Unternehmen

Berggruen will Kasse machen: Karstadt vor Verkauf

Lesezeit: 2 min
11.07.2014 14:48
Karstadt-Eigentümer Berggruen verhandelt einen Verkauf der Warenhauskette. Der österreichische Investor Benko könnte für einen Euro 75 Prozent an der Karstadt-Stammgesellschaft übernehmen. Benko soll weniger am Erhalt von Karstadt als am Ausverkauf der Immobilien interessiert sein.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Nach dem plötzlichen Rücktritt der Karstadt-Chefin Eva-Lotta Sjöstedt sorgt eine Meldung über Verkaufsgespräche für neue Verunsicherung bei den rund 17.000 Mitarbeitern. Eigentümer Nicolas Berggruen verhandele mit der österreichischen Finanzgruppe Signa des Unternehmers Rene Benko über einen Verkauf der Warenhaus-Kette, berichtete die Bild-Zeitung am Freitag. Möglich macht dies eine Option, die Berggruen dem Immobilieninvestor und dem Diamantenhändler Beny Steinmetz eingeräumt hat, wie mehrere Insider der Nachrichtenagentur Reuters sagten. Sie können demnach für einen Euro 75,1 Prozent der kriselnden Karstadt-Stammgesellschaft übernehmen, die die verbliebenen 83 klassischen Warenhäuser betreibt. Sollte es dazu kommen, wäre Karstadt fast gänzlich in der Hand des Österreichers, der bereits die Mehrheit an Filetstücken hat - dem operativen Geschäft von Karstadt Sports und den drei Luxuswarenhäusern in Berlin, Hamburg und München. Auch gehören Benko zahlreiche Karstadt-Immobilien.

Ob und wann Benko die Option zieht, blieb zunächst unklar. Sowohl Karstadt, als auch Berggruen und Benko waren zunächst für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Signa lehnte eine Stellungnahme ab. Beim Bundeskartellamt ist nach Aussage eines Sprechers keine Übernahme von Karstadt-Warenhäusern angemeldet.

Handelsexperte Thomas Roeb von der Universität Bonn glaubt nicht, dass Benko die Option ziehen wird. Es würde keinen Sinn für den österreichischen Immobilienmogul machen, dem 17 Karstadt-Häuser bereits gehören, die Verluste zu übernehmen oder die Sanierung zu betreiben, geschweige denn, sich die Finger mit einer Insolvenz schmutzig zu machen, sagte Roeb.

Karstadt schreibt seit Jahren rote Zahlen und hatte 2009 Insolvenzantrag gestellt. Berggruen erwarb den Warenhauskonzern 2010 für den symbolischen Preis von einem Euro. Seither versucht der defizitäre Kaufhof -Konkurrent, wieder auf Kurs zu kommen. Zuletzt wurde die frühere Ikea-Managerin Sjöstedt für das verbliebene Warenhausgeschäft geholt. Die Hoffnungsträgerin hatte erste Vorschläge für die Neuaufstellung ausgearbeitet. Doch am Montag warf sie nur knapp fünf Monate nach ihrem Amtsantritt das Handtuch. Ihr fehle die Unterstützung Berggruens für ihre Strategie und Investitionspläne, die Voraussetzungen für eine Sanierung seien nicht mehr gegeben, begründete die Schwedin ihren Rücktritt. Laut "Bild"-Zeitung steht die Aufgabe Sjöstedts im Zusammenhang mit den Verhandlungen zwischen Berggruen und Benko.

Die Verunsicherung im Unternehmen sei groß, sagte Gesamtbetriebsratschef Hellmut Patzelt. Informationen seitens der Eigentümer gebe es nicht. "Ich will wissen, was sind die Hintergründe des Rücktritts von Frau Sjöstedt und was kommt auf uns zu", sagte Patzelt, der zugleich auch stellvertretender Aufsichtsratschef ist. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran, Antworten zu bekommen. Ich muss wissen, was das für die Mitarbeiter heißt." Er erwarte, dass die Arbeitsplatzsicherheit im Vordergrund stehe.

Ungeachtet aller Spekulationen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens ist das Geschäft Insidern zufolge zunächst gesichert. Branchenkreisen zufolge konnten die Verhandlungen mit den Warenkreditversicherern erfolgreich abgeschlossen werden. Verabredungsgemäß fließen zudem in den nächsten Wochen weitere Mittel von Benko, wie eine mit Karstadt vertraute Person sagte. "Diese Tranche spielt eine entscheidende Rolle und sichert das Weihnachtsgeschäft ab", sagte der Insider. "Karstadt ist ein Sanierungsfall aber nicht pleite." Allerdings ist sich Handelsexperte Roeb sicher: "Wenn Karstadt keine finanzielle Unterstützung für die Sanierung von den Eigentümern erhält, ist die Zukunft sehr ungewiss."

Dass sich kurzfristig ein neuer Vorstand finden lasse, bezweifelte der Insider. Möglicherweise werde auf der Aufsichtsratssitzung Ende Juli darüber entschieden, einen neuen Sanierungsexperten zu verpflichten.

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien: Photovoltaik und Offshore-Windkraft boomen
30.12.2024

Deutschland erzielt 2024 einen Rekordwert bei der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien: Mit einem Anteil von 55 Prozent am...

DWN
Technologie
Technologie Blauer Wasserstoff: Herstellung und Nutzen
30.12.2024

Blauer Wasserstoff gilt als Schlüsseltechnologie der Energiewende. Aber was verbirgt sich dahinter? Hier erfahren Sie, wie blauer...

DWN
Politik
Politik Slowakische Regierung: Ukraine muss Gebiete aufgeben
30.12.2024

Ministerpräsident Robert Fico droht, Kalinak fordert und der Gasstreit zwischen der Ukraine und der Slowakei eskaliert. Während die...

DWN
Panorama
Panorama Flugzeugunglück Südkorea: Staatstrauer und Untersuchungen nach verheerendem Absturz
30.12.2024

Ein Flugzeugunglück erschüttert Südkorea: Eine Boeing 737-800 zerschellt am Flughafen Muan, nur zwei Menschen überleben. Während...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis: Die Hausse beim Gold ist Resultat der Ankäufe Chinas und Indiens
30.12.2024

Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Im Englischen spricht man von „Fool´s gold“, wenn mal wieder der Schein trügt – und...

DWN
Politik
Politik Estlink 2: Russlands Schattenflotte bedroht die europäische Infrastruktur
30.12.2024

Die Spannungen in der Ostsee nehmen zu: Nachdem vergangene Woche ein Unterwasserkabel vor Finnland beschädigt wurde, rückt Russlands...

DWN
Politik
Politik Merz fordert Abschiebung von Straftätern nach Syrien und Afghanistan
30.12.2024

Kanzlerkandidat Merz möchte nach einem Wahlsieg die Asyl- und Einwanderungspolitik verändern. Gegenüber Mittätern des Assad-Regimes in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schluss mit Just-in-Time: Warum Lagerhaltung ein Comeback feiert
30.12.2024

Just in time war der Kern weltweiter Wertschöpfungsketten: ohne Lagerhaltung produzieren, aber pünktlich liefern. Das funktioniert nicht...