin Browne


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Finanzen
Finanzen Wie man Bankgebühren minimiert: praktische Tipps und Tricks
28.04.2024

Bankgebühren können das monatliche Budget erheblich belasten. In diesem Artikel erforschen wir effektive Strategien, um diese Kosten zu...

DWN
Technologie
Technologie KI gegen Mensch: Büroangestellte sind kaum besorgt um ihre Arbeitsplätze
28.04.2024

Künstliche Intelligenz (KI) wird mal als Weltverbesserer und mal als Jobkiller angesehen. Doch die Angst vor Letzterem ist unter...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Elektroauto-Krise schwächt deutsche Autokonzerne kaum - bisher
28.04.2024

Trotz der Marktflaute bei E-Autos und der schwachen Nachfrage in Deutschland erwirtschaften Volkswagen und BMW tolle Gewinne. Bei anderen...

DWN
Technologie
Technologie Neurotechnologie und Transhumanismus: Fortschritt, Chancen und Herausforderungen
28.04.2024

Wie sind die aktuellen Trends und potenziellen Auswirkungen von Neurotechnologie? Neben der Künstlichen Intelligenz entwickelt sich dieser...

DWN
Panorama
Panorama Neue Regelungen im Mai: Ticketsteuer, Biosprit und Autokauf
28.04.2024

Der Mai bringt frische Regulierungen und Veränderungen in verschiedenen Bereichen: Flugtickets könnten teurer werden, Autofahrer können...

DWN
Finanzen
Finanzen Welche Anlagestrategie an der Börse passt zu mir?
28.04.2024

Wenn Sie sich im Dschungel der Anlageoptionen verirren, kann die Wahl der richtigen Strategie eine Herausforderung sein. Dieser Artikel...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Ressource Nummer 1 auf unserem blauen Planeten – das Geschäft um Trinkwasser
28.04.2024

Lange war es eine Selbstverständlichkeit, dass es genug Wasser gibt auf der Welt. Und bei uns ist das ja auch ganz einfach: Hahn aufdrehen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Konfliktlösung ohne Gericht: Verbraucherschlichtung als Chance für Ihr Business
27.04.2024

Verabschieden Sie sich von langwierigen Gerichtsverfahren! Mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) senken Sie Ihre Kosten,...