Als Sigmar Gabriel sich gegen Mitternacht auf seiner Facebook-Seite zu Wort meldet und mitteilt, die SPD sei über Schäubles Idee eines „Grexit“ auf Zeit „natürlich“ im Bilde, gibt es empörte Reaktionen der Parteifreunde. Der Vorwurf: Er verrate SPD-Ideale.
Gabriels Ansatz, der wie Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble die Griechen zwar im Euro halten will, aber nicht um jeden Preis, kommt nicht gut an in seiner Partei. „So ein Wischi-Waschi hätten weder Bebel noch Brandt noch Schumacher je von sich gegeben. Bezieh' einmal eine Position für mehr als drei Tage oder trete zurück“, schreibt einer in Gabriels Kommentarleiste.
Bei den Sozialdemokraten ist bis hinauf in die Führung der Unmut über Gabriel stetig gestiegen. Seine zahlreichen Alleingänge haben jenen Bonus weitgehend aufgezehrt, den sich Gabriel durch seine geschickte Verhandlungsführung beim Schmieden der großen Koalition mit der Union erworben hatte. Von der Diskussion mit Pegida-Leuten Anfang des Jahres in Dresden über den Kurswechsel bei der Vorratsdatenspeicherung bis nun zur harten Griechenland-Linie.
Ein Strategiepapier Gabriels, mit dem er die SPD stärker in die Mitte rücken will, wird von seinen Gegnern gleich zu einem Rechtsruck erklärt. Die Autorität von „Mister Zickzack“ ist angekratzt.
Mit vollem Einsatz hat sich öffentlich bisher nur Fraktionschef Thomas Oppermann für Gabriel ins Zeug gelegt. Den SPD-Konvent zur Vorratsdatenspeicherung gewann der Parteichef mit weniger als 60 Prozent. Dafür musste er quasi die Vertrauensfrage stellen, was er nicht beliebig oft wiederholen kann.
Nun wird auch bei Griechenland deutlich, dass die SPD Gefahr läuft, in alte Muster zu verfallen und den eigenen Vorsitzenden anzuschießen. All diese Entwicklungen sind auch im Zusammenhang mit der Fragen des Kanzlerkandidaten für den Wahlkampf 2017 zu sehen.
Bei jedem scharfen Ton Gabriels in Richtung Athen schreien die Parteilinken auf: Griechenland quasi für fünf Jahre aus dem Euro zu werfen, wenn Athen keinen Reformen zustimme? Das geht nicht, meint Juso-Chefin Johanna Uekermann: „Als Europa-Partei darf die SPD einen solchen Vorschlag nicht mittragen.“ Und der linke Parteivize Ralf Stegner ergänzt: „Die halbstarken Grexit-Propagandisten haben von Europa und seinen Werten nix verstanden.“
Gabriel will unter anderem mit seiner strikten Haltung gegenüber Athen verhindern, dass allein die Union vom Athen-Frust unter den Wählern profitiert. Dass Gabriel als Vizekanzler über Schäubles „Grexit“-Pläne vorab informiert war, ist eine Selbstverständlichkeit.
In der SPD sind sie nun sauer auf Schäuble, der Gabriel beim „Grexit“-Vorstoß über Bande in Mithaftung genommen habe und so versuche, die Probleme der Kanzlerinnen-Union in der Europa-Krise in die SPD zu tragen. „Da wird die SPD als Europa-Partei geschlossen dagegen halten“, sagt Stegner.
Gabriel flog am Sonntagvormittag nach Brüssel zum Treffen der sozialdemokratischen Spitzen. Dort fällt in Bezug auf Schäuble ein interessanter Satz. „Ich kenne kein Papier, ich kenne seine Idee“, sagte Gabriel.
Die Erklärung aus der SPD: Schäuble habe kürzlich in einem Gespräch der Koalitionsspitzen auch Gabriel den Fünf-Jahres-Grexit „mündlich“ vorgetragen. Information sei jedoch keine Abstimmung, heißt es aus Gabriels Umfeld. Das kann man auch anders sehen. Wird in so einer Runde nicht widersprochen, gilt eine Initiative in der Regierung informell durchaus als abgestimmt. Zumal vor einem wegweisenden Brüsseler Gipfel. In einer Telefonschalte der SPD-Spitze spielte der Vorschlag am Sonntag kaum eine Rolle.
Nun wartet erstmal eine kurze Berliner Auszeit für den Parteichef - von Montag bis Mittwochabend pflegt er in China Wirtschaftskontakte. Die fünftägige Reise wurde verkürzt - damit der Vizekanzler für eine mögliche Griechenland-Sondersitzung des Bundestages am Donnerstag rechtzeitig wieder in der Hauptstadt wäre.