Griechenland ist nach den Worten von Ministerpräsident Alexis Tsipras nicht in der Lage, den Zustrom Tausender Flüchtlinge aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan aus eigener Kraft zu bewältigen. Sein Land benötige die Hilfe der EU-Partner, sagte Tsipras am Freitag nach einem Treffen mit den zuständigen Ministern. "Jetzt wird sich zeigen, ob die EU eine EU der Solidarität ist oder eine EU, in der jeder nur versucht, seine Grenzen zu schützen." Zuvor hatte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR Griechenland vorgeworfen, nichts gegen chaotische Zustände bei der Flüchtlingsaufnahme auf seinen Inseln zu unternehmen. So sei etwa die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln völlig unzureichend.
"Der Flüchtlingszustrom nach Griechenland geht über das hinaus, was unsere staatliche Infrastruktur zu leisten imstande ist", sagte Tsipras. Griechenland ist neben Italien am stärksten vom Zustrom Zehntausender Menschen betroffen, die vor Hunger, Perspektivlosigkeit und Krieg flüchten und nach Europa wollen. Allein im Juli kamen 50.000 Flüchtlinge. Dabei steht das Land selbst kurz vor einer Staatspleite, und es droht eine erneute Rezession. Im Juni hatten die EU-Staats- und Regierungschefs grundsätzlich beschlossen, 40.000 Flüchtlinge aus den Grenzländern Italien und Griechenland auf andere europäische Staaten zu verteilen. In mehreren Sondersitzungen haben die EU-Innenminister darüber aber noch keine Einigung erzielt.
"Auf den Inseln herrscht das totale Chaos", sagte der Europa-Direktor von UNHCR, Vincent Cochetel, nach Besuchen auf Lesbos, Kos und Chios. Auf den meisten Inseln gebe es überhaupt keine Infrastruktur für die Aufnahme der Menschen. Es fehle an sanitären Einrichtungen, und meisten Flüchtlinge müssten schutzlos unter freiem Himmel schlafen. Auch wenn sie nach einigen Tagen nach Athen weitergeleitet würden, erwarte sie dort das Nichts. Die griechischen Behörden müssten etwas unternehmen, anstatt die Verantwortung jeweils immer weiter zu schieben. Cochetel forderte auch die anderen EU-Staaten auf, mehr zu tun, um Griechenland in der Flüchtlingsproblematik zu entlasten.
Vorrangige Aufgabe sei es zu vermeiden, "dass an anderen Stellen in Europa ein weiteres Calais entsteht", sagte der UNHCR-Direktor. In der französischen Hafenstadt versuchen seit Monaten Tausende Flüchtlinge, durch den Kanal-Tunnel nach Großbritannien zu gelangen. Zehn Menschen sind dabei bislang umgekommen. Am Dienstagabend griffen die britischen Behörden kurz vor dem Tunnelausgang in Folkestone einen Sudanesen auf, der die 50 Kilometer durch den Tunnel zu Fuß zurückgelegt hatte.