Politik

Flüchtlinge: Druck über Balkanroute ist erneut sehr stark

Lesezeit: 2 min
29.07.2019 12:50
Das Bundeskriminalamt Wien bestätigt, dass sich erneut zahlreiche Flüchtlinge auf der Balkanroute befinden. Alleine Anfang Juni sollen es 80.000 Menschen gewesen sein. Die Zielländer sind Deutschland, Österreich und Schweden. Doch die EU-Staatsoberhäupter schweigen.
Flüchtlinge: Druck über Balkanroute ist erneut sehr stark
Die Hauptrouten für Flüchtlinge und Migranten in Richtung Europa. (Grafik: Stratfor)

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die österreichische überregionale Tageszeitung "Presse" berichtet, dass mittlerweile ein erneuter Migrationsdruck über die Balkanroute eingesetzt habe. Flüchtlinge kommen erneut vermehrt über die Balkanroute nach Europa. Italien, Slowenien und Kroatien fordern deshalb effizientere Grenzkontrollen. In der vergangenen Woche hatte Slowenien Soldaten an die Grenze zu Kroatien geschickt. 

Dem österreichischen Online-Magazin "Addendum" zufolge gab im aktuellen Jahr in Bosnien 76 Prozent mehr Flüchtlingsankünfte als im Vorjahr. Ende Mai und Anfang Juni  befanden sich auf der Balkanroute etwa 80.000 Menschen. Dies gehe aus den Daten der "Österreich Taskforce Migration" hervor. Im einzelnen gibt es zwischen Griechenland und Nordmazedonien 155 Prozent mehr Migranten und Flüchtlinge und 31 Prozent mehr Migranten und Flüchtlinge in Kroatien.

Addendum geht vor allem auch auf die Problematik der Bestechlichkeit von Grenzbeamten ein. Schleuser nutzen diesen Missstand, um Menschen nach Europa zu schleusen. Das Online-Magazin wörtlich: “Die Route, die Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz einst für geschlossen erklärt hatte, wird wieder durchlässig. Für das Game – eine Anspielung auf Computerspiele, in denen man unterschiedliche Levels absolvieren muss, um ans Ziel zu kommen oder einen Rekord zu brechen – braucht man Zeit, Glück und: ein Smartphone. Zwischen Ägäis und Alpen absolvieren die teilnehmenden Migranten Level für Level. Das Ziel: Österreich, Deutschland oder Schweden.”

Zwischen dem 28. Juni und dem 8. Juli wurden nach Angaben des Bundeskriminalamts Wien im Rahmen von Frontex 26 Schlepper festgenommen und 2.760 illegale Migranten gestellt. Salzburg24 zitiert Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität und des Menschenhandels im Bundeskriminalamt: “Der Druck über die Balkanroute ist sehr stark. Schlepper wittern das große Geschäft und pferchen Personen wieder verstärkt in Verstecke in Pkws, Lkws, aber auch Güterzüge.”

Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) bezweifelt, dass die Balkanroute wirklich geschlossen wurde. Am 20. Juli  führte RFE/RL aust: “Laut Behörden in Nordmakedonien wurden 34 afghanische Migranten und ein mazedonischer Lastwagenfahrer verletzt, als der Fahrer aus seinem Lastwagen sprang, um der Polizei zu entkommen. Er hatte die Migranten in Richtung der Grenze zu Serbien transportiert.”

Die humanitäre Lage der Menschen auf der Balkanroute ist nach Informationen von Amnesty International katastrophal. Im März  hatte die Menschenrechtsorganisation der EU vorgeworfen, die Migranten und Flüchtlinge auf der Balkanroute gewaltsam zurückzuschlagen. “Die europäischen Staats- und Regierungschefs können sich nicht länger die Hände in Unschuld waschen, wenn es auf dem Balkan weiterhin zu Vertreibungen und gewaltsamen Rückschlägen kommt”, so Amnesty International. Die Organisation zitiert einen Flüchtling namens Safi mit den Worten: “Wir sind hier, wir können nicht zurück, wir haben fünf Länder durchquert.”

Dem italienischen Magazin "Panorama" zufolge sei die Balkenroute durchlässig. Im Verlauf des Jahres seien etwa 100.000 Flüchtlinge und Migranten an der türkischen Grenze durch die türkischen Behörden aufgehalten worden. Doch die Balkanroute sei durchlässig und nur schwer zu kontrollieren.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen gab im vergangenen Monat bekannt, dass im vergangenen Jahr weltweit fast 71 Millionen Menschen durch Krieg, Verfolgung und andere Gewalttaten vertrieben wurden - ein Anstieg von mehr als 2 Millionen gegenüber 2017 und der höchste Stand seit fast 70 Jahren.

Irritierend hinzu kommt, dass in der vergangenen Woche der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu die Aufkündigung des Flüchtlings-Deals im Zusammenhang mit dem Rückführungsabkommen bekannt gegeben hatte. Die türkische Regierung ist unzufrieden mit der EU, weil Brüssel zuvor aufgrund eines Gasstreits im östlichen Mittelmeer zwischen Nikosia, Athen und Ankara EU-Sanktionen gegen die Türkei eingeführt hatte. Zudem habe die EU nur zwei von den sechs Milliarden Euro, die im Rahmen des Flüchtlings-Deals vertraglich ausgemacht wurden, gezahlt. Ankara wirft Brüssel Vertragsbruch vor. 

Es scheint unmöglich, die Grenzen gegenüber der illegalen Migration zu sichern. Wichtig wäre eine europäische Politik der Fluchtursachen-Bekämpfung, woran die EU-Staats- und Regierungschefs jedoch bisher nur wenig Interesse gezeigt haben. 


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla Grünheide - Protesttage: Polizei schützt Autofabrik mit Großaufgebot
10.05.2024

Die Kundgebungen gegen den Autobauer Tesla in Grünheide erreichten am Freitag einen neuen Höhepunkt. Während eines...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch bei über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das für Anleger und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...