In Österreich sorgt nicht nur das Versagen aller Institutionen rund ums Hypo-Desaster für Unruhe auf den internationalen Finanzmärkten. Die EU rügt Österreich auch für das Debakel rund um das Volksbanken-Spitzeninstitut ÖVAG. Bisher musste der österreichische Steuerzahler bereits zwei Milliarden Euro für die Rettung der früheren ÖVAG-Tochter Kommunalkredit beisteuern, dazu kommt eine weitere Milliarde für die ÖVAG. Jetzt droht dem Steuerzahler durch einen Schadenersatzprozess der ÖVAG-Anleger eine erneute Belastung.
Bei dem im Herbst 2014 durchgeführten Bankenstresstest war die ÖVAG bereits gefährdet. Mit Beschluss von Anfang Oktober 2014 wurde daher festgehalten, dass die teilstaatliche ÖVAG bis Juni 2015 in eine Bad Bank abgespalten werden muss. Außerdem werde der gesamte Volksbankensektor neu geordnet, so die Ankündigung des Finanzministers Hans Jörg Schelling.
Gemeint war damit ein Zwang zu Fusionen, die die kleinen regionalen Banken höchst kritisch sehen: Jene regionale Banken, die nicht an den vorgegebenen Fusionen teilnehmen (von insgesamt 41 regionalen Volksbanken auf acht) und sich auch nicht dem neuen „Volksbankenverbund“ anschließen, laufen Gefahr, von zentralen Diensten im Verbund abgeschnitten werden, berichtet die APA im Februar 2015.
Bislang haben neun Volksbanken ein „Ultimatum“ von der ÖVAG ignoriert. Mittlerweile ist die Finanzmarktaufsicht (FMA) eingeschaltet, was den wiederum den Volksbankenverband empört: „Wo bleibt die Objektivität der FMA, wenn die ÖVAG ein ,Ultimatum‘ stellt und droht, bestehende Verträge betreffend Zahlungsverkehr, Wertpapierabwicklung und Geldversorgung aufzukünden und so den Geschäftsbetrieb gefährdet?“, zitiert das Wirtschaftsblatt den designierten Verbandsanwalt.
Der Druck ist erheblich: So berichten beteiligte Banken den Deutschen Wirtschafts Nachrichten von Sitzungen, bei denen ein Verband eine Genossenschaftsbank aufgefordert habe, ohne Anwalt bei den Fusions-Gesprächen zu erscheinen. Ein Fall ist überliefert, in dem ein Sparkassendirektor seinen Wirtschaftsprüfer in die Sitzung mitnehmen wollte. Schließlich gehe es um die Einlagen der kleinen Sparer, für die die Banken eine Verantwortung tragen. Die Sparkassendirektor wurde gezwungen, den Wirtschaftsprüfer aus dem Raum zu schicken - sonst hätte der Verband das Treffen abgebrochen und versucht, die Banken gegeneinander auszuspielen.
Ähnlich Vorfälle werden aus Italien gemeldet, wo die bisher autonomen Genossenschaftsbanken ebenfalls in Fusionen gezwungen werden sollen, um die Risiken der Holdings mit den Einlagen der Sparer abzufedern.
Auf den österreichischen Steuerzahler können bezüglich der ÖVAG noch weitere Belastungen zukommen: In den Jahren vor der Teilverstaatlichung im Frühjahr 2012 veröffentlichte die ÖVAG regelmäßig Meldungen, dass die Bank über ausreichend Liquidität verfüge – zahlreiche Anleger kauften daher Wertpapiere.
Das österreichische Finanzministerium verließ sich – ohne weitere Prüfungen – auf die Bankaufsicht, die die ÖVAG als gesund einstufte. Die EU kam bei einer Prüfung 2010 allerdings zu dem Schluss, dass die Bank als „nicht gesund“ eingestuft werden muss, berichtet Die Presse, die Einblicke in die EU-Dokumente hat.
Die ÖVAG-Anleger sind mittlerweile vor Gericht gegangen. Falls sie den Prozess gewinnen, müsste Österreich als Miteigentümer auch für den Schaden aufkommen.
Warum es in Österreich zu so einer Entwicklung bei den Banken kam, erklärt Josef Stampfer, Obmann des Föderungsvereins der Primärbanken, den Deutschen Wirtschafts Nachrichten:
„In Deutschland sind Banken und deren Verbände streng getrennt, Überschneidungen von Mandaten oder Funktionen sind nicht zugelassen. In Österreich sind solche Überschneidungen üblich - das geht sogar so weit, dass in 4 von 8 Landesbanken der Prüfungsverband in die Landesbank integriert ist.
Die 8. Prüferrichtlinie der EU fordert zwar eine strikte Trennung von operativem Geschäft einer Landesbank und der Kontrolltätigkeit eines Prüfungsverbandes, aber diese Bestimmung wird permanent missachtet. Die Missachtung geht so weit, dass in zwei Bundesländern die Leiter der Revision Prokuristen der Landesbank sind.“
Das habe in Österreich zu einer traurigen Entwicklung geführt: Der Gesetzgeber und die Bankenaufsicht haben das weit überhöhte Geschäftsvolumen österreichischer Banken in Osteuropa und dem Balkan erst möglich gemacht, so Stampfer.
Die Genossenschaftsbanken werden von den Kunden vor allem wegen der Regionalität und Kundennähe geschätzt – die nun bei den Volksbanken aufgrund „angeordneter“ Fusionen allerdings gefährdet erscheint. In Deutschland seien wegen der Marktentwicklung bei den Genossenschaften die Landesbanken bereits vor 15 Jahren aufgelöst worden. Jede Genossenschaftsbank erhielt ein direktes Vertretungsmandat im jeweiligen Zentralinstitut. In Österreich gebe es – trotz der Kleinheit des Landes – acht solcher Zentralinstitute. Diese Strukturmängel waren laut Stampfer einer der Hauptgründe für die Gründung des Förderungsvereins der Primärbanken.
„Der Förderungsverein sollte im Falle von Interessenskonflikten mithelfen, die Interessen der Primärbanken in Politik und Wirtschaft zu vertreten. Die Interessen von Sparkassen, Volksbanken und Raiffeisenbanken sollten sektorübergreifend vertreten werden.“
Doch die „Zentralinstitute wollen oder können ihr Risiko nicht erkennen und wollten oder konnten es auch nicht abbauen. Fataler Weise schafften sie mit Unterstützung des Gesetzgebers Bestimmungen, wie z.B. Liquiditäts- und Haftungsverbünde, um so an die Liquidität und das Kapital der Primärbanken zu kommen.“
Die Sanierung des Zentralinstituts ÖVAG bedeutet für den österreichischen Volksbankensektor, dass die Primärbanken dem Haftungsverbund unbegrenzt Liquidität und Kapital zur Verfügung stellen (müssen). Doch: „Kapital steht aber eben nur einmal zur Verfügung! Verfügt das „Zentralinstitut“ darüber, fehlen den Primärbanken Liquidität und Kapital für das eigene Geschäft und damit für die Erfüllung der Bedürfnisse der eigenen Mitglieder und Kunden“, so Stampfer über die Gefahr des Haftungsverbunds.