Politik

Neue EU-Kommission: Nach heftigen Streit auf „umstrittenes“ Personal geeinigt

Nach erbittertem Streit haben sich die Fraktionen im EU-Parlament auf die künftige Besetzung der Europäischen Kommission geeinigt. Warum einige Namen und Posten für Unruhe in Brüssel sorgen.
21.11.2024 12:58
Lesezeit: 3 min
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Trotz vehementer Kritik aus dem EU-Parlament werden der künftigen Europäischen Kommission voraussichtlich mehrere politische Reizfiguren angehören. Neben dem rechten italienischen Politiker Raffaele Fitto als designiertem Vizepräsidenten der mächtigen Institution stieß auch die Berufung eines Gefolgsmanns des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban auf Protest. Dennoch einigten sich die großen Fraktionen im EU-Parlament auf diese und weitere Personalien im Team von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

EU-Kommission: Neuer Verteidigungskommissar steht fest

Darunter ist auch der neu geschaffene Posten des Verteidigungskommissars, den ein früherer Regierungschef aus Russlands Nachbarstaat Litauen bekleiden soll.

Nach heftigem Streit segneten Vertreter der zuständigen Parlamentsausschüsse die Pläne am späten Mittwochabend in Brüssel ab. Insgesamt werden 26 EU-Kommissarinnen und -Kommissare unter der Leitung von der Leyens tätig sein, aus jedem Mitgliedstaat einer oder eine. Die Brüsseler Behörde schlägt als einzige EU-Institution Gesetze für die Staatengemeinschaft vor und überwacht die Einhaltung des europäischen Rechts.

In den vergangenen Wochen waren die Kommissionskandidaten von den zuständigen Ausschüssen des Europaparlaments angehört worden. Widerstand gab es vor allem bei den Befragungen der designierten Vizepräsidentinnen und -präsidenten. Am nun gefundenen Kompromiss war neben Konservativen und Sozialdemokraten auch die liberale Renew-Fraktion beteiligt.

Protest gegen rechten Italiener und Orban-Getreuen

Für besonderes Aufsehen sorgte die Nominierung des Italieners Raffaele Fitto, der künftig unter anderem für Reformen zuständig sein soll – also auch für den Europäischen Sozialfonds und einen Fördertopf für regionale Entwicklung. Zwar gilt der Rechtsausleger vielen in Brüssel als politisch gemäßigt und proeuropäisch. Die Sozialdemokraten im Parlament wehrten sich aber heftig dagegen, dass ein rechter Politiker aus der Regierung von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine herausgehobene Position wie die des Vizepräsidenten bekommt.

Im Gegenzug blockierte das Mitte-Rechts-Bündnis EVP, dem auch CDU und CSU angehören, zunächst die Berufung der Sozialistin Teresa Ribera. Konservative und rechte Abgeordnete werfen der derzeitigen spanischen Umweltministerin Versagen bei den schweren Überschwemmungen in der Region Valencia vor. Durch den Deal der großen Fraktionen kann Ribera nun als Kommissions-Vize das Portfolio für Wettbewerbspolitik und grünen Wandel übernehmen.

Umstritten war auch der Ungar Oliver Varhelyi, der wegen seiner Loyalität gegenüber dem autoritär regierenden ungarischen Ministerpräsidenten Orban in der Kritik steht. Die großen Fraktionen einigten sich letztlich darauf, Teile seines Portfolios Gesundheit und Tierschutz anderen Kommissaren zu übertragen – nach dpa-Informationen etwa jene zur sexuellen Diskriminierung und Selbstbestimmung. Kritiker werfen Orban vor, die Rechte von Frauen und sexuellen Minderheiten in Ungarn beschnitten und unter anderem das Abtreibungsrecht verschärft zu haben.

Schlüsselrollen für Politiker aus Baltenstaaten

Besonderes Augenmerk dürfte künftig auch auf dem Österreicher Markus Brunner liegen, der als Kommissar für Migration die umstrittene Asylreform umsetzen soll. Litauens Ex-Ministerpräsident Andrius Kubilius wiederum wird sich als erster Chef des Verteidigungsressorts eines Schlüsselthemas annehmen: Von der Leyen will in ihrer zweiten Amtszeit die Verteidigungs- und Rüstungspolitik auf EU-Ebene stärken, Investitionen in Rüstungsprojekte erleichtern und Europa militärisch unabhängiger machen – insbesondere vor dem Hintergrund des Wiedereinzugs Donald Trumps ins Weiße Haus.

Kubilius wird voraussichtlich eng mit der Estin Kaja Kallas zusammenarbeiten. Sie soll EU-Außenbeauftragte werden und als Chefdiplomatin der Staatengemeinschaft für die Außenpolitik in Zeiten von Kriegen zwischen Russland und der Ukraine sowie in Nahost zuständig sein.

Wie sich die EU bei möglichen Handelskonflikten mit den USA oder China verhält, dürfte auch vom künftigen Kommissar Maros Sefcovic abhängen: Das Portfolio des Slowaken umfasst auch „wirtschaftliche Sicherheit“ und die Zollpolitik. Weiter eine große Rolle spielen dürfte ferner der polnische Haushaltskommissar Piotr Serafin, da in den kommenden zwei Jahren mutmaßlich harte Verhandlungen über das mehrjährige Budget der EU stattfinden. Und mit Dan Jørgensen bekommt die Kommission erstmals einen Kommissar für Wohnen.

Wie es jetzt weitergeht

In den nächsten Tagen muss der Kompromiss noch formell abgesegnet werden. Voraussichtlich am Mittwoch stimmen die Abgeordneten im Plenum in Straßburg über das ganze Personalpaket ab. Da mit einer Zustimmung gerechnet wird, sollte die neue EU-Kommission ihre Arbeit zum 1. Dezember antreten können.

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