Finanzen

Trotz Draghis Geldschwemme: Unternehmen in Süd-Europa zahlen Rekord-Zinsen

Die Zinssätze für kleine und mittlere Unternehmen in Südeuropa sind massiv angestiegen. Ihre Kredite sind heute teilweise teurer als vor der Einführung des Euro. Von der Niedrigzins-Politik der EZB profitieren in den Krisenländern nur noch die Banken und Regierungen, die sich so billig verschulden können wie niemals zuvor.
26.08.2014 00:16
Lesezeit: 2 min

Die tatsächlichen Kreditkosten für die Unternehmen in den Krisenländern im Süden der Eurozone sind massiv angestiegen. Die Zinssätze haben Werte erreicht wie auf dem Höhepunkt der Finanzkrise. Von der Niedrigzinspolitik der EZB profitieren die Banken und die Regierungen, nicht aber die Realwirtschaft.

Die wirtschaftliche Aktivität und die Investitionen in der Eurozone haben noch nicht wieder den Stand vor der Krise erreicht, sagt ein aktueller Bericht des IWF. Investitionen werden weiterhin dadurch behindert, dass die Realwirtschaft vor allem in den Krisenländern nur begrenzten Zugang zu Krediten erhält.

Die Kreditkosten vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen in den Krisenländern sind aktuell sehr hoch. Zudem geht in Spanien, Portugal und Italien die Kreditvergabe deutlich schneller zurück als in der Eurozone insgesamt.

Vor allem in Spanien und Italien erhalten kleine und mittlere Unternehmen (KMU) derzeit nur sehr schwierig Kredite von den Banken. Dort wurde im ersten Halbjahr 2014 rund ein Fünftel der beantragten Kredite nicht vergeben. Entweder wurden die Kredite abgelehnt, oder die von den Banken angebotenen Zinssätze waren so hoch, dass ein Geschäft nicht zustande kam.

Die Kreditklemme bei den kleinen und mittleren Unternehmen in den Krisenländern kann verheerende Folgen haben. Denn die KMU erbringen in Spanien, Portugal und Italien 80 Prozent der Arbeitsplätze und 70 Prozent der Wertschöpfung.

Für die spanischen und italienischen Unternehmen sind Kredite heute genau so teuer wie auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Jahr 2009. In Spanien, Italien und Portugal liegen die Zinssätze für Nicht-Finanz-Unternehmen aktuell deutlich höher als während des Kreditbooms in den 2000er Jahren.

Doch das Entscheidende ist, dass die Unternehmen im Süden Europas heute zum Teil schlechter an Kredite gelangen als vor der Einführung des Euro. In Spanien sind die Zinssätze für Bankkredite wieder genauso hoch wie vor der Einführung des Euro. Und in Portugal zahlen die Unternehmen heute im Schnitt sogar höhere Zinssätze als vor der Einführung des Euro.

Die Niedrigzins-Politik der EZB hat die Kreditvergabe für KMU kaum erleichtert. Von den extrem niedrigen Leitzinsen profitieren offenbar nur die Banken und die Regierungen. Die Regierungen können zu historisch günstigen Bedingungen Schulden machen, obwohl ihre Verschuldung so hoch ist wie nie zuvor.

Die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen liegen in Italien bei 2,45 Prozent, in Spanien bei 2,22 Prozent und in Portugal bei 3,03 Prozent. Die Unternehmen in diesen Staaten zahlen selbst für deutlich kürzere Laufzeiten doppelt so hohe Zinsen.

Um gegen die hohen Kapitalkosten der Unternehmen vorzugehen empfiehlt der IWF, dass die EZB ihre Bilanzen „deutlich vergrößern“ soll. Unter anderem solle die EZB im großen Stil Geld drucken und damit Staatsanleihen der Krisenländer aufkaufen. Dadurch würden die Zinsen für Staatsanleihen und letztlich auch die Kapitalkosten der Unternehmen sinken, so der IWF. Zudem empfiehlt der IWF massive Geldspritzen für die Banken (LTRO).

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Technologie
Technologie Neue Technologien am Körper: Gehirnimplantate, künstliche Intelligenz, elektronische Tattoos
28.06.2025

Hightech greift immer direkter in den menschlichen Körper ein. Ob Gehirnimplantate, elektronische Tattoos oder künstliche Intelligenz...

DWN
Politik
Politik Machtverlust oder Wendepunkt? Irans Zukunft nach dem Konflikt
28.06.2025

Nach dem militärischen Schlagabtausch mit Israel steht der Iran politisch und gesellschaftlich unter Druck. Zwischen Machtkonsolidierung,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen So gelingt der Einstieg: KI im Personalwesen mit System etablieren
28.06.2025

Künstliche Intelligenz erobert Schritt für Schritt das Personalwesen. Deutschland liegt im europäischen Vergleich weit vorne – doch...

DWN
Politik
Politik Familienkonzern Trump: Wie der Präsidenten-Clan Milliarden scheffelt
28.06.2025

Die Trump-Familie vermischt Politik und Profit wie nie: Während Donald Trump das Weiße Haus beherrscht, expandieren seine Söhne mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Börsenausblick 2025: Drohen jetzt heftige Kursbeben?
28.06.2025

Die Sommermonate bringen traditionell Unruhe an den Finanzmärkten. Mit Trump im Weißen Haus steigen die Risiken zusätzlich. Erfahren Sie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliarden für heiße Luft: Ex-OpenAI-Chefin kassiert ohne Produkt
28.06.2025

Ein Start-up ohne Produkt, eine Gründerin mit OpenAI-Vergangenheit – und Investoren, die Milliarden hinterherwerfen. Der KI-Hype kennt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Social Travel: Hostelworld will Facebook des Reisens werden – mit Milliardenpotenzial
28.06.2025

Hostelworld will nicht länger nur Betten vermitteln, sondern das führende soziale Netzwerk für Alleinreisende werden. Warum der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nvidia-Aktie mit Rekordhoch: Geht die Aufwärtsrally weiter?
27.06.2025

Trotz Handelskrieg und wachsender Konkurrenz feiert die Nvidia-Aktie ein Rekordhoch nach dem anderen. Experten sprechen von einer...