Politik

Draghi: Putin kann Griechen nicht retten, er hat auch kein Geld

Lesezeit: 2 min
09.07.2015 14:30
Mario Draghi räumt ein, dass die EU finanziell nicht mehr viel Spielraum hat. Dies sei aber geopolitisch kein Problem, weil auch Putin klamm ist. Die von der Nato geschürte Angst vor Putin könnte allerdings dazu führen, dass die Osteuropäer ihren Widerstand gegen die dritte Rettung des Euro in Griechenland aufgeben. Sie könnten über die Militär-Schiene ausbezahlt werden.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Zeitung Il Sole 24 Ore bringt ein originelles Kurz-Interview mit EZB-Präsident Mario Draghi. Die Zeitung beobachtete Draghi auf seinem Heimflug nach dem Gipfel in Brüssel. Er sei auf dem Sitz 1A des Alitalia-Flugs von Brüssel nach Rom gesessen. Er habe mit müde und überarbeitet gewirkt. Man habe ihm die Last des physischen und psychischen Stresses der verschiedenen Gipfel eindeutig angesehen. Nach dem Einsteigen habe er das Wall Street Journal und den Corriere della Sera kurz überflogen. Danach habe er mit einem iPod versucht, einige Musik zu hören. Erst nach der Landung in Rom war Draghi bereit, zwei Journalisten-Fragen zu beantworten. Die erste Frage lautete, ob er glaube, dass es zu einer Lösung im Schuldenstreit mit Griechenland kommen werde. Draghi soll das Gesicht verzogen haben und gesagt haben: „Ich weiß es nicht, diesmal ist es wirklich schwierig.“

Draghi muss nach außen den Eindruck erwecken, er sei an die Grenze seiner Möglichkeiten gekommen, um einen Aufstand der Deutschen zu verhindern. So meldet Bloomberg, dass es in den vergangenen Tagen Diskussionen zwischen der EZB und der EU gegeben habe. Darin sollten Möglichkeiten ausgelotet werden, dass der ESM die ELA-Kredite an Griechenland garantieren könnte. Die EZB will kein Risiko gehen, muss aber, wenn sie auch nur noch im Ansatz eine echte Zentralbank ist, die griechischen Banken mit Liquidität versorgen. Die Garantie der aktuell bei etwa 90 Milliarden Euro liegenden ELA-Notkredite würde die EZB in die Lage versetzen, die griechischen Banken auch noch über die Verhandlungen nach Sonntag zu stützen. Der ESM hat zwar auch nicht unbegrenzt Mittel, aber er ist ein supra-staatliches Finanzvehikel, das schnell und diskret agieren kann.

In seiner Antwort auf die zweite Frage sagte Draghi mit einer Nuance doch viel mehr als es auf den ersten Blick erscheint. Der Journalist der Zeitung fragte ihn, was denn geschehen würde, wenn es zu einem Telefonat zwischen Putin und Tsipras käme? Draghi darauf: „Also ich glaube nicht, das erscheint mir kein wirkliches Risiko zu sein, die haben ja selbst kein Geld…“

Diese kleine Bemerkung zeigt, dass die EU offenbar zumindest finanziell wirklich am Anschlag angekommen. Sonst hätte Draghi nicht gesagt, dass die Russen selbst kein Geld hätten. Dies unterstellt, dass auch die EU kein Geld hat.

Der zweite Punkt: Die Euro Retter fürchten offenbar wirklich, dass Wladimir Putin den Griechen ernsthafte Avancen machen könnte. Dies wiederum könnte bedeuten, dass die Amerikaner die widerspenstigen Osteuropäer und Balten genau mit diesem Trick zur Vernunft bringen. Bisher haben die Osteuropäer und Balten besonderen Widerstand gegen eine Rettung Griechenlands vorgetragen. Der Hauptgrund dafür bestand in der Sorge dieser Staaten, dass neue Töpfe für Griechenland verwendet werden könnten, auf deren Ausschüttung sich eigentlich die Regierungen in Osteuropa und im Baltikum Hoffnung gemacht hatten. Insbesondere Polen hat bisher eine harte Linie gegen Griechenland eingenommen, aber auch die Slowakei und Bulgarien sowie die kleinen Staaten Lettland Litauen fürchten, dass Griechenland bevorzugt behandelt wird.

All jene osteuropäischen Staaten, die nicht im Euro sind, befürchten außerdem, dass die Griechen plötzlich Kostgänger an dem zweiten Rettungstopf der EU werden, der sogenannten „Europäischen Zahlungsbilanzhilfe“. Aus diesem mit Steuergeld gespeisten, in der Öffentlichkeit kaum bekannten parallelen Rettungsschirm werden die nicht zum Euro gehörenden EU-Staaten gerettet. Die Aussicht, mit Griechenland einen weiteren Mitbewerber um diesen Topf zu bekommen, hat dazu geführt, dass sich Bulgarien und Rumänien bisher sehr zurückgehalten haben: Sie möchten, dass Griechenland im Euro bleibt – aus rein egoistischen Gründen.

Für alle Osteuropäer und Balten ist die von der Nato geschürte Angst vor einer russischen Aggression ein willkommener Anlass, über die Sicherheitsschiene an neue Gelder aus den europäischen Steuertöpfen zu kommen. Die Nato hat das Feindbild Russland in den vergangenen Monaten kontinuierlich aufgebaut. Mit jeder Stationierung von Nato-Truppen in einem der betroffenen Länder fließen auch signifikante Summen aus den Militäretats. Der kalte Krieg könnte sich für die Osteuropäer und die Balten als eine Konjunkturbelebung erweisen. Unter Umständen sind sie dafür bereit, neue Kredite an Griechenland zu akzeptieren.


Mehr zum Thema:  

DWN
Technologie
Technologie Elektrifizierung: Wind und Solar boomen, doch Kohle bleibt der weltweit bedeutendste Energieträger
23.11.2024

Der Ausbau emissionsfreier Energieerzeugungskapazitäten schreitet in Rekordtempo voran. Doch auch die Nutzung von Kohle zur Stromerzeugung...

DWN
Panorama
Panorama Plastikmüll bekämpfen: UN-Abkommen soll globale Umweltverschmutzung eindämmen
23.11.2024

Plastikmüll ist eine wachsende Gefahr für Umwelt und Meere. Forschende aus den USA zeigen, wie vier Maßnahmen den falsch entsorgten...

DWN
Politik
Politik Deutschland prüft Vorgehen nach Haftbefehl für Netanjahu
23.11.2024

Die Bundesregierung steht nach dem Haftbefehl gegen Israels Regierungschef vor einem Dilemma. Noch ist offen, wie sie sich positioniert....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft US-Regierung: Google muss Chrome-Browser verkaufen
23.11.2024

Die US-Regierung will vor Gericht durchsetzen, dass Google sich vom weltweit meistbenutzten Webbrowser Chrome trennen muss. Das...

DWN
Panorama
Panorama Corona-Maßnahmen führen zur Ausrottung eines Grippe-Stamms: Umstellung auf Dreifach-Impfstoff
23.11.2024

Die Grippeschutzimpfung hat sich für die aktuelle Saison verändert: Statt eines Vierfach-Impfstoffs wird nun ein Dreifach-Impfstoff...

DWN
Politik
Politik Tiefpunkt der Brandenburger Politik: Ministerin entlassen - Minister tritt zurück
23.11.2024

Machtprobe im Streit um die Klinikreform: Regierungschef Dietmar Woidke entlässt in der Bundesratssitzung die grüne Gesundheitsministerin...

DWN
Politik
Politik Rocketman: Putin kündigt Serienproduktion neuer Mittelstreckenwaffe an
23.11.2024

Der Westen verurteilt den Einsatz der neuen russischen Mittelstreckenrakete gegen die Ukraine als neuerliche Eskalation - Moskau feiert...

DWN
Politik
Politik Rentenversicherung vor Engpässen: DRV fordert Maßnahmen zur Stabilisierung
23.11.2024

Die Deutsche Rentenversicherung warnt vor einer möglichen Finanzierungslücke bis 2027. Trotz stabiler Einnahmen erfordert die Rentenkasse...