Technologie

Wunsch nach Zerschlagung: EU-Parlament hat keine Chance gegen Google

Lesezeit: 2 min
27.11.2014 00:40
Das EU-Parlament will Google zerschlagen. Was bei oberflächlichem Hinhören heldenhaft klingt, ist bei näherer Betrachtung nur eine kleine Gefälligkeit an die Adresse der Zeitungen, die Google als Grund für ihren Niedergang ausgemacht haben. Google selbst ist längst mit massivem Lobby-Einsatz überall vernetzt, scheut die Transparenz und ist so verflochten, dass die Politik nicht den Hauch einer Chance gegen den Internet-Konzern hat.
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Das EU-Parlament will Google entflechten, indem es die Suchmaschine von anderen Diensten wie etwa Google Plus trennt.

Ein hehrer Plan, der die Sorge vieler Nutzer vor der Datenkrake Google aufgreift? Wohl kaum. Es handelt sich vielmehr um politischen Aktionismus, der zu nichts führen wird.

Google ist mittlerweile so groß und mächtig, dass kein politisches Gremium das Unternehmen zu Fall bringen kann. Außerdem beschäftigt Google in Europa viele Lobbyisten und PR-Leute, deren Aufgabe darin besteht, zu mauern. Transparenz ist für Google in der Unternehmens-Kommunikation ein Fremdwort. Kritische Fragen werden widerwillig oder gar nicht beantwortet. Die sogenannten Transparenz-Berichte sind undurchschaubar. Details darüber, welche Regierungsstellen beispielsweise in Deutschland bei Google Informationen eingeholt haben, werden gehütet wir kleine Staatsgeheimnisse.

Umso aktiver sind die Google-Lobbyisten, wenn es darum geht, den in der Regel ahnungslosen Politiker einzuflüstern, dass das Unternehmen eigentlich ein Vorreiter für die klassischen westlichen Werte sei. Viele Initiativen von Google wurden vom Pentagon finanziert, was vor allem in der Start-Up-Szene an der Westküste immer wieder zu Irritationen geführt hat. Google hat immer wieder öffentlichkeitswirksam beteuert, sich von den Geheimdiensten und der Rüstungsindustrie zu distanzieren. Tatsächlich ist Google ein wichtiger Dienstleister für die Spionageindustrie, wiedie Website Pando in einer lesenswerten Analyse herausgearbeitet hat.

Als aufflog, dass die NSA Android-Nutzer im großen Stil ausspionierte, sprach Google von einem Bug. Denn in Washington ist Google längst ein Partner auf Augenhöhe.

So ist der Antrag des CDU-Europa-Abgeordneten Andreas Schwab dem US-Kongress  eine energische Intervention wert. In einem Brief warnen Senatoren das EU-Parlament:

Vorschläge, die sich gegen die US-Technologie-Unternehmen zu richten scheinen, werfen Fragen zu Europas Haltung zu offenen Märkten auf. Diese und ähnliche Vorschläge bilden Mauern statt Brücken und scheinen nicht zu beachten, welche negativen Auswirkungen solche Politik auf die Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EU haben könnten.“

Die New York Times sieht hinter der Anfrage des CDU-Abgeordneten und Anwalts Lobbyismus, weil seine Kanzlei CMS Hasche Sigle seit längerem für ihre verlagsfreundliche Lobbyarbeit zum Thema Urheberrecht bekannt ist. Der Hinweis ist nicht von der Hand zu weisen. Die Zeitungsverleger haben als Feind Nummer 1 Google ausgemacht, weil sie beständig an Lesern verlieren und nun auf der Suche nach einem Schuldigen sind.

Die EU-Parlamentarier wollen den Zeitungen mit ihrem scheinbar harten Vorgehen gegen Google eine kleine Geste der Verbundenheit erweisen. Faktisch ist Google von niemandem zu zerschlagen außer von den Nutzern. Wie schnell das allerdings gehen kann, haben schon die ersten Suchmaschinen erlebt: Lycos und Altavista verschwanden vom Markt, weil sich Google dank eines besseren technologischen Konzepts vom Geheimtipp zum Marktführer entwickelt hat.

In der EU hat das Parlament höchstens ein Vorschlagsrecht, ein nachdrücklicher Hinweis an die Kommission, sich doch bitte mit dem Thema auseinanderzusetzen, ist das einzige Druckmittel das die EU-Abgeordneten verabschieden können. Die Kommission wird dem Vorschlag nicht folgen. Der zuständige Kommissar für Digitale Wirtschaft, der diesen Kampf ausfechten müsste, Günther Oettinger, hat bereits seine Ablehnung signalisiert. Oettinger hat Zerschlagung und Enteignung als „Instrumente der Planwirtschaft“ abgelehnt.

Zum anderen stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten zur Durchsetzung das Parlament hat. Die Zerschlagung eines so komplexen und täglich wachsenden Firmengeflechts halten viele Experten für nicht durchführbar. Kartellamtschef Mundt sagte schon im Juli in einem Interview, dass rechtliche Möglichkeiten gegen Google komplett fehlen. Geldstrafen werden Google nicht schrecken. Das Problem Google stellt sich allerdings vor allem als ein europäisches Thema dar. Nirgendwo auf der Welt ist Google als Suchmaschine so dominant wie hierzulande. Selbst in den USA ist Google im Wettbewerb mit Yahoo. China, Russland und Brasilien haben ebenfalls ihre eigenen alternativen Suchmaschinen.

In Europa gab es vor vielen Jahren nur ein Projekt, das es mit Google aufnehmen wollte: Unter dem Namen "Quaero" gingen die Deutsche Telekom und France Telekom daran, eine europäische Suchmaschine zu bauen. Einige Monate und viele Steuermillionen später wurde das Projekt sang- und klanglos beerdigt.

 


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