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Stadtwerke Uelzen verzocken Millionen an Steuergeldern in der Ukraine

In der Stadt Uelzen wollen die staatlichen Wirtschaftsbosse besonders weltläufig agieren: Sie pachteten ausgerechnet in der Ukraine riesige Anbau-Flächen für Raps. Damit sollte das Uelzener Kraftwerk heizen. Das Projekt fuhr, wenig überraschend, gegen die Wand. Nun muss der Steuerzahler für den Millionen-Schaden aufkommen.
11.06.2014 01:06
Lesezeit: 2 min

Die Stadtwerke Uelzen verfügen über ein Blockheizkraftwerk, welches sie vor einigen Jahren auf den Betrieb mit Pflanzenöl umgestellt haben. Als Grund für die Umstellung vermutet das Deutsche Steuerzahler Institut, dass die Stadtwerke von staatlichen Förderungen für erneuerbare Energien profitieren wollten.

Zunächst wurde das Blockheizkraftwerk für den Betrieb mit Palmöl ausgerüstet und die Stadtwerke erwarben entsprechende Beteiligungen an Palmöl-Plantagen in Südost-Asien. Doch Umweltschützer und Bürgerinitiativen protestierten gegen die Investitionen, da sie befürchteten, dass für die Palmöl-Plantagen großen Teile der dortigen Urwälder gerodet werden. Als der öffentliche Druck zu groß wurde, revidierten die Uelzener ihr Engagement in asiatisches Palmöl und sattelten stattdessen auf Rapsöl um.

Dafür wurde die Sustainable BioEnergy Holding GmbH (SBE) gegründet. Doch statt Flächen in Niedersachsen zu nutzen, pachteten die SBE riesige Agrarflächen in der West-Ukraine für den Anbau von Raps. Die dortigen Flächen seien von „besonders hoher Bodenqualität“ und in dieser Größenordnung nicht in Deutschland vorhanden gewesen, wie der Geschäftsführer der Stadtwerke Uelzen, Markus Schümann, den Deutschen Wirtschafts Nachrichten sagte. Zudem wollte man die hiesige Lebensmittelproduktion nicht verdrängen.

Im Jahr 2009 stiegen die Stadtwerke Schwäbisch Hall in die SBE ein und erwarben 75 Prozent der Anteile. Die restlichen 25 Prozent verblieben bei den Stadtwerken Uelzen. Aufgrund schwieriger politischer Verhältnisse, landwirtschaftlicher Misswirtschaft und Korruption stellte sich das Ukraine-Investment jedoch als herbes Verlustgeschäft heraus. Die SBE erwirtschaftete seit ihrer Gründung 2008 zu keinem Zeitpunkt Gewinne. Beide Gesellschafter mussten in den folgenden Jahren immer wieder Kapital in die SBE nachschießen, um den finanziellen Ruin abzuwenden.

Die Stadtwerke Schwäbisch Hall verbuchten das Investment für sich bereits als Totalverlust in Höhe von rund 10 Millionen Euro, wie die Südwest Presse berichtet. Die SBE wurde mittlerweile für 3,7 Millionen Euro an einen landwirtschaftlichen Großbetrieb in der Ukraine verkauft. Die Allgemeine Zeitung Uelzen berichtete, dass dies auch die Übernahme Tausender Landpachtverträge sowie die vorhandenen Maschinen und die Kosten für die Aussaat 2014 beinhaltet, die bereits durch die SBE vorfinanziert wurde.

Medienberichten zufolge schlagen die Verluste für die Uelzener mit mindestens 5,5 Millionen Euro zu Buche. Aus einer Anfrage des Bürgerbündnisses „Wir für Uelzen“ und anschließenden Recherchen geht jedoch hervor, dass das wahre Ausmaß der Verluste deutlich höher liegt. Das Bürgerbündnis schätzt die Kosten für Uelzen konservativ auf 9 Millionen Euro, wobei die absehbaren Anwalts- und Gerichtskosten noch nicht inbegriffen sind.

Die Stadtwerke Uelzen selbst konnten über die genaue Höhe der Verluste keine konkreten Angaben machen.

„Diese Frage lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht schlussendlich beantworten. Die Stadtwerke Uelzen GmbH geht davon aus, dass umfangreiche Rechtsstreitigkeiten zu führen sind, um zu einer abschließenden Beurteilung zu gelangen. Aufgrund kaufmännischer Vorsicht haben die Stadtwerke Uelzen in den Jahresabschlüssen 2011 und 2012 in Summe aber vorsorglich ca. 5 Mio. € Investitionsvolumen wertberichtigt“, sagte Geschäftsführer Markus Schümann den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

Inzwischen deutet vieles auf einen langjährigen Rechtsstreit zwischen den Gesellschaftern der SBE hin und beide Seiten suchen die Schuld beim jeweils anderen. Die Uelzener werfen dem Geschäftsführer der Stadtwerke Schwäbisch Hall, Johannes von Bergen, Misswirtschaft vor. Seit 2012 habe keine Überwachung der Finanzen stattgefunden und die Einsicht in die Bilanz werfe „erhebliche Fragen auf“, so eine Pressemitteilung aus Uelzen. Zudem seien sie an dem Verkaufserlös der SBE nicht beteiligt worden.

Schwäbisch Hall weist die Vorwürfe zurück. Vielmehr seien es die Uelzener gewesen, die den erfolgreichen Verkauf der SBE gefährdet hätten, weshalb sie nun ihrerseits rechtliche Schritte planen.

„Dass es angesichts der politisch schwierigen Situation in der Ukraine gelungen ist, trotz der nachhaltigen Störungen aus Uelzen, den Verkaufsprozess erfolgreich abzuschließen, ist eine außerordentliche Leistung der Geschäftsführung der SBE-Holding“, zitiert die Südwest Presse einen Sprecher der Stadtwerke Schwäbisch Hall.

Das Investment in der Ukraine ist ein Lehrbeispiel für kommunale Misswirtschaft. Unabhängig davon, wie sich die beiden Gesellschafter vor Gericht einigen, steht ein Verlierer des Ukraine-Projekts schon fest: Die Steuerzahler und die Bürger in der Kommune.

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