Deutschland

Bund der Steuerzahler: Die Eurozone ist politisch, finanziell und rechtlich ein Tohuwabohu

Lesezeit: 3 min
10.09.2012 13:03
„Jeder Widerstand gegen die Fortsetzung und Verfestigung des Eurosystems und die Auflösung der Nationalstaaten der Eurozone wird zuerst ignoriert“ betont Rolf von Hohenau, „dann pressemäßig aufgesplittert und anschließend gebrochen“. ESM, Fiskalpakt und die Anleihenkäufe der EZB sind Ergebnisse dieser Politik.
Bund der Steuerzahler: Die Eurozone ist politisch, finanziell und rechtlich ein Tohuwabohu

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Aktuell: Bundesverfassungsgericht lehnt Gauweilers Eilantrag ab

Der Ankauf von Staatsanleihen, d.h. Staatsfinanzierung, ist der EZB verboten. Sie ist für Geldwertstabilität zuständig und das schließt direkte oder indirekte Staatsfinanzierung aus. Doch hat die EZB bereits für hunderte Milliarden Anleihen aufgekauft und kündigte nun am 06.09.2012 ein Programm unbegrenzter Staatsanleihekäufe an.  „Bedingung“ sei,  dass hierfür die de facto bankrotten Club-Med-Länder einen Finanzierungsantrag stellen und erst danach „konditionierte“ Auszahlung erfolge. Das läuft auf Eurobonds hinaus. Natürlich  begrüßen der Finanzminister und seine Kanzlerin diesen Schritt. In Tageszeitungen wird die  „konditionierte Kreditgewährung“ als kluge „Einschränkung“ der Anleihekäufe bewertet. Das ist etwa so, als würde man einen Todeskandidaten unter dem Fallbeil fragen, ob er unter der Auflage, zukünftig brav zu sein, begnadigt werden will. Da fällt die Entscheidung wirklich schwer! Also eine tolle und wichtige Auflage, findet auch die Mehrheit der Journalisten des  Mainstream. Dummheit ist wahrlich grenzenlos! Keine einzige Auflage   des Maastricht-Vertrages wurde bislang eingehalten und trotz dutzender Verstöße gab es niemals Sanktionen. Aber zukünftig werden die „Auflagen“ eingehalten? Welch eine  Farce!

Auch nationale Entscheidungen gegen die Schaffung eines europäischen Gesamtstaates wurden und werden konsequent ignoriert,  so etwa das Votum der Franzosen und Niederländer gegen die Europäische Verfassung. Schnell schuf man den Vertrag von Lissabon und seitdem entscheidet die Regierung und nicht das Volk über supranationale Belange, auch wenn diese die Nationalstaaten betreffen. Nur Irland bestand auf Volksbefragung und die ging für die Eurokraken in die Hosen. Doch auch das irische Veto wurde durch eine Wiederholung der Wahl ausgehebelt (wir wählen so lange, bis das Ergebnis passt!). Typisch für diese rigorose und völlig gesetzlose Vorgehensweise der Euro-Outlaws, die nur die Regeln ihrer eigenen Clique respektieren, ist ein Ausspruch von Guiliano Amato (ehem. Vizepräsident des sog. Europäischen Konvents): „Deshalb ziehe ich es vor, langsam vorzugehen und die Souveränität Stück für Stück zu zerbrechen, und dabei plötzliche Übergänge von den nationalen zu den Befugnissen des (europäischen, AdU.) Bundes zu vermeiden …“ Ähnlich äußerte sich Jean Claude Juncker (Vorsitzender der Euro-Gruppe): „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.”

Es  existiert nur ein Faktum: Jeder Widerstand gegen die Fortsetzung und Verfestigung des Eurosystems und die Auflösung der Nationalstaaten der Eurozone wird zuerst ignoriert, dann pressemäßig aufgesplittert und anschließend gebrochen. Kein Gesetz, kein Vertrag, keine Zusage/Absichtserklärung irgendeines politisch verantwortlichen Eurobefürworters wurde im Hinblick auf den Euro jemals eingehalten. Das große Ziel ist die Auflösung und Verschmelzung von 27 Nationalstaaten zu einem €uropa-Imperium, geleitet von einer aus dem System heraus (undemokratisch) bestimmten, dirigistischen  Eurokraken-Hierarchie.

Im Hinblick auf die BVerfG-Entscheidung am 12.09.2012, von der allgemein eine „wichtige Beschränkung des ESM“ erwartet wird, ist die Ankündigung und Entscheidung der EZB, zukünftig unbeschränkt Staatsanleihen aufzukaufen, ein Affront. Die Botschaft ist klar: Gleich was ihr Richter entscheidet, ihr haltet uns nicht auf; notfalls werden wir über die EZB die Rolle des ESM übernehmen. Merkt Euch: Wir finanzieren was, wen und in welcher Höhe wir auch immer wollen und zwar - seit 06.09.2012 – auch ohne substantielle Sicherheitsleistung[i] des finanzierten Staates. Ob das rechtens ist? Was für eine dumme Frage! Recht ist nur eine  lächerliche Fiktion rückwärtsblickender, nationalstaatlicher Demokraten. Niemand wird uns daran hindern,  „Großeuropa“ zu schaffen. Dieses hehre Ziel ist per se rechtens und darf durch nationales Recht nicht blockiert werden. Doch Hauptgrund ist:  Der Fortbestand  der gesamten, schon installierten Eurokrakie hängt unmittelbar vom Überleben des Euro ab - alternativlos. Ist  das nicht Begründung genug!

Was wird nun das Verfassungsgericht am 12.09.2012 im Kern entscheiden:

- Ja. Der ESM ist uneingeschränkt rechtens.

- Ja,  aber …  der  ESM kann nur unter Auflagen a,b,c  in  Betrieb gehen.

- Nein! Der ESM ist rechtswidrig und widerspricht der Verfassung. Dies gilt auch für die erfolgte Zustimmung von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat.

Im ersten und zweiten Fall würde die Entscheidung auch gleichzeitig einer rechtlichen Selbstkastration des Verfassungsgerichtes gleichkommen: Denn gleich wie hart etwaige Auflagen ausfallen werden: die Eurokraten werden sie auf irgendeinem Weg faktisch umgehen, wie sie das immer gemacht haben und immer machen werden -  sofern man sie nicht definitiv stoppt.  Nur ein klares „Nein“ des Verfassungsgerichtes zum ESM wird diese Gesetzlosigkeit beenden. Kommt wieder das übliche „Ja, aber … „,  führt dies unweigerlich zum Verlust von Finanzhoheit und Souveränität der Bundesrepublik. Dann erübrigt sich auch ein Verfassungsgericht, bzw. es verkommt zu einer sinnleeren Hülle eines „Obersten Gerichts“,  entsprechend der „Bundesbank“, die nach zwischenzeitlich kompletter Plünderung (siehe hierzu www.target-2.de) auch nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Dennoch verdient sie und ihr Präsident Jens Weidmann unseren Respekt, denn es zeugt doch zumindest von aufrechtem Ehrgefühl, wenn diese im Untergang Haltung zeigen.

Recht und rechtmäßiges, demokratisches Verhalten gelten beim Aufbau „Großeuropas“ nicht mehr und werden vor allem in finanziellen Dingen tagtäglich von Regierungen und europäischen Institutionen, wie etwa der EZB, ad absurdum geführt,  geradezu verspottet. Öffentliche Proteste und Klagen von zehntausenden von Bürgern ignoriert die Politik, als gäbe es sie nicht. Die Eurozone ist politisch, finanziell und rechtlich ein Tohuwabohu – verursacht genau von denen, die sich jetzt als Retter aufspielen und das Recht mit Füßen treten.


[i] EZB Mitteilung vom 06.09.2012: “….ECB has decided to suspend the application of the minimum credit rating threshold in the collateral eligibility requirements for the purposes of the Eurosystem’s credit operations in the case of marketable debt instruments issued or guaranteed by the central government, and credit claims granted to or guaranteed by the central government ….”

 

Der Autor, Rolf von Hohenhau, ist Präsident des Bundes der Steuerzahler in Bayern und Präsident der Taxpayers Association Europe (www.stop-esm.org).

 


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Unternehmen
Unternehmen VW hält an Werksschließungen fest - Sparansage auch bei Bosch
24.11.2024

Im Streit um Einsparungen bei VW bleibt das Unternehmen hart: Die Kapazitäten sollen schnell runter. Die IG Metall reagiert in der...

DWN
Panorama
Panorama Sammelkarten als Wertanlage: Das Geschäft mit begehrten Karten
24.11.2024

Sammelkarten sind weit mehr als nur ein Zeitvertreib. Besonders seltene Karten erzielen zum Teil Rekordpreise. Was steckt hinter diesem...

DWN
Panorama
Panorama Migration, Terrorgefahr und Krieg: Die größten Sorgen der EU-Bürger
24.11.2024

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine wird von Menschen in Osteuropa als ernste Bedrohung wahrgenommen. Doch betrachtet man die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen: Wo die Probleme in Deutschland liegen und was passieren muss
24.11.2024

In Deutschland gab es in den vergangenen Jahren größere Versäumnisse, sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft, die das Wachstum...

DWN
Politik
Politik Kommt die Wegzugsbesteuerung für deutsche Fondsanleger? Neues Hindernis gegen die Abwanderung ins Ausland beschlossen
23.11.2024

Eine geplante Wegzugsbesteuerung bei Investmentfonds soll zunehmende Abwanderung von Geld und Fachkräften aus Deutschland stoppen! Wie die...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
23.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenz von HH2E: Rückschlag für Habecks Energiewende - Wasserstoffprojekte in Sachsen in Gefahr
23.11.2024

Der Wasserstoff-Spezialist HH2E hat Insolvenz angemeldet, die Finanzierung durch ein britisches Private-Equity-Unternehmen ist gestoppt....

DWN
Panorama
Panorama 2050: Was erwartet Kinder in der Zukunft?
23.11.2024

Klimawandel, technologische Entwicklungen und demografische Veränderungen werden das Aufwachsen von Kindern in der Zukunft prägen, so die...