Russland kündigt einen Gegenschlag gegen die Gazprom-Klage aus Brüssel an. Der EUobserver meldet, dass das PR-Unternehmen G-Plus, welches Gazprom vertritt, Gegenmaßnahmen vorbereitet. Der Konter gegen die EU-Sanktionen könnte sich auch auf die Gaslieferungen über die Ukraine beziehen. Hier kommen eine Preiserhöhung oder Drosselung in Frage. Offenbar befinden sich die Planungen in einem frühen Stadium. Die Verantwortlichen des Gazprom-Kommunikations-Unternehmen G-Plus wollen erst abwarten, ob es sich um eine harte Klage oder eine weiche Version handelt. Ein Sprecher sagte, dass Russland im Falle einer weichen Variante – wie momentan gegen Google – keine nennenswerten Sanktionen ergreifen wird. Sollte der Streit eskalieren, wolle auch Russland alle Mittel ausschöpfen.
Offiziell gibt sich Russland noch gelassen. Wie der Staatssender RT berichtet, will Moskau die Klage prüfen und dann erst über nächste Schritte entscheiden. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat die Vorwürfe der illegalen Geschäftspraktiken allerdings kritisiert. Das Kartellverfahren sei ein Verstoß gegen das Partnerschaftsabkommen zwischen Moskau und Brüssel von 1999, behauptete er in einem Radio-Interview am Mittwoch. Gazprom habe alle Verträge mit europäischen Partnern nach geltendem EU-Recht erfüllt, sagte er.
Gazprom selbst hat die Vorwürfe der EU-Kommission zu illegalen Geschäftspraktiken zurückgewiesen. Die Anschuldigungen entbehrten jeder Grundlage, teilte der Staatskonzern am Mittwoch mit. Die vorgebrachten Einwände gegen die Arbeit von Gazprom seien nur eine Stufe des laufenden Kartellverfahrens, hieß es in der Mitteilung des Unternehmens.
„Das bedeutet nicht, dass Gazprom sich der Verletzung von EU-Kartellrecht schuldig gemacht hat“, so der Konzern. Das Unternehmen halte sich an die Gesetze jedes EU-Landes und nutze vielmehr ähnliche Preisbildungsmodelle wie andere Unternehmen auch.
Die EU-Kommission droht dem Energieriesen wegen seiner Dominanz in Mittel- und Osteuropa mit einem Milliardenbußgeld. Die EU-Behörde sandte Gazprom am Mittwoch in dem seit mehr als zwei Jahren laufenden Kartellverfahren die offiziellen Beschwerdepunkte zu. Brüssel droht mit einer EU-Kartellstrafe, die bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes betragen könnte. Die EU-Behörde wirft Gazprom vor, die mittel- und osteuropäischen Gasmärkte abgeschottet zu haben. Als Reaktion fielen an der Moskauer Börse die Gazprom-Aktien nach der Ankündigung aus Brüssel in der Spitze um 2,54 Prozent.
Gazprom, mit einem Umsatz von rund 100 Milliarden US-Dollar, ist für rund 30 Prozent der Gaslieferungen an die 28 EU-Länder verantwortlich. Das russische Gasunternehmen hat Einzelverträge mit Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Bulgarien. Das ermöglicht Gazprom für jedes Land einen anderen Gaspreis in Rechnung zu stellen.
Nach Ansicht der EU-Kommission hat Gazprom in diesen acht EU-Staaten den Wettbewerb auf den Märkten behindert. So hätten Großkunden erworbenes Erdgas nur zum Teil in andere Länder weiterverkaufen dürfen. Mit diesen Ausfuhrverboten habe Gazprom in fünf Ländern überhöhte Preise verlangen können. Zudem habe der russische Konzern seine Gaslieferung an Bulgarien und Polen von Investitionen in sein eigenes Pipelineprojekt abhängig gemacht.
Auf diese Weise, so verlautet aus der EU-Kommission, habe Gazprom seine Monopolstellung auf vielen osteuropäischen Energiemärkten sichern wollen. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sagte: „Erdgas ist ein wichtiger Rohstoff im täglichen Leben: Wir verwenden es zum Heizen, zum Kochen und für die Stromerzeugung. Die Wahrung eines fairen Wettbewerbs auf den europäischen Gasmärkten ist daher von größter Bedeutung.“
Alle Unternehmen, die auf dem europäischen Markt tätig seien - egal ob europäisch oder nicht - müssten die EU-Vorschriften einhalten. Sie habe Bedenken, „dass Gazprom die EU-Kartellvorschriften verletzt.“ Gazprom hat nun zwölf Wochen Zeit, um Stellung zu nehmen.
Im vergangenen Jahr betrug der Umsatz von Gazprom 3,99 Billionen Rubel (etwa 69,4 Milliarden Euro) nach russischer Rechnungslegung. Das EU-Bußgeld könnte also bis zu 6,9 Milliarden Euro betragen. Die EU-Kommission untersucht seit 2012 die Geschäftspraktiken von Gazprom. In Gesprächen hatte der russische Konzern Zugeständnisse angeboten, die der EU-Kommission aber nicht reichten. Die Verhandlungen waren seit der Ukraine-Krise unterbrochen.
Die EU ist zu großen Teilen von den russischen Erdgaslieferungen abhängig. Ein eigenständiges Energie-Konzept der EU besteht nur auf dem Papier. Die Mitgliedsstaaten sind weitgehend darüber zerstritten, welche Schwerpunkte gesetzt werden sollen. Frankreich will den Atom-Strom forcieren, Deutschland seine Energie-Wende exportieren. Doch selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel, bisher die vehementeste Verfechterin der Erneuerbaren Energien, hat erst kürzliche eingeräumt, dass die Energiewende nicht so läuft wie erhofft.