Wenige Tage nach der jüngsten Ratssitzung hat sich EZB-Chef Mario Draghi mit dem italienischen Regierungschef Matteo Renzi getroffen. Der Premier bestätigte Journalisten, dass er seinen Landsmann am 12. August getroffen habe. Die Zeitung Corriere dell'Umbria hatte berichtet, die beiden Männer hätten sich in einer Kleinstadt nördlich von Rom getroffen. Dort habe der EZB-Chef ein Ferienhaus.
Draghi hatte nach dem Zinsbeschluss der EZB sein Heimatland offen kritisiert: Mangelnde Reformen am Arbeitsmarkt sowie überbordende Bürokratie und ein ineffizientes Gerichtswesen hemmten das Investitionsklima in Italien. Zudem ist die Jugendarbeitslosigkeit auf einen dramatischen Stand (mehr dazu hier).
Die Staatsverschuldung Italiens erreichte im Juni einen neuen Rekordwert von mehr als zwei Billionen Euro (mehr dazu hier). Seit sechs Jahren kämpft Italien mit einem Konjunkturrückgang. Das Land ist im zweiten Quartal zurück in die Rezession gerutscht. Das BIP sank um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal (mehr dazu hier). Die Produktion ist mittlerweile auf einem Niveau wie im Jahr 1980.
Die Schuldenquote kann bis Ende des Jahres 140 Prozent erreichen. Keiner wisse, wie die Märkte reagieren werden, fürchten Experten. Die Rezession frisst die Steuereinnahmen so stark auf, dass Renzi Schnitte von 20 bis 25 Milliarden Euro machen müsste. Die Aufgabe scheint beinahe hoffnungslos. Eine Studie des Think Tanks Bruegel hat ausgerechnet, dass Italien einen Primärüberschuss von 5 Prozent des BIP erreichen müsste, um die Schulden bei 2 Prozent der Inflation zu stabilisieren, berichtet der Telegraph.
Diese Primärüberschüsse sind unmöglich zu erreichen, so Ashoka Mody, der bis vor Kurzem beim IWF für die Rettungspakete für Europa verantwortlich war. Die italienischen Behörden sollten „clevere Anwälte, die auf Staatsschulden spezialisiert sind, konsultieren, um so eine geordnete Umschuldung zu gewährleisten“, zitiert ihn der Telegraph. Dies wäre keine einmalige Katastrophe, da es Möglichkeiten gäbe, die Verpflichtungen über einen längeren Zeitraum auszudehnen. „Es gibt keinen Anlass, darauf zu warten, bis die Verschuldung bei 150 Prozent liegt. Sie sollten damit sofort anfangen“.
Der Rückfall der vergangenen Monate habe jegliche Illusionen getötet, so Eugenio Scalfari, ehemaliger Abgeordneter für die Sozialisten und Gründer der Zeitung La Rebulicca. Er rät Renzi sogar, sich für die Rettung vorzubereiten: „Ich muss die bittere Wahrheit aussprechen, da wir sie alle bereits sehen, als Realität vor unseren Augen. Möglicherweise soll sich Italien selbst unter die Kontrolle der Troika begeben“.
Der Vorschlag hieße, dass in Italien die Demokratie ausgesetzt werden soll, um den Euro zu retten.
Seit seiner Mitgliedschaft in der Europäischen Währungsunion geht es Italien wirtschaftlich schlechter. Da muss noch keine direkte Kausalität dahinterstehen. Doch die Währungsunion könnte eine sehr destruktive Dynamik im Land ausgelöst haben.
Vor dem Euro hatte Italien ein Handelsüberschuss gegenüber Deutschland. Die Industrie im Norden galt als starker Konkurrent, wann immer die Lira schwach war.
Antonio Guglielmi von der Mediobanca sagt, dass sich Italien vor der Festsetzung der Lira gegenüber der D-Mark im Jahr 1996 gut behauptet habe. Erst danach setzte eine „negative Produktionsspirale“ ein. In einem vernichtenden Bericht zeigt er auf, wie das Produktivitätswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit Italiens in den vergangenen 40 Jahren jedes Mal ins Stocken gerieten, wenn die Lira an die D-Mark gekoppelt wurde. Mit jeder Abwertung erfolgte allerding ein Aufschwung.
Momentan ist Italien ist im Vergleich zu Deutschland um 30 Prozent überbewertet. Der Ruf nach Reformen ist laut, allerdings ist unklar in welche Richtung diese gehen sollen. Somit ist das Land auf sich alleine gestellt.
Einige Stimmen werden laut, die offen mit dem Gedanken spielen, dass Italien seine Souveränität nur dann wiedererlange, wenn es seine Schulden in Lira umwandeln könne.
Der italienische Staat kann seine Rechnungen bei den Unternehmen des Landes offenbar bereits jetzt nicht mehr bezahlen. Viele von der Regierung geprellte Unternehmen mussten bereits Angestellte entlassen, Standorte schließen oder Konkurs anmelden(mehr dazu hier).
Im Jahr 2013 schlossen in Italien jeden Tag rund 54 Unternehmen. Besonders tragisch: Die Zahl der Suizide von Unternehmern in kleinen und mittleren Betrieben steigt dramatisch. Die meisten verzweifeln wegen ihrer Schulden (mehr dazu hier).