Finanzen

Griechenland: Zwei Drittel der Euro-Kredite gingen in Konsum und Kapitalflucht

Die Behauptung, der Großteil der Kredite an Griechenland sei direkt wieder den Euro-Gläubigern zugeflossen, ist falsch: Tatsächlich sind 66 Prozent aller Kredite im Land geblieben und wurden für den Konsum und zur Kapitalflucht genutzt. Nur ein Drittel ging an die Banken.
24.06.2015 01:24
Lesezeit: 2 min

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis erklärte, 90 Prozent der öffentlichen Kredithilfen, die Griechenland gewährt wurden, seien dafür verwendet worden, private Kredite internationaler Gläubiger Griechenlands zu bedienen, also unter anderem die Banken Europas zu retten. Die Hilfen seien der griechischen Bevölkerung kaum zugute gekommen. Die Bevölkerung leide unter der Austeritätspolitik, also den Sparauflagen der Troika, die eine humanitäre Katastrophe herbeigeführt habe. Auch andere Ökonomen und in Deutschland viele Politiker, vor allem der Partei DIE LINKE, wie Katja Kipping, haben argumentiert, die Kredithilfen hätten in erster Linie den ausländischen Gläubigern Griechenlands genutzt, die sonst ihr Geld nicht zurückbekommen hätten. Ob das so zutrifft, ist eine immens wichtige Frage in der Beurteilung der Lage Griechenlands und der Rettungsversuche seiner Europartner.

Nach Angaben der EU-Kommission sind bisher 228 Milliarden an öffentlichen Krediten an die griechische Staatskasse vergeben worden. Hinzu kommen die sogenannten Target2-Kredite, was zusammen derzeit einen Betrag von 325 Milliarden Euro ergibt. Prof. Sinn, der Präsident des Ifo-Instituts hat das sehr schön grafisch dargestellt (Abb. 18792). Die Target2-Kredite sind Gelder aus dem Eurosystem, mit dem die griechische Nationalbank zu Lasten des Systems weit mehr Kredite an die griechischen Banken gedruckt hat, als sie nach ihrer Eigenkapitalbasis verkraften könnte, und die dann dafür verwandt wurden, um im Ausland einzukaufen oder dorthin Fluchtgeld zu transferieren.

Prof. Sinn kommt zu dem Ergebnis, dass von den 325 Milliarden Euro etwa ein Drittel für Einkäufe im Ausland für den griechischen Konsum verwandt wurde, wie die akkumulierte Leistungsbilanz in Abb. 18792 zeigt. Die weiteren zwei Drittel der öffentlichen Kredite teilen sich nach Sinn etwa gleichmäßig auf die Finanzierung der Kapitalflucht griechischer und ausländischer Anleger auf, nur ein Drittel also auf den Abbau der Forderungen ausländischer Anleger, vor allem Banken. Die Behauptung von Finanzminister Yanis Varoufakis, 90 Prozent der öffentlichen Kredithilfen, die Griechenland gewährt wurden, seien dafür verwendet worden, private Kredite internationaler Gläubiger Griechenlands zu bedienen, ist also weit überzogen.

Das zeigt auch ein Blick auf die Daten der Internationalen Bank für Zahlungsausgleich, bei der die Banken ihre Forderungen gegen das Ausland und auch spezifisch gegen den griechischen Staat und griechische Banken melden. Danach haben ausländische Banken ihr Engagement mit griechischen Banken und dem griechischen Staat von 174 Milliarden Dollar vor Ausbruch der Griechenlandkrise im Juni 2008 auf 48 Milliarden Dollar Ende März 2015 heruntergefahren. Die Differenz von 126 Milliarden Dollar entspricht 34,8 Prozent der öffentlichen Kredite für Griechenland (Abb. 18794).

Bei den Forderungen gegenüber dem griechischen Staat ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass ein großer Teil in die Umschuldung geriet. Insoweit diese Forderungen abgeschrieben werden mussten (der schon abgeschriebene Betrag ist nicht feststellbar), sind sie verloren gegangen und nicht etwa durch Rettungskredite mitgerettet worden. Die Schlussrechnung wird das Verhältnis von Hilfe zugunsten der eigenen Banken zum Gesamtvolumen der Rettungsgelder also noch erheblich vermindern, zumal in den Rettungsgeldern das zweite Hilfspaket noch nicht voll berücksichtigt ist und noch ein drittes Hilfspaket notwendig wird, falls es nicht zum Grexit kommen sollte.

Es ist schon erstaunlich, wie leichtfertig und unaufrichtig in Deutschland Kritiker der Griechenlandhilfen diese auf Hilfen für die eigenen Banken reduzieren.

***

Joachim Jahnke, geboren 1939, promovierte in Rechts- und Staatswissenschaften mit Anschluss-Studium an französischer Verwaltungshochschule (ENA), Mitarbeit im Kabinett Vizepräsident EU-Kommission, Bundeswirtschaftsministerium zuletzt als Ministerialdirigent und Stellvertretender Leiter der Außenwirtschaftsabteilung. Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London, zuletzt bis Ende 2002 als Mitglied des Vorstands und Stellvertretender Präsident. Seit 2005 Herausgeber des „Infoportals“ mit kritischen Analysen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung (globalisierungskritisch). Autor von 10 Büchern zu diesem Thema, davon zuletzt „Euro – Die unmöglich Währung“, „Ich sage nur China ..“ und „Es war einmal eine Soziale Marktwirtschaft“. Seine gesellschaftskritischen Analysen beruhen auf fundierter und langjähriger Insider-Erfahrung.

Sein Buch über das Ende der sozialen Marktwirtschaft (275 Seiten mit 176 grafischen Darstellungen) kann unter der ISBN 9783735715401 überall im Buch- und Versandhandel für 15,50 Euro bestellt werden, bei Amazon hier.

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