Die deutsche Wirtschaft rechnet in diesem Jahr mit weiteren milliardenschweren Einbußen im Russland-Geschäft. Die Exporte dürften um fast 15 Prozent oder knapp vier Milliarden Euro einbrechen, prognostiziert der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). „Davon werden insbesondere Spitzenexportbranchen wie die Automobilindustrie oder der Maschinenbau betroffen sein“, sagte DIHK-Außenhandelschef Volker Treier zu Reuters. Bereits 2014 waren die Ausfuhren um rund 20 Prozent gefallen.
Ein Grund für die Entwicklung ist der Kursverfall der Landeswährung Rubel. „Damit gehen enorme Kaufkraftverluste russischer Abnehmer einher“, sagte Treier. „Zudem entfaltet sich die Wirkung der dritten Sanktionsstufe der EU gegen Russland erst in diesem Jahr voll.“ Bislang habe der Warenaustausch zu einem großen Teil noch auf Verträgen basiert, die vor Verhängung dieser Sanktionen wegen der Ukraine-Krise geschlossen wurden. „Außerdem deutet das politische Umfeld derzeit kaum auf eine Lockerung der Sanktionen hin“, sagte der Experte.
Die EU erwägt sogar eine erneute Verschärfung. „Es gibt schon Sanktionen, und es sollte weitere geben“, fordert etwa der polnische Außenminister Grzegorz Schetyna. Zurückhaltender äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel: „Die Bundesregierung ist nicht der Überzeugung, dass wir jetzt sehr schnell Sanktionen neu formulieren sollten.“ Die Außenminister der EU-Länder beraten am Donnerstag über das weitere Vorgehen.
Für Abstriche im Handel mit Russland sorgen aber nicht nur die westlichen Strafaktionen, sondern auch die jüngste Absenkung der Bonität Russlands auf Ramschniveau durch Ratingagenturen. „Das wird auch die Finanzierungskosten für deutsche Russlandlieferanten erhöhen und damit die Geschäfte unlukrativer machen“, sagte Treier.
Der DIHK geht aber davon aus, dass die Einbußen im Russland-Geschäfte wettgemacht werden können. So habe der Maschinenbau dort zwar im Vorjahr rund 1,1 Milliarden Euro weniger eingenommen. Dem stehe aber ein Plus bei den Verkäufen in die USA, nach Großbritannien und nach China von 1,8 Milliarden Euro gegenüber. „In diesem Jahr liegen die Wachstumstreiber für den deutschen Export vornehmlich in den USA, aber auch in südostasiatischen Märkten und in Indien“, sagte Treier.
Russland gehörte für Deutschland lange Zeit zu den am schnellsten wachsenden Auslandsmärkten. Bis 2012 legten die Ausfuhren dorthin um bis zu 31 Prozent jährlich zu, ehe erst die schwache Konjunktur und dann die Ukraine-Krise für deutliche Rückgänge sorgten. Der Internationale Währungsfonds geht davon aus, dass das russische Bruttoinlandsprodukt 2015 um drei Prozent und 2016 um ein Prozent schrumpfen wird.