Bei den Parlamentswahlen in Lettland hat die russische Partei Harmonie mit 23,3 Prozent die meisten Stimmen erhalten. Ein Machtwechsel ist jedoch unwahrscheinlich: Die bisher regierende Mitte-Rechts-Koalition von Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma kommt gemeinsam auf knapp 58 Prozent der Stimmen, teilte die Wahlkommission am Sonntag mit. Straujuma kündigte noch am Wahlabend an, sie wolle eine Regierung auf der Grundlage der bisherigen Koalition bilden und zunächst mit den bisherigen Regierungspartnern über die künftige Regierung sprechen.
Staatspräsident Andris Berzins sagte am Sonntag im lettischen Fernsehen, er werde in einer Woche mit den Parteien Gespräche über die Regierungsbildung aufzunehmen. Die Parteien hätten nun eine Woche Zeit, um über mögliche Zusammenarbeit, Koalitionsbildung und Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten zu diskutieren.
Straujumas Einheitsblock kommt nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen auf 21,6 Prozent - das sind fast drei Prozentpunkte mehr als bei der vorgezogenen Parlamentswahl vor drei Jahren. Dahinter folgen mit dem bürgerlichen Bündnis der Bauern und Grünen (19,8 Prozent) sowie der nationalkonservativen Nationalen Allianz (16,5 Prozent) ihre beiden Koalitionspartner.
Die drei Regierungsparteien signalisierten bereist nach ersten Prognosen am Wahlabend ihre Bereitschaft zu einer Fortsetzung der Koalition. Nils Usakovs, Parteichef und Spitzenkandidat der Harmonie, appellierte noch in der Nacht zu Sonntag an Präsident Berzins, der stärksten Partei den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. Hierzu sagte Berzins, es mache keinen Sinn, eine Partei mit der Regierungsbildung zu beauftragen, wenn sie keine Mehrheit im Parlament sichern könne.
Das Problem Lettlands ist, dass das Land faktisch in zwei ethnische Gruppen geteilt ist. Die ideologischen Unterschiede zwischen den Parteien sind nicht vorhanden, wie Daunis Auers von der Universität Lettlands der FT sagte. Obwohl Harmonie mit der Partei Putins und den chinesischen Kommunisten kooperiert, agiert die Partie innenpolitisch weitgehend ideologiefrei.
Daher schaffen Interventionen von außen lediglich neue Probleme. Denn eigentlich müsste Lettland einen Weg finden, die Gräben zwischen den Volksgruppen zu überbrücken. Das ist in den Jahren nach dem Fall der Sowjetunion überraschend gut gelungen - auch, weil Russland auf hegemoniale Ansprüche verzichtet hatte und sich in der Frage des EU-Beitritts nicht eingemischt hatte.
Schon vor drei Jahren gewann die russische Harmonie die meisten Stimmen, wurde aber von der Regierungsbildung ausgeschlossen. Damals beherrschten die Folgen der Wirtschaftskrise die Debatte. Diesmal war der Wahlkampf in der ehemaligen Sowjetrepublik von der Ukraine-Krise überschattet.
Mit den Parteien Für Lettland von Herzen (6,9 Prozent) und Lettlands Bündnis der Regionen (6,5 Prozent) schafften auf Anhieb auch zwei neugegründeten Kräfte den Einzug ins Parlament. Zur Wahl waren 13 Parteien und Bündnisse angetreten. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 59 Prozent.
Die vergleichsweise geringe Wahlbeteiligung wird die Legitimität der neuen Regierung weiter schwächen: Wie in Deutschland wird Lettland damit in den kommenden Jahren von einer Regierung gewählt, die nicht die Mehrheit der Bürger hinter sich hat.
Bei vielen Wählern dürfte ein Moskau-Besuch von Harmonie-Parteichef Nils Usakovs Anfang September zur Entscheidung an der Urne beigetragen haben. Ein Interview des 38-jährigen Rigaer Bürgermeisters mit russischen Wurzeln hatte für Aufsehen gesorgt: Usakov bezeichnete den russischen Präsidenten Wladimir Putin als «für uns derzeit das Beste, was wir haben können» und kritisierte die EU-Sanktionen gegen Russland. Zwar fügte er hinzu, dass die Alternativen zum Kreml-Chef nur nationalistische Hardliner oder Kommunisten wären. Doch das ging in Lettland ebenso unter wie bei zahlreichen westlichen Medien, die nur den ersten Teil seiner Aussage weiterverbreiteten.
Während sich Straujuma in der Ukraine-Krise für eine stärkere Nato-Präsenz in Lettland stark macht, sucht Harmonie mit Parteichef Nils Usakovs die Nähe zu Russland. «Heute entscheidet sich, in welche Richtung Lettland sich entwickeln wird», betonte der designierte lettische EU-Kommissar Valdis Dombrovskis bei der Stimmabgabe.
Ob Straujuma trotz der Wiederwahl ihrer Koalition wieder Regierungschefin wird, bezweifeln lettische Medien. Sie spekulieren, dass der bisherige EU-Entwicklungskommissar Andris Piebalgs das Ruder übernehmen könnte.
Staatspräsident Andris Berzins, der den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen muss, hat den Parteien eine Woche Zeit gegeben, um mögliche Koalitionen und Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten zu diskutieren.
Berzins ließ durchblicken, dass er eine Fortsetzung der bisherigen Koalition favorisiert. Neben dem liberal-konservativen Einheitsblock gehört ihr das Bündnis der Bauern und Grünen sowie die nationalkonservative Nationale Allianz an.