Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat die EZB vor einer Kopie der ultralockeren Geldpolitik der USA gewarnt. „Die Rezepte, die in den USA Erfolg gehabt haben (...) oder die in Japan angewandt werden, kann man nicht einfach auf den Euroraum übertragen“, sagte Weidmann am Freitag auf dem Deutschen Wirtschaftsforum in der Frankfurter Paulskirche. Er reagierte damit auf EZB-Präsident Mario Draghi, der tags zuvor nach der Geldpolitik-Entscheidung des EZB-Rats erklärt hatte, weitere Maßnahmen - beispielsweise der von der Bundesbank kritisierte Kauf von Staatsanleihen - hätten anderswo in der Krise gewirkt.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warnte ebenfalls vor einer Kopie der Vereinigten Staaten. Die unter anderem von Ex-US-Finanzminister Larry Summers vertretene Auffassung, nur mit einer noch lockereren Geldpolitik und massiven öffentlichen Ausgaben könne die Krise in Europa erfolgreich bekämpft werden, sei falsch, sagte der CDU-Politiker in Frankfurt. „Ich bin im Gegenteil der Auffassung, dass dieser Ansatz nicht die Lösung ist, sondern die Ursache“.
Ewald Nowotny, der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), stärkte Draghi dagegen demonstrativ den Rücken. „Die Position der Österreichischen Nationalbank deckt sich mit dem, was Draghi in seiner Eingangsbemerkung gesagt hat: Es ist angestrebt, dass die Bilanzsumme der EZB ausgeweitet wird, um der Tendenz zu sinkenden Inflationsraten und der Wachstumsschwäche entgegenzuwirken.“ Allerdings sei es die gemeinsame Position des EZB-Rats, „dass man jetzt keine Schnellschüsse macht“.
Die Euro-Notenbank will im ersten Quartal über den Einsatz weiterer geldpolitischer Instrumente gegen die Wachstumsschwäche und eine drohende Deflation - also eine Abwärtsspirale aus fallenden Preisen, sinkender Nachfrage der Verbraucher und weniger Investitionen der Firmen - entscheiden. Draghi hatte am Donnerstag deutlich gemacht, dass er notfalls ohne Zustimmung der Deutschen neue Schritte gehen will. Dazu könnte auch der massenhafte Aufkauf von Staatsanleihen gehören, im Fachjargon der Notenbanker Quantitative Easing (QE) genannt.
Die EZB würde auf diese Weise noch mehr billiges Geld in die Wirtschaft pumpen und darauf spekulieren, dass dadurch die Konjunktur anspringt und die Teuerung künstlich anzieht. In den USA war die Federal Reserve in der Krise nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers genau diesen Weg gegangen. Sie hat inzwischen damit begonnen ihre Geldpolitik wieder Schritt für Schritt zu normalisieren.
Weidmann hielt dem entgegen, dass die Strukturen in der Währungsunion völlig anders seien als in den USA: „In den USA gibt es einen zentralen Staat, der Anleihen begibt, die sehr sicher sind und sehr liquide. Und wir haben diesen Zentralstaat bei uns nicht.“
Die Bundesbank befindet sich schon seit geraumer Zeit auf Konfrontationskurs zur EZB. Weidmann sagte, die aktuell expansive Geldpolitik der EZB sei zwar richtig für den Durchschnitt der Euro-Zone, allerdings für Deutschland zu expansiv. Die EZB sei mit ihrer Geldpolitik zwar an der Nullzinsgrenze angelangt, allerdings habe sie auch weiterhin noch Möglichkeiten.
Nach Informationen von Reuters hatten die beiden deutschen Vertreter in EZB-Rat, Weidmann und EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger, am Donnerstag Draghi die Gefolgschaft auf dem Weg in Richtung QE verweigert. Draghi hatte eine Formulierung durchgesetzt, nach der die EZB inzwischen nicht mehr lediglich „erwarte“", dass sich ihre Bilanz auf das Niveau von Anfang 2012 und damit um gut eine Billion ausweitet, sondern dass sie dies „anstrebt“.
Doch der Widerstand Deutschlands gegen Draghi ist nur von symbolischer Bedeutung: Der EZB-Chef hat unmissverständlich klargemacht, dass die nächste Geldschwemme auch gegen die Stimmen der Vertreter der Bundesbank in der EZB durchgesetzt werde.