Politik

Brasilien: Fifa unterstützt Projekte gegen Kinderprostitution nicht

Lesezeit: 2 min
08.06.2014 01:36
Im Schatten des Sports blüht in Brasilien das Geschäft mit Prostitution von Minderjährigen. Vor der Fußball-Weltmeisterschaft haben die Behörden deshalb eine Kampagne gegen Sex-Tourismus und Kinderprostitution gestartet. Die FIFA wird sich an diesen Kampagnen jedoch nicht beteiligen.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Sex-Tourismus und Kinderprostitution sind in Brasilien weit verbreitet, vor allem in ärmeren Regionen im Nordosten des Landes. Vor der Fußball-Weltmeisterschaft, zu der 600.000 Besucher aus aller Welt erwartet werden, haben die Behörden eine Kampagne gegen Sex-Tourismus und Kinderprostitution gestartet. Die FIFA, die schätzungsweise 200 Millionen Euro an der WM in Brasilien verdient, unterstützt diese Projekte und Kampagnen nicht.

Im Schatten des Sports blüht das Sexgeschäft mit Minderjährigen. In gut zwei Wochen beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft. Schon in normalen Zeiten zieht Brasilien neben Thailand die meisten Sextouristen an, auch deutsche Männer, von denen im Jahr schätzungsweise bis zu 400.000 ins Ausland reisen. In Brasilien bekommen sie den Sex mit Kindern schon für ein paar Euro. Auch deshalb soll sich die Zahl der Kinderprostituierten in Brasilien in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen sein. Die meisten bieten ihren Körper an, weil ihre Eltern sie unter Druck setzen – oder sie in die Hände mafiöser Banden geben.

Die Berliner Soziologin Friederike Strack arbeitet seit 20 Jahren zum Thema Prostitution. Ihre Arbeit hat sie in Brasilien angefangen, vor allem bei der Prostituierten-Organisation von Rio Davida, die auch das brasilienweite Prostituierten-Netzwerk gegründet hat.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Ist Kinderprostitution ein verbreitetes Problem in Brasilien, so wie man es zum Beispiel von Thailand kennt?

Friederike Strack: Das gibt es natürlich, das kann man nicht verneinen, aber nicht in dem Ausmaß, das oft in den Medien genannt wird. Die Zahlen sind oft nicht wissenschaftlich unterlegt. Es wird auch oft zu wenig differenziert. Man muss unterscheiden zwischen Kindern und Jugendlichen. Es gibt ja viele junge Frauen, die 17 sind und sich prostituieren. Das ist zwar unter der Volljährigkeit. Dennoch sind sie sich genau bewusst, was sie da tun. Die brasilianische Prostituierten-Bewegung setzt sich dafür für ein, dass sie mehr Rechte bekommen. Und damit könnte man dann besser unterscheiden zwischen Denjenigen, die in der Sexarbeit tätig sein wollen und Denjenigen, die dazu genötigt werden und das nicht machen wollen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was sagt und macht die brasilianische Regierung?

Friederike Strack: Die brasilianische Regierung, bzw. die Präsidentin Rousseff, haben gerade jetzt noch, am 21. Mai, ein Gesetz verabschiedet, das die sexuelle Ausbeutung von Kindern mit einer härteren Strafe belegt.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Tut die FIFA genug? Könnte sie auf das Problem aufmerksam machen, Projekte unterstützen?

Friederike Strack: Selbstverständlich könnte die FIFA was machen. 2006 hat sie zum Beispiel eine Studie in Auftrag gegeben über den Diskurs über Prostitution und Menschenhandel während der WM. Ähnliche Projekte wurden auch während der EM in Polen und der Ukraine unterstützt. Ich persönlich habe auch mit einigen Kolleginnen einen Antrag bei der FIFA gestellt, um ein Projekt auszuarbeiten, das wurde aber letztendlich abgelehnt, nach einer sehr, sehr langen Wartezeit. Meines Wissens macht die FIFA keine Unterstützung von Projekten und auch keine Kampagnen. Obwohl es bei der FIFA eine Abteilung für soziale Angelegenheiten gibt. Ich denke, die FIFA könnte sehr wohl etwas tun: Einzelne Projekte und Kampagnen unterstützen. Das wäre sicherlich wünschenswert.

Das vollständige Interview im Audio-Mitschnitt:

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der renommierte Investigativ-Journalist Antonio Cascais begleitet für die Deutschen Wirtschafts Nachrichten in den kommenden Wochen die Entwicklung in Brasilien. In der Rubrik „Das andere Tagebuch der Fußball WM“ wird Cascais über die sozialen Probleme und die Proteste der Brasilianer gegen das Kommerz-Spektakel berichten. Cascais hatte zuletzt mit seiner TV-Dokumentation „die story – Geschäfte wie geschmiert?“ (mit Marcel Kolvenbach) für Aufsehen gesorgt. In der Doku zeigten die Autoren die Hintergründe eines U-Boot-Deals in Portugal auf. Der Film ist in der Mediathek des WDR abrufbar.

Teil 1: Die Revolution hat in Brasilien Feuer gefangen

Teil 2: Brasilien: Künstler protestieren gegen die Fußball-WM

Teil 3: Brasilien: Von der Fußball-WM profitieren Konzerne, Politiker und Banken

Teil 4: Weltmeister: Deutsche Waffen-Industrie verdient prächtig mit der Fußball-WM

Teil 5: Brasilien: Staudamm-Bau mit Methoden einer Militär-Diktatur

Teil 6: Wer ist die rätselhafte Dilma Rouseff?

Teil 7: Brasilien: Straßenkinder passen nicht ins Bild der WM - und verschwinden

Teil 8: Der ganz andere WM-Song:  „Öffnet eure Augen, Brüder / die FIFA greift in unsere Taschen“


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
18.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel auf Capri: Militärische Signale für Ukraine und Nahost
18.04.2024

Inmitten eskalierender Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten kommen die G7-Außenminister auf Capri zusammen, um gemeinsam Strategien...

DWN
Politik
Politik Russische Agenten in Bayern festgenommen: Sabotagepläne aufgedeckt
18.04.2024

Zwei Russland-Deutsche sollen für einen russischen Geheimdienst spioniert haben. Einer der beiden soll sich auch zur Durchführung von...

DWN
Politik
Politik Kampf am Himmel: Ukrainische Verteidiger unter Druck
18.04.2024

Die militärische Lage der Ukraine verschlechtert sich weiter. Es fehlen Mittel, Soldaten und Luftabwehrsysteme, um sich gegen neue...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Halving: Die nächste Evolutionsstufe im digitalen Geldsystem
18.04.2024

Am 20. April 2024 ist es wieder soweit: Das nächste Halving steht vor der Tür. Doch um was geht es bei diesem Event, auf das die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Wirtschaftsstandort Deutschland: 7 Maßnahmen, die den Wohlstand sichern
18.04.2024

Kein Wirtschaftswachstum, Fachkräftemangel, Bürokratie und hohe Energiekosten: Die deutsche Wirtschaft hat viele Baustellen. Im aktuellen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bosch verhandelt über Stellenabbau: Fokus auf Alternativen und Standortsicherung
18.04.2024

Bosch will massiv Stellen streichen, um im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dagegen gingen zuletzt Tausende...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldvermögen privater Haushalte hat einen neuen Höchststand erreicht
18.04.2024

Die gestiegenen Kurse an den Aktienmärkten und die erhöhten Sparzinsen haben zusammen dazu geführt, dass das Geldvermögen der deutschen...