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EZB und Regierungen wollen Schulden-Union in der EU erzwingen

Die angekündigten Maßnahmen der EZB sind nach Auffassung des Verfassungsrechtlers Christoph Degenhart der Versuch, den OMT-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu umgehen. Degenhart vermutet, dass dadurch eine Vergemeinschaftung der Staatsschulden gleichsam durch die Hintertür erreicht werden soll.
25.06.2014 00:59
Lesezeit: 1 min

Nach Einschätzung des Leipziger Verfassungsrechtlers Christoph Degenhart wäre der Ankauf von Staatsanleihen, wie von EZB-Chef Mario Draghi soeben wieder angekündigt, der „Versuch, die Aussagen der Rechtsprechung über die rechtlichen Grenzen der Befugnisse der EZB zu umgehen“. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem OMT-Urteil festgehalten, „dass auch eine Umgehung nicht zulässig“ sei. Doch Degenhart erwartet im Interview mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten nicht, dass die Bundesregierung eingreift: Eigentlich müsste sie das, weil Karlsruhe in seinem Urteil festgehalten hatte, dass das OMT von der Bundesregierung nicht genehmigt werden dürfe.

Degenhart: „Die EZB verfolgt ganz klar wirtschaftspolitische Ziele. Zunächst hieß es, dass das OMT-Programm den gestörten Transmissionsmechanismus beheben soll. Jetzt soll dasselbe Programm der Sicherung der Preisstabilität dienen.“ Degenhart vermutet: „Die EZB will Fakten schaffen. Die ganze Geschichte der Währungsunion ist eine Geschichte der Rechtsbrüche, in der stets ausgetestet wurde, wie weit man gehen kann. Wenn dann einmal die Fakten geschaffen waren, wie beim Verstoß gegen das Bail-out-Verbot hat man, wie beim Artikel 136 AEUV den Rechtsbruch nachträglich durch eine Vertragsänderung sanktioniert.“

Der politische Zweck, der nach Degenharts Einschätzung hinter dem Verhalten der EZB und der Bundesregierung steht: „Die EZB und die Regierungen in Europa wollen die Integration der Euro-Zone vorantreiben. Zu diesem Zweck haben sie den Primat des Rechts aufgegeben zugunsten eines, höflich gesprochen, gewissen Pragmatismus...“

Die fortgesetzten Rechtsbrüche könnten den Euro-Rettern zwar „kurzfristig helfen, weil sie ihnen Zeit kaufen“. Doch langfristig sei diese Strategie verheerend für die EU. Degenhart: „Anders als die Nationalstaaten ist die EU nicht historisch gewachsen, sondern ein rechtliches Konstrukt. Die permanente Verletzung gefährdet die rechtsstaatlichen Grundlagen der EU.“

Dabei nehme die Bundesregierung „in Kauf, dass die Eigentumsrechte der deutschen Sparer immer weiter eingeschränkt werden“, sagte Degenhart: „Zugleich verlieren die klassischen Institutionen der EU immer mehr an Bedeutung, weil neben ihnen neue Institutionen geschaffen werden wie etwa der ESM. Diese Institutionen vergrößern jedoch das Demokratie-Defizit in der EU, anstatt es abzubauen.“

Degenhart fürchtet, dass dieser Prozess nicht leicht zu stoppen sein werde: „Im Falle der OMT wird die Bundesregierung nichts unternehmen und sagen, dass sie auf das Urteil des EuGH wartet. Auch das Bundesverfassungsgericht kann in dieser Sache nicht mehr tätig werden, weil es den Fall ja nach Straßburg verwiesen hat. Es wird also schwer werden, die geplanten Maßnahmen der EZB zu verhindern.“

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