Technologie

Ursache für Darm-Erkrankungen: Geheimnisvolles Virus entdeckt

Wissenschaftler haben ein Virus entdeckt, das im Darm lebt. Mindestens jeder Zweite soll das Virus mit sich herumtragen – eventuell sogar 75 % der Weltbevölkerung. Jetzt wird untersucht, welche Rolle es bei Darmkrankheiten spielt.
09.08.2014 00:41
Lesezeit: 2 min

Das Virus infiziert und repliziert sich selbst in einem der häufigsten Typen von Darmbakterien, der sogenannten Bacteroidetes. Dabei bildet sich in dieser Klasse von Bakterien ein eigener Stamm, der einen eigenen Stoffwechsel besitzt. Das Ganze ist relativ ungefährlich, wenn man einmal davon absieht, dass Bacteroidetes bereits mit einigen Krankheiten in Verbindung gebracht wurden.

Dazu zählen unter anderem Fettleibigkeit, Diabetes und andere Krankheiten, die ihre Ursache im Darm haben. Das Besondere an dem neuen Virus die Länge seiner DNA. Diese besteht aus etwa 97.000 Basenpaaren und ist damit beispielsweise zehn Mal länger als HIV. Es gibt keine vergleichbare Länge unter den bekannten Viren und damit ist dies eine wohl einzigartige Entdeckung.

Was wiederum die Frage aufwirft, warum sich das Virus solange vor Forschern verstecken konnte. Denn es wird angenommen, dass es in den meisten Menschen vorkommt – und das offensichtlich nicht erst seit kurzer Zeit. Zwei Forscher von der San Diego State University haben das Virus per Zufall entdeckt, berichtet Edwards Lab. Sie untersuchten am Computer die Stuhlproben von 12 Menschen, um nach neuen Viren zu forschen. Dabei stellten sie fest, dass alle den gleichen Strang DNA enthielten. Das Virus tauften sie übrigens „crAssphage“. Der Titel stamme von dem Programmnamen, das sie bei der Suche verwendet haben und habe nichts mit dessen Fundort zu tun, so die Wissenschaftler.

Nachdem jeder der Testpersonen die virale DNA enthielt, wollten die beiden Forscher herausfinden, wie verbreitet das Virus in der Realität ist. Bisher existierte es nur auf ihrem Bildschirm. Nachdem sie die verfügbaren nationalen Datenbanken durchforsteten, stellten sie mit Hilfe von DNA-Vervielfältigung fest, dass crAssphage tatsächlich sehr häufig in menschlichen Stuhlproben vorhaben ist.

Wie sich herausstellte haben die meisten Menschen das Virus in sich und niemand wusste überhaupt, dass es existiert. Denn die beiden Wissenschaftler untersuchten daraufhin das fäkale Metagenom von 466 Proben. 342 oder 73 % davon enthielten crAssphage. In einer Presseveröffentlichung sagt Professor Robert Edwards, einer der beiden Entdecker: „Es ist nicht ungewöhnlich nach einem neuen Virus zu suchen und einen zu finden. Aber es ist sehr ungewöhnlich einen Virus zu finden, der in so vielen Menschen vorkommt.“

Weil es so weit verbreitet ist, kann das Virus nicht sonderlich jung sein. Wahrscheinlich ist es so alt, wie der Mensch selbst. Aber wie kann es dann sein, dass ein derart häufig vorkommendes Virus so lange unentdeckt bleibt? Laut den Forschern sei dies vielleicht etwas seltsam, aber wiederum leicht zu erklären. Etwa 75 % der DNA-Sequenzen in einer neuen Stuhlprobe sind bisher unbekannt.

Es gibt also noch viel zu erforschen in diesem Bereich, der aus verständlichen Gründen noch relativ unerforscht ist. Aber jetzt geht es erst einmal darum crAssphage weiter zu durchleuchten. Denn bisher konnte es zwar identifiziert werden, aber die genaue Entstehung ist noch völlig unklar. Eines wissen die Forscher allerdings schon: Das Virus kommt nicht in Stuhlproben von sehr jungen Kindern vor und wird demnach nicht von der Mutter übertragen.

Daraus folgt wiederum, dass das Virus entweder später im Darm entsteht oder durch die Nahrung aufgenommen wird. Dieser Prozess ist noch unklar. Genauso welche Rolle crAssphage im Zusammenhang mit Fettleibigkeit und anderen Darmkrankheiten spielt. Dies soll jetzt erforscht werden. Dazu wird zuerst untersucht, welche Funktion das Virus bei Bacteroidetes-Kolonien übernimmt. Erst dann kann geklärt werden, wie es die Fettleibigkeit beeinflusst.

Professor Edwards geht sogar noch einen Schritt weiter. Das Virus kann in Zukunft vielleicht sogar personalisiert werden. Wissen die Forscher erst einmal auf welche Art crAssphage Darmkrankheiten wie beispielsweise Diabetes verursacht oder verhindert, kann dieser Prozess genutzt werden. „Es kann der Schlüssel sein für eine persönliche Bakteriophagen-Medizin. Wir könnten bei Individuen dieses spezielle Virus isolieren und so manipulieren, damit es schädliche Bakterien angreift und es Dir dann wieder geben.“

Doch soweit sind die Wissenschaftler noch nicht. Aber die Idee an sich klingt verlockend – vorausgesetzt sie funktioniert auch, meldet nature communications.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...