Finanzen

Wetten auf steigenden Ölpreis: Anleger könnten zu Putin-Verstehern werden

Nach dem heftigen Preissturz seit Mitte 2014 ist der Ölpreis in den vergangenen vier Wochen wieder gestiegen. Da immer mehr Unternehmen zu den niedrigen Preisen nicht mehr kostendeckend produzieren, fahren sie die Förderung zurück oder legen ihre Anlagen ganz still. Für Russlands Präsident Wladimir Putin sind das gute Nachrichten - und die internationale Investoren-Gemeinschaft könnte sich in der Entwicklung an Putins Fersen heften.
03.05.2015 01:13
Lesezeit: 2 min

Ein Blick auf die Entwicklung des Ölpreises dürfte Russlands Präsident Wladimir Putin heiter stimmen: Der anhaltende Verdrängungswettbewerb auf dem Ölmarkt, bei dem insbesondere arabische Ölförderländer die nordamerikanischen Schieferöl-Unternehmen unter Druck setzen, liefert erste Ergebnisse: Seit Mitte März hat der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent (159 Liter) um rund zehn Dollar auf derzeit 65 Dollar, für die US-Leichtölsorte WTI sogar noch etwas mehr zugelegt. Der seit Mitte 2014 anhaltende Sturz der Rohölpreise scheint damit vorerst gestoppt.

Möglicherweise ist dies auch der Beginn einer allmählichen und längerfristigen Erholung der Preise. Denn wenngleich viele schwer kalkulierbare Faktoren auf den Ölpreis einwirken – darunter die Politik des Ölkartells Opec, die Nachfrage, die Lagerhaltung oder geopolitische Risiken – so ist am Ende entscheidend, zu welchen Kosten die Ölförderer produzieren. Und die sind sehr unterschiedlich:

- Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien kommen mit vergleichsweise geringem technischen Aufwand an das knapp unter der Erdoberfläche liegende Öl heran. Die Produktionskosten liegen nach Angaben der International Energy Agency (IEA) bei teilweise nur 20 Dollar je Barrel Öl.

- Die Fracking-Industrie in den USA produziert nach Meinung von Ölexperten der Großbank Unicredit zu etwa 75 Dollar je Barrel. Die Rentabilitätsgrenze ist damit für viele Unternehmen mittlerweile unterschritten, zahlreiche Produktionsplattformen wurden aufgrund der niedrigen Preise seit vergangenem Herbst bereits aufgegeben.

- Die kanadische Ölsandproduktion zählt zu den teuersten Ölförderarten. Experten sehen die Produktionskosten hier bei rund 80 Dollar je Barrel.

Für zahlreiche Unternehmen lohnt sich die Förderung damit finanziell nicht mehr. Auch Investitionen in neue Anlagen und Förderstätten werden angesichts der niedrigen Preise vermehrt zurückgehalten. Damit sollte das zuletzt übergroße Angebot an Öl auf mittlere Sicht wieder knapper werden und als Treiber für die Preise wirken. Hinzu kommt, dass die Öllager vielfach voll sind und nicht mehr fassen. Das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage sollte sich nach Einschätzung der DZ-Bank wieder „resynchronisieren“.

Darüber hinaus wird keiner Partei auf Dauer an einem ruinösen Preiskampf gelegen sein. Staaten wie Venezuela, reich an Öl, aber gelenkt durch politische Unfähigkeit, leiden bereits heute massiv unter dem niedrigen Ölpreis. Auch Russland kann höhere Einnahmen über das Öl gut gebrauchen. Selbst die arabischen Staaten werden mittelfristig wieder auf höhere Margen aus sein. Interessant könnte es Anfang Juni werden, wenn sich die Mitglieder des Opec-Kartells zu ihrer nächsten Besprechung in Wien einfinden. Nach Meinung der DZ-Bank könnte sich die Organisation zu einer Förderkürzung nach „saudischen Vorstellungen“ bereitfinden.

Wenn sich darüber hinaus der Blick wieder verstärkt auf die geopolitischen Risiken richtet, dürfte dies dem Ölpreis einen zusätzlichen Schub nach oben geben. Mit Krisenherden wie Libyen, Jemen, Syrien oder dem Irak gäbe es genügend Gründe, sich über die sichere Versorgung mit Rohöl Gedanken zu machen.

Zwar wird der Bedarf an Öl langfristig durch die Entwicklung neuer, umweltfreundlicher Technologien zurückgehen. Doch bis sich dies nachhaltig auswirkt, wird Öl noch für viele Jahre das Schmiermittel der Weltwirtschaft sein.

Anleger müssen zwar weiterhin mit einer hohen Volatilität beim Ölpreis rechnen, und auch eine Rückkehr zur 100-Dollar-Marke je Barrel ist aktuell kein Thema. Dennoch sind die Aussichten auf mittelfristig moderat anziehende Notierungen durchaus realistisch. Zu erwarten ist, dass die Preise zumindest auf ein Niveau steigen, auf dem das Gros der weltweiten Ölunternehmen wenigstens einige Dollar über ihren Kosten produziert. Das sollte durchaus 20 bis 30 Prozent über dem aktuellen Niveau liegen.

Investoren, die diese Erwartung nachvollziehen und daran partizipieren möchten, können dies mit Zertifikaten oder Exchange Traded Commodities (ETCs) auf die gängigen Ölsorten Brent oder WTI tun. Allerdings ist bei ETCs zu berücksichtigen, dass diese auf Terminkontrakten basieren und daher regelmäßig erneuert – gerollt – werden. Je nach aktuellem Preis der Kontrakte können dabei Rollgewinne, aber auch –verluste entstehen.

Alternativ können Anleger auf Indizes wie den Stoxx Europe 600 Oil & Gas oder den S&P Oil & Gas Exploration & Production Select Industry setzen. Darüber hinaus bieten sich ausgewählte Investments in Aktien von Firmen aus dem Energiesektor an – allerdings sollten Investoren hier die einzelnen Unternehmen genau unter die Lupe nehmen.

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