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Geld-Schwemme der EZB: Am Ende droht die große Inflation

Lesezeit: 6 min
14.06.2014 02:23
Die EZB will die Kreditvergabe in der Eurozone ankurbeln. Die neue Geldschwemme rechtfertigt EZB-Präsident Draghi mit wachsender Deflationsgefahr. Tatsächlich geht es darum, die Bilanzen der Banken vor dem EZB-Stresstest zu schönen. Am Ende einer solchen Politik steht die finanzielle Repression - mit dem Risiko von Inflation und Hyperinflation.

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Mario Draghi hat lange Zeit das Gespenst der Deflationsgefahr in der Eurozone an die Wand gemalt. Jetzt schwenkt er öffentlich zwar um, aber er verwendet weiterhin dieses Argument zur Legitimation seiner exzessiv expansiven Geldpolitik. Die EZB vergibt dabei einen erneuten Mengentender, d.h. jede Geschäftsbank erhält zu einem vorgegeben niedrigen Zinssatz von 0,2% der EZB die gewünschte Zuteilungsmenge an Zentralbankgeld. Man rechnet hier mit einem Volumen von rund 400 Mrd. Euro. Die Maßnahme soll voraussichtlich im Herbst diesen Jahres starten. So soll angeblich der Deflationsgefahr entgegengewirkt werden, berichtet der Spiegel. Allerdings sollen diese Gelder zweckgebunden sein, d.h. die Geschäftsbanken müssten nachweisen, dass sie diese Mittel nicht wie bisher in großem Umfang bei der EZB parken. Um dem noch Nachdruck zu verleihen, wird ein Strafzins für solche Anlagen bei der EZB von 0,1% eingeführt. Wie diese Zweckbindung im Einzelnen ausgestaltet werden soll, bleibt derzeit noch offen.

Gleichzeitig räumt man nun offiziell ein, dass die zuvor beschworene Deflationsgefahr selbst aus Sicht der EZB gar nicht aktuell existiert, wie aus einer Stellungnahme der EZB hervorgeht. Nachdem man also die jetzigen geldpolitischen Beschlüsse durchgesetzt hat, hat der Mohr – sprich Deflation – seine Schuldigkeit getan. Man will jetzt als anderes Ziel die Kreditklemme bekämpfen, da offensichtlich weiterhin die Geschäftsbanken bei der Kreditvergabe insbesondere an kleinere und mittlere Unternehmen oder Privatkunden große Zurückhaltung üben. Stattdessen wurden die liquiden Mittel weiterhin in großem Stil in die Aktien-, Immobilienmärkte und in höher verzinsliche Staatsanleihen der Eurozone, d.h. insbesondere der Krisenländer investiert. Das hat zwar die Zinsen für Staatsanleihen im Vergleich zu denen zu Beginn der Eurokrise deutlich gesenkt, aber eben nicht die Privatwirtschaft dieser Länder in Schwung gebracht.

Die Legende, dass mittels Eurobonds und die dadurch erzielbare Senkung der Zinskosten der Staaten der Krisenländer der Eurozone alles wieder ins Lot zu bringen sei, ist damit jetzt bereits empirisch widerlegt. Trotz erneut niedriger Zinsen in den Krisenländern - sogar niedriger als vor Ausbruch der Eurokrise -, ist von einem kräftigen Wirtschaftsaufschwung dort nichts zu bemerken. Erst recht nicht am Arbeitsmarkt, wie aus den Statistiken von Eurostat hervorgeht. So wenig das Deflationsmärchen etwas mit der Realität zu tun hat, so wenig hat die Zinslegende der Eurobonds die tatsächlichen Ursachen der Krise in Europa offengelegt.

Auch das jetzige Maßnahmenpaket dient nicht den Zwecken, die die EZB als Grund für ihre jüngsten Beschlüsse nennt. Man wird – um es mit Keynes zu sagen – die Pferde zwar zur Tränke führen können, aber saufen müssen sie schon selber. Die Geschäftsbanken werden sich durch die EZB nicht zwangsweise zu Kredit zwingen lassen, die man nicht vergeben möchte. Des Pudels Kern findet sich stattdessen in der Bankenunion und dem angekündigten Stresstest, der AQR (mehr hier). Man muss die Bilanzen der Geschäftsbanken schönen, damit es nicht zu einer Bankenkrise aufgrund maroder Bankbilanzen kommt.

Europa ist Overbanked, d.h. hat zu viele Geschäftsbanken, die eigentlich Pleite sind und derzeit nur mittels der Liquiditätshilfen der EZB am Leben gehalten werden, wie eine Studie des ESRB belegt. Deswegen hätte im Zuge eine massive Bereinigung im Bankensektor stattfinden müssen und hierfür gerechterweise auch deren Kapitaleigner und Einleger für die Verlustabdeckung zur Verantwortung herangezogen werden müssen (Stichwort: Haftungskaskade).

Die EU-Kommission, die EZB und die nationalen Regierungen haben sich anders entschieden und ohne eine solche grundlegende Bereinigung der Bankenlandschaft weitgehend alle Banken mittels gewaltiger Staatsbürgschaften, wie beispielsweise bei der HRE oder IKB in Deutschland vor dem Finanzkollaps auf Kosten der Steuerzahler „gerettet“. Das ließ die Staatsverschuldung explodieren und wurde nur teilweise mit Kürzungen der Sozialleistungen „finanziert“. Die Staatsschuldenquoten sind bei der Mehrheit der Länder weiter deutlich gestiegen und steigen auch weiterhin, wie der IWF berichtet. Gespart wird de facto nicht, gespart wird an den Sozialleistungen, aber die Staatsverschuldung steigt, wie diese Studie zeigt. Wer aber zu Lasten der Bürger und nicht derjenigen konsolidieren möchte, schafft die Grundlage für soziale Unruhen, warnt die internationale Arbeiterbewegung ILO. Das gilt nicht nur für die EU, sondern weltweit. Eine Politik der sozialen Ungerechtigkeit, die die Lasten einer hemmungslosen Spekulation der Vermögensbesitzer mittels Hedgefonds und Großbanken, den übrigen Bürger anlastet, ist der Hintergrund einer neuen Verteilungsdebatte über Einkommen und Vermögen. Cui bono? Wem nützt die derzeitige Politik der EZB?

Zudem hat man den größten Banken, die weltweit mit hochriskanten Derivatgeschäften operieren gemeinsam mit den anderen Ländern insbesondere den USA, Japan, der Schweiz und der VR China den Status von systemrelevanten Banken verliehen, die letztendlich auf eine Staatshaftungsgarantie, d.h. weitere bail-outs zu Lasten der Steuerzahler vertrauen können. Die Frage des damit verbundenen moralischen Risikos wurde ignoriert. Man begnügte sich damit, den Sifi-Banken höhere Eigenkapitalquoten in Aussicht zu stellen. Im Falle einer erneuten systemischen Krise dürften diese jedoch keineswegs ausreichend sein, um die Banken ihre Verluste aus den Eigenmitteln abzudecken. Der Steuerzahler bleibt indirekt über den Staat als lender-of-last-resort in der Haftung.

Mit der demnächst geplanten Europäischen Bankenunion werden die Probleme de facto auch nicht gelöst. Es werden nur Haftungsrisiken für Banken vergemeinschaftet. Deutsche Steuerzahler haften dann eben gemeinsam mit Italienern und Franzosen für marode Banken in ihren Ländern. Man hofft mit der Bankenunion einen Bankennationalismus, der bisher das Verhalten der einzelnen Regierungen prägte verhindern zu können. Ob gemeinsame europäische Institutionen dafür ausreichend sein werden, bleibt aber mehr als zweifelhaft. Der Lackmustest wäre dann fällig, wenn beispielsweise eine Großbank eines Landes abgewickelt werden müsste.

Würde beispielsweise die italienische Regierung akzeptieren, wenn die kriselnde italienische Bank Monte de Paschi, deren Aktien vom Börsenhandel erst kürzlich ausgesetzt werden mussten, analog der HRE abgewickelt werden müsste, da sie nicht nur illiquide, sondern insolvent ist. Die Zustimmung dürfte entscheidend davon abhängen wer am Ende die Zeche zahlt. Ebenso wie Österreich hofft durch einen Schuldenschnitt der Hype Alpe Adria zu Lasten der Gläubiger insbesondere auch der Bayern LB die Kosten ins Ausland verschieben zu können, stimmen vermutlich viele Regierungen der Bankenunion nur zu, weil sie im Stillen hoffen, dass sie dabei einen Vorteil im Zuge der unausweichlichen Bankensanierung der EU für sich herausschinden können. Da das aber natürlich bei einem Nullsummenspiel nicht möglich sein wird, dürfte der Streit erst mit Beginn der Bankenunion erst richtig losgehen.

Zwar hätte dann die EZB als oberste Aufsichtsbehörde die Zuständigkeit für diese Entscheidung, aber es bleibt völlig offen, ob sich die jeweiligen Länder und deren Regierungen einer Entscheidung beugen werden, wenn es eine ihrer Banken tatsächlich treffen sollte. Die Einführung der Bankenunion wird also nicht die Lösung liefern, sondern vertagt derzeit nur den Streit auf den Zeitpunkt danach. Wie der Streit um die Besetzung des Postens des EU-Kommissionspräsidenten bereits anschaulich dokumentiert, scheren sich die Regierungschefs wenig um institutionelle Gepflogenheiten und Regelungen, wenn ihnen das damit vorgegebene Ergebnis missfällt (hier). Es ist daher meiner Ansicht nach nur eine weitere Illusion, dass fragile europäische Institutionen kontroverse Entscheidungen besser regeln können. Wie die Drohung Großbritanniens, aus der EU notfalls auszutreten, bereits zeigt, ist die Autonomie des Landes David Cameron wichtiger als die Unterordnung unter einem institutionellen Rahmen der EU. Die Hoffnungen, die Institutionalisten in die Reform der EU setzen, könnten sich daher rasch als Luftschloss erweisen.

Statt rasch nach Ausbruch der Finanzkrise die Bankensanierung auf nationaler Ebene voranzutreiben und insolvente Banken abzuwickeln, hat die Politik die Zombiebanken immer weiter mit Geld durch die EZB zu versorgen, dazu geführt, dass ein Attentismus eingetreten ist, weil man eben darauf spekuliert, durch die Kollektivhaftung in der Bankenunion billiger aus der Angelegenheit herauszukommen.

Es wundert daher nicht, dass einige Beobachter japanische Verhältnisse in Europa diagnostizieren. Dort wurde auch die Konsolidierung des Finanzsektors über mehr als ein Jahrzehnt verschleppt und hat damit maßgeblich zur langandauernden Stagnation der japanischen Wirtschaft und eine explodierende Staatsverschuldung beigetragen.

Hat die EZB mit ihrer Geldpolitik die Währungsunion gerettet? Zweifel sind angebracht. Man hat es den Regierungen ermöglicht, die Konsolidierung des Finanzsektors auf nationaler Ebene voranzutreiben, da man ja die EZB in der Rolle des lenders-of-last-resort zusammen mit dem EFSF und dem ESM kostengünstiger in Anspruch nehmen konnte.

Dass eine solche Politik kumulativ steigende Lasten mit sich bringt, wird dabei geflissentlich unter den Teppich gekehrt. All diese uneinbringlichen Forderungen müssen ja mit Zins und Zinseszins in die Zukunft fortgeschrieben werden. So muss die Fed in den USA bereits verkünden, dass man auf Jahre hinaus die gewaltig aufgeblähte Bilanz wohl aufrechterhalten müsse. Denn es gäbe keine realistische Chance, die Papiere ohne erhebliche Wertberichtigungen zurück in den Finanzmarkt zu schleusen, zitiert Bloomberg einen Sprecher der US-Notenbank.

Es ist das Eigeständnis, dass die Politik von Ben Bernanke ein toxisches Erbe hinterlassen hat. Eine Bilanzbereinigung ist aber wegen der dann fälligen Verluste und der Notwendigkeit einer Rekapitalisierung der Fed unerwünscht. Also schleppt man die Lasten weiterhin in die Zukunft. Allerdings führt die Bilanzschwäche der Notenbanken dazu, dass man im Falle einer erneuten schweren globalen Finanzkrise weitgehend handlungsunfähig sein wird. Noch einmal kann man nicht einen so gewaltigen Bail-out stemmen. Trotzdem führt dieses Risiko nicht zur Einsicht, bei den Akteuren der Großbanken vorsichtiger zu operieren. Man tanzt weiter, solange die Musik auf dem Börsenparkett spielt, und versucht, nebenbei seine Schäfchen rechtzeitig ins Trockene zu bringen. Es ist eben eine Politik des l’après moi, le deluge. Die Flut kam in Frankreich in Form der französischen Revolution. Ludwig der XV wusste also was er sagte. Nur verhindert hat er die Katastrophe nicht.

Wenn aber zu hohen Buchwerten zu niedrige Realwerte gegenüber stehen, ist die Richtung der Korrektur am Ende klar. Die Buchwerte werden sich den Realwerten anpassen müssen. Diesen Vorgang kann man dann Vermögensabgabe, Schuldenschnitt oder Inflation bzw. Hyperinflation nennen. Jede dieser Ausprägungen ist jedoch alles andere als eine weiche Landung. Es ist ein Schock. Nur Deflation ist es nicht. Be prepared.

 


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