Frankreichs Premier Manuel Valls hat eine Vertrauensabstimmung über seine umgebildete Regierung gewonnen und eine Parteirevolte damit vorerst abgewehrt. 269 Abgeordnete sicherten am Dienstagabend in der Nationalversammlung dem neuen Kabinett ihre Unterstützung zu, 244 waren dagegen. Valls hatte die Vertrauensfrage gestellt, um wochenlange Spekulationen über die Stabilität der sozialistischen Regierung zu beenden. Diese waren aufgekommen, nachdem er eine Reihe von Ministern entlassen hatte, die seinen Reformkurs kritisierten. Der Regierungschef setzt im Kampf gegen die lahmende Konjunktur und die Rekordarbeitslosigkeit auf unternehmensfreundliche Maßnahmen.
32 Mitglieder der Sozialistischen Partei enthielten sich wie angekündigt bei der Abstimmung aus Protest gegen Valls' Pläne, die Staatsausgaben in den kommenden drei Jahren um 50 Milliarden Euro zu senken und gleichzeitig den Unternehmen Steuererleichterungen im Umfang von mehr als 40 Milliarden Euro zu verschaffen. Auch Einschnitte beim Gesundheits- und Sozialwesen werden befürchtet. Die Opposition sah in den Enthaltungen ein Signal, dass Valls bei anstehenden Abstimmungen im Parlament Probleme bekommen werde, notwendige Mehrheiten zu erhalten. „Das ist mehr als eine Warnung“, sagte der Vorsitzende der konservativen UMP im Parlament, Christian Jacob. „Seine Tage sind gezählt.“
Kurz vor der Vertrauensabstimmung warb Valls noch einmal eindringlich für seinen Reformkurs. „Reform bedeutet nicht, unser Sozialmodell zu zerstören“, sagte er in einer Rede vor der Nationalversammlung. „Wir müssen dieses Modell anpassen und neu erfinden. Aber es ist nicht tot, es ist nicht veraltet.“ Änderungen an der 35-Stunden-Woche schloss er ebenso wie Kürzungen beim Mindestlohn aus. Rentnern, die 1200 Euro oder weniger im Monat erhalten, versprach er Zuschüsse. „Wir verfolgen keinen Sparkurs.“
Doch die wirtschaftlichen Aussichten Frankreichs verschlechtern sich stetig. Finanzminister Sapin senkte die Wachstumsprognose für 2014 kürzlich von 0,5% auf 0,4%. Damit erfolgt bereits die dritte Absenkung der offiziellen Wachstumsprognose für dieses Jahr. 2013 hoffte man noch auf 1,2% Wachstum im Jahr 2014. Exakt vor einem Jahr erfolgte die erste Absenkung der 2014er-Prognose auf 0,9 Prozent.
Doch selbst, um das Miniwachstum von 0,4% zu erreichen, müsste es im zweiten Halbjahr einen veritablen Wirtschaftsaufschwung geben. Im ersten Halbjahr verbuchte Frankreich nämlich lediglich ein Nullwachstum.
So wie die Prognosen für das Wirtschaftswachstum nach unten angepasst werden, werden die für das staatliche Haushaltsdefizit 2014 nach oben angepasst. Zuerst wollte man 2014 nur ein Defizit von 2,9% des BIPs machen, also innerhalb der Maastricht-Kriterien bleiben. Dann korrigierte man sich auf 3,7%, dann auf 3,8%. Beinahe schon turnusmäßig erfolgt nun die dritte Berichtigung: Das Haushaltsdefizit 2014 soll nun 4,4% des BIPs betragen.
Sapin begründete die schlechten Aussichten mit einer „Ausnahmesituation“ in der Eurozone. Es gebe „ein sehr schwaches Wachstum, gepaart mit einer Verlangsamung der Inflation, die keiner vorhergesehen hatte“.
Allerdings passt weder der Begriff „Ausnahmesituation“, noch ist richtig, dass das schwache Wachstum der Eurozone keiner vorhergesehen hat. Selbst in einem Bericht der EU-Kommission von Ende 2013 werden der Eurozone schwache wirtschaftliche Aussichten bescheinigt – und das nicht als Ausnahme für das Jahr 2014, sondern dauerhaft für (mindestens) die nächsten zehn Jahre.
Die wirtschaftlichen Daten Frankreichs sind verheerend. Es ist gut möglich, dass selbst die abenteuerlichen Rettungsmaßnahmen zu spät kommen. Der französische Staat sei bankrott, sagt selbst Sapin. Die Regierung hat nicht die leiseste Ahnung, wie der Crash verhindert werden könne.
Falls jetzt noch Sapins Prognose für 2015 interessiert: 1,0% Wirtschaftswachstum und 4,3% Haushaltsdefizit.