Politik

700 Menschen vermisst: Flüchtlings-Tragödie vor Italiens Küste

Lesezeit: 2 min
19.04.2015 12:59
Die Flüchtlingsbewegung von Nord-Afrika nach Europa nimmt dramatische Ausmasse an: Am Samstag kam es offenbar zu bisher schwersten Katastrophe, 700 Menschen werden nach dem Kentern eines Boots vermisst. Allein in einer Woche mussten 6.000 Flüchtlinge gerettet werden. Die EU erwartet einen weiteren Anstieg der Flüchtlinge.
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Nach dem Kentern eines Flüchtlingsbootes im Mittelmeer werden nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) etwa 700 Menschen vermisst. Die italienische Küstenwache sei mit Hubschraubern und Rettungsbooten im Einsatz, bestätigte das UNHCR am Sonntag. Es würden bis zu 700 Tote befürchtet, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa.

In den ersten Stunden nach dem Unglück fanden Rettungskräfte 24 Leichen, berichtete Ansa. Italiens Küstenwache und Marine suchten nach Überlebenden. 28 Menschen konnten zunächst gerettet werden. «Die Menschen suchen buchstäblich unter den Leichen im Wasser Überlebenden», zitiert der Corriere della Sera den maltesischen Ministerpräsidenten Joseph Muscat. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge spreche von einem «beispiellosen Unglück». Auch die italienische Zeitung La Stampa befürchtet die bislang wohl größte Katastrophe im Mittelmeer.

Das Unglück ereignete sich zwischen der libyschen Küste und der italienischen Insel Lampedusa. Ersten Erkenntnissen zufolge hatten die Migranten einen Hilferuf abgesetzt, woraufhin ein portugiesischer Frachter sich auf den Weg machte. Als sich dieser näherte, eilten viele Migranten zu einer Seite des Schiffes, um die Retter zu erreichen. Daraufhin kenterte das etwa 30 Meter lange Boot den Berichten zufolge. Über die Herkunft der Menschen an Bord war zunächst nichts bekannt.

«Wahrscheinlich ist der Frachter in die Nähe des Bootes gefahren. Die Bewegung einiger Flüchtlinge hat das Boot dann zum Kentern gebracht», sagte Carlotta Sami, Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, dem TV-Sender Rai. «Wenn sich die Bilanz dieser erneuten Tragödie bestätigen sollte, sind in den vergangenen zehn Tagen mehr als 1000 Menschen im Mittelmeer ums Leben gekommen.»

Allein in der vergangenen Woche sollen nach EU-Angaben mehr als 6.000 Migranten von den italienischen Behörden im Mittelmeer gerettet worden sein. Die Internationale Organisation für Migration hat 900 Todesfälle seit Beginn des Jahres erfasst.Die EU erwartet, dass die Zahlen weiter steigen.

Immer wieder machen sich Migranten von Afrika aus auf den Weg über das Mittelmeer. Viele von ihnen überleben die gefährliche Überfahrt nicht. In jüngster Zeit klettert die Zahl der Toten jedoch dramatisch nach oben. Erst vor wenigen Tagen waren 400 Menschen nach einem Unglück vor der Küste Libyens vermisst worden.

Im Februar 2015 kommen vor der italienischen Insel Lampedusa möglicherweise mehr als 330 Flüchtlinge ums Leben. Mindestens 29 von ihnen sterben während der Überfahrt von Libyen nach Italien in kaum seetüchtigen Schlauchbooten an Unterkühlung. Im September 2014 konnten nur zehn Menschen werden gerettet, als ein Boot mit angeblich mehr als 500 Migranten im Mittelmeer untergeht. Überlebende berichten, dass Menschenschmuggler das Schiff mit Syrern, Ägyptern, Palästinensern und Sudanesen auf dem Weg nach Malta versenkt hätten. Im Juli 2014 ertrinken bei einer Flüchtlingstragödie vor Libyens Küste mindestens 150 Menschen. Die libysche Küstenwache findet Leichen und Wrackteile eines Schiffes vor der Stadt Khums.

Im Oktober 2013 ertrinken mindestens 366 Flüchtlinge bei Lampedusa. Ihr Boot fängt Feuer und kentert. Die Küstenwache kann 155 Menschen in Sicherheit bringen. Sie stammen überwiegend aus Somalia und Eritrea. Im Juni 2012 sterben 54 Flüchtlinge, als sie bei starken Winden in einem Schlauchboot von Libyen aus Italien erreichen wollen. Ohne Vorräte trinken sie Meerwasser. Ein Mann aus Eritrea überlebt. Im August 2011 erreicht ein Boot mit 270 überlebenden Afrikanern Lampedusa. Unter Deck liegen die Leichen von 25 Männern, die vermutlich an Abgasen erstickt sind. 100 Tote seien zudem über Bord geworfen worden, sagt ein Überlebender. Im Juni 2011 gerät vor der Küste Tunesiens ein Boot mit Flüchtlingen aus Afrika und Asien auf dem Weg nach Italien in Seenot. Nur wenige können gerettet werden; bis zu 270 Menschen bleiben verschollen.

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