In Kiew hat am Montag der erste Gipfel zwischen der Ukraine und der EU stattgefunden. Der Gipfel ist der erste im Rahmen des umstrittenen Assoziierungs-Abkommen: Der Ausschluss Russlands von diesem Ankommen war der Auslöser der aktuellen Krise in der Ukraine.
Das gemeinsame Statement der EU und der Ukraine liest sich wie ein trotziges „Weiter so!“. Die wirklichen Probleme bleiben völlig ausgeblendet. Man kann an dem Dokument gut erkennen, wie sich Technokraten die Welt zusammenreimen, wie sie ihnen gefällt: Die Gipfel-Teilnehmer Donald Tusk, Jean-Claude Juncker und Petro Poroschenko loben sich selbst über den grünen Klee. Die bisherige Entwicklung in der Ukraine wird als Erfolgsgeschichte gefeiert. Die ersten Schritte zu einer engen Partnerschaft seien erfolgreich absolviert, nun müsse man einfach weitergehen.
Die Mahnungen von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, Russland in die Umsetzung des Assoziierungsabkommens einzubeziehen, werden ignoriert. Russland kommt in dem Dokument ausführlich nur zweimal vor: Zum einen wird festgestellt, dass die Russen die einzigen Rechtsbrecher sind (Krim), dass sie weiter die Ukraine destabilisieren wollen und dass natürlich nur die Russen die Waffenruhe brechen.
Tatsächlich hat der russische Außenminister Sergej Lawrow noch am Montag ausdrücklich gesagt, die Russen wollten die Einheit der Ukraine und verlangten, dass die russische Volksgruppe Minderheitenrechte erhalten, die den internationalen Standards entsprechen. Doch die EU und die Ukraine erklären einfach das Gegenteil und behaupten, Russland sei ein dauerhafter Aggressor, dem Einhalt zu gebieten sei und dessen Völkerrechtsverletzungen man niemals anerkennen werde. Vom Schutz der Minderheiten ist nur die Rede, wenn die Russen beschuldigt werden, die Krim-Tataren schlecht zu behandeln.
Leider kann man die groteske Veranstaltung nicht damit abtun, dass Politiker eben Reden halten, die meist das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben sind: Die EU-Kommission betont auf ihrer eigenen Website, dass die Ukraine mehr Geld von den europäischen Steuerzahlern erhalte als jedes andere Drittland in so kurzer Zeit. Poroschenko betonte denn auch, dass es großartig sei, dass die Ukraine nun weitere 1,8 Milliarden Euro erhalte – das fünfte Kredit-Paket. Griechenland hat es, obwohl schon Mitglied, erst auf zwei sogenannte „makroökonomische Hilfsprogramme (MFA)“ bekommen.
Es ist völlig unklar, warum die europäischen Steuergelder ohne jegliche Kontrolle in die Ukraine fließen. Selbst die EU-eigenen Behörden räumen ein, dass sie nicht wüssten, was mit dem Geld geschieht. Bekannt ist jedenfalls, dass hunderte Millionen Euro dazu verwendet werden, eine Grenz-Mauer gegen Russland zu errichten. Insgesamt pumpt die EU 11 Milliarden Euro aus Steuergeldern in ein Land, das außer netten Absichtserklärungen zur Korruptions-Bekämpfung nichts verändert hat und weit hinten auf dem internationalen Index von Transparency International steht. Ob die Bestellung einer US-Bürgerin zur Finanzministerin der neuen Regierung in Kiew auch unter der Rubrik „Korruptionsbekämpfung“ läuft, erschließt sich nicht.
Die EU beweist mit dem Vorgehen ihrer von niemandem gewählten Bürokraten, dass sie aus den Fehlern ihrer kurzen Geschichte nichts gelernt hat: Unsummen gingen an die Palästinenser, nach Ägypten, nach Georgien und in viele andere Drittländer, ohne dass sich die Lage in den beglückten Gebieten verbessert hätte. Von Griechenland, Bulgarien oder Rumänien kann man an dieser Stelle absehen, hier wurde ja durch die Mitgliedschaft die Fiktion errichtet, dass die Monster-Kredite irgendwann an die europäischen Steuerzahler zurückgezahlt werden könnten.
Die EU verrennt sich mit dem hemmungslosen Verteilen von Steuergelder, indem sie sie eine Ideologie exportiert – nämlich die, dass man sich mit Steuergeldern alles kaufen könne, Frieden, Wohlstand, Werte.
Den Preis für die unkontrollierte Zweckentfremdung bezahlen aktuell die Flüchtlinge im Mittelmeer: Die konkreten Menschen zu retten, die wegen des von der EU unterstützen globalen Wirtschafts- und Hegemonialkrieges ihre Heimatländer verlassen müssen, kann sich die EU nicht mehr leisten. Der Vergleich ist erschreckend: Die EU hat beschlossen, ihre Mittel für die Tragödie im „Massengrab Mittelmeer“, wie Gregor Gysi das nennt, zu verdreifachen: Von 3 Millionen Euro auf etwa 9 Millionen Euro pro Monat. Mehr habe man leider nicht mehr, und ein Teil dieses Geldes soll darüber hinaus zur militärischen Bekämpfung der Schlepper verwendet werden – eine Idee, die von den UN und Menschenrechtsorganisationen völlig zu Recht als wahnwitzig abgelehnt wird.
Noch spüren die EU-Politiker und die gewählten Vertreter in den Mitgliedsstaaten die Folgen nicht, weil sie sich ganz elegant die Verantwortung zuschieben: Die Staaten sagen, die EU sei schuld, Die EU sagte, die Staaten tun zu wenig. Im Kontinent der „Werte“ hat sich eine zynische Sprachregelung durchgesetzt, die lautet, man könne den Einzelnen nicht helfen, weil dann andere ermuntert würden, auch zu fliehen. So weit ist das Friedensprojekt also gekommen: Während in einen angeblich souveränen Staat Milliarden gepumpt werden, sieht ein angeblich kultiviertes Establishment einfach zu, wie Menschen im Mittelmeer ertrinken.
Das Spiel wird sich wiederholen: Die Milliarden werden versickern, bestenfalls werden Arbeitsplätze in der Bauindustrie und der Rüstungsbranche gesichert. Wenn die Visa-Freiheit wirklich kommt, werden wir dieselben Migrationsströme erleben, die jetzt schon aus Bulgarien und Rumänien zum unlösbaren Problem für die Staaten der EU geworden sind. Zugleich werden die „geretteten“ Staaten ausgeblutet. Juncker hat das schon angedeutet, als er in Kiew sagte, die Ukraine müsse Reformen durchführen, auch wenn diese „sehr schmerzhaft“ seien.
In der Wirtschaft gilt die Regel, dass man Fehler machen dürfe, aber denselben Fehler nur einmal. In der EU scheint die Umkehrung des Prinzips zu gelten: Je öfter ein Fehler wiederholt wird, desto stabiler steht die Ideologie.