Politik

Poroschenko erklärt Wahlen in der Ost-Ukraine für ungültig

Der ukrainische Präsident Poroschenko hat die Wahlen im Donbass für ungültig erklärt. Die Regierung in Kiew sieht eine weitere Zufuhr von Waffen aus Russland in die Ost-Ukraine. Einer ersten Umfrage zufolge hat der Rebellenführer Alexander Sachartschenko die Wahlen klar gewonnen. Die EU bezeichnete die Wahlen als illegal.
02.11.2014 19:23
Lesezeit: 3 min

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat die Wahlen in den von Rebellen kontrollierten Regionen der Ostukraine für ungültig erklärt. «Diese Pseudowahlen in einigen Kreisen der Gebiete Donezk und Lugansk gefährden den Friedensprozess», teilte Poroschenko in Kiew am Sonntagabend mit. Die auch von der EU und den USA kritisierte Abstimmung sollte um 18.00 Uhr MEZ (20.00 Uhr Ortszeit) enden. Sie wurde aber nach Darstellung der Rebellen wegen des Wählerandrangs in einigen Orten verlängert.

«Es ist eine Farce vor den Mündungen von Panzerrohren und Gewehrläufen, die heute die beiden Terrororganisationen in Teilen des Donbass aufgeführt haben», sagte der Präsident einer amtlichen Mitteilung zufolge. «Es ist ein furchtbares Ereignis, das nichts gemein hat mit einer wirklichen Willensäußerung.»

Am Samstag hatte ein Berater des Verteidigungsministeriums alle an den Wahlen Beteiligten als Komplizen von Terroristen bezeichnet.

Die neue EU-Außenbeauftragte Mogherini sagte, die Wahl sei illegal. Die Europäische Union werde sie nicht anerkennen. Stattdessen müssten alle Seiten darauf hinarbeiten, dass Wahlen nach ukrainischem Recht stattfinden könnten. Die Regierung in Kiew hat für Dezember Wahlen anberaumt, die der Region mehr Autonomie zubilligen sollen.

Der Rebellenkommandeur Alexander Sachartschenko hat die Wahl in der Ostukraine einer Umfrage zufolge mit großer Mehrheit gewonnen. Auf den früheren Elektriker entfielen mehr als 81 Prozent der Stimmen, wie eine Nachwahlbefragung am Sonntag ergab. Es galt bereits als sicher, dass der 38-Jährige die Wahl gewinnt. Sachartschenko ist Regierungschef in der Volksrepublik Donezk, die von den Rebellen ausgerufen wurde. Seine Widersacher, die ebenfalls Separatisten sind, traten in der Öffentlichkeit kaum auf. Alle drei Kandidaten äußerten sich zudem nicht inhaltlich, sondern führten nur biografische Informationen auf.

Poroschenko warf den bewaffneten Kräften «Okkupation» vor. Er forderte Russland auf, dem Beispiel anderer Staaten zu folgen und den Urnengang nicht anzuerkennen. Es handele sich um einen Verstoß gegen die Anfang September in der weißrussischen Hauptstadt Minsk vereinbarten Maßnahmen zur Lösung des Konflikts. Poroschenko betonte, dass Wahlen in der Ukraine nur nach Landesgesetzen gültig seien.

Unter scharfem Protest der ukrainischen Führung haben die Separatisten im Konfliktgebiet Ostukraine erstmals eigene Parlamente wählen lassen. In den selbst ernannten «Volksrepubliken» Lugansk und Donezk stimmten die Menschen am Sonntag weitgehend ungestört auch über «Republikchefs» ab. Die ukrainische Führung verurteilte die Abstimmung als «verfassungswidrig», griff aber nicht ein. Die Wahlleitungen sprachen Stunden vor Ende der Abstimmung von einer hohen Wahlbeteiligung in den mehr als 400 Wahllokalen. Ergebnisse werden an diesem Montag erwartet.

Die Polizei und bewaffnete prorussische Separatisten patrouillierten verstärkt, um die Stimmabgabe zu ermöglichen. Nicht überall öffneten die Wahllokale, weil es in einigen Orten zu neuen Kämpfen zwischen Militär und Aufständischen kam, wie die dpa unter Berufung auf nicht genannte Medien berichtete. In Teilen des umkämpften Gebietes haben Regierungstruppen die Kontrolle. Sie ließen - wie auch die Rebellen vor einer Woche bei der ukrainischen Parlamentswahl - keine Abstimmung zu.

Der ukrainische Geheimdienst leitete ein Strafverfahren «wegen des Versuchs der Eroberung der Staatsmacht» gegen die Aufständischen ein. Darauf stehen bis zu zehn Jahre Gefängnis, wie Geheimdienstsprecher Markian Lubkiwski mitteilte. Nach ihrem Sieg bei der Parlamentswahl hatten die proeuropäischen Kräfte um Präsident Petro Poroschenko und Regierungschef Arseni Jazenjuk die Separatistenwahl als verfassungswidrig kritisiert.

Die von Russland unterstützten Aufständischen hingegen wollen mit der Abstimmung ihre Unabhängigkeitsbestrebungen untermauern. «Ich habe für Frieden, Glück und Gerechtigkeit gestimmt», sagte der Donezker «Republikchef» Alexander Sachartschenko bei der Stimmabgabe. Er will sich durch die Wahl legitimieren lassen. «Mit dem heutigen Tag ist das Land in verlässlichen Händen», betonte Sachartschenko, der von schwer bewaffneten Uniformierten bewacht wurde. Zugleich erklärte er sich zu neuen Gesprächen mit der Regierung in Kiew bereit.

Die in die EU strebende ukrainische Führung will eine endgültige Abspaltung der Gebiete verhindern. Auch die EU und die USA erkennen die Wahl nicht an. Dagegen hat Russland gegen internationalen Protest angekündigt, die Ergebnisse anzuerkennen. Das russische Zivilschutzministerium schickte auch am Wahltag einen Lastwagenkonvoi mit Hilfsgütern in das Konfliktgebiet, darunter Lebensmittel und Medikamente. Die rund 1000 Tonnen Fracht aus den 50 Lkw wurden in Donezk und Lugansk verteilt. Es war bereits die fünfte Lieferung dieser Art.

In Donezk gaben die prorussischen Kräfte die Zahl der Wahlberechtigten mit 3,2 Millionen Menschen an. Die genaue Zahl der Stimmberechtigten war allerdings unklar, weil in den vergangenen Monaten Hunderttausende aus der Krisenregion geflüchtet sind. Russland ließ in einigen Flüchtlingslagern eine Abstimmung zu. 100 Abgeordnete sollen in den «Volksrat» der Republik Donezk und 50 in den «Volksrat» von Lugansk gewählt werden. Die «Republikchefs» sollen bereits am 4. November in ihre Ämter eingeführt werden.

Bei dem blutigen Konflikt in der Ostukraine kamen seit April Schätzungen zufolge rund 4000 Menschen ums Leben. Ukrainische Sicherheitskräfte warfen Russland auch am Wahltag vor, den Separatisten militärisch zu helfen. «Die intensive Verlegung von Militärtechnik und Soldaten des Gegners vom Territorium der Russischen Föderation setzt sich fort», sagte der Sprecher des Sicherheitsrats, Andrej Lyssenko. Details nannte er nicht. Seit Anfang September gilt in der Ostukraine eine brüchige Waffenruhe.

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