Die künftige Fraktionschefin der Linken im Bundestag, Sahra Wagenknecht, stellt den Euro als europäische Gemeinschaftswährung infrage. «Es zeigt sich einfach, dass der Euro nicht funktioniert, sondern immer größere wirtschaftliche Ungleichgewichte erzeugt, und am dramatischsten zeigt sich das eben in Griechenland», sagte Wagenknecht der Zeitung Die Welt. «Darum beginnt in der Linken zu Recht eine Debatte darüber, welchen Spielraum eine Politik jenseits des neoliberalen Mainstreams im Rahmen des Euro überhaupt hat oder ob wir dieses Währungssystem nicht generell infrage stellen müssen.»
Wagenknecht sagte, alles deute darauf hin, dass es in der Euro-Zone immer mehr Integrationsschritte geben werde, die jede nationale Souveränität erledigten. Als Beispiel nannte sie die Haushaltspolitik. «Die Währungsunion verengt die Spielräume der einzelnen Regierungen bis zur Handlungsunfähigkeit, das ist eine europaweite Abschaffung der Demokratie durch die Hintertür.» Deshalb müsse die Linke die Debatte führen, «ob sie sich dieser Logik weiterhin ausliefern will oder sich lieber für ein anderes Finanz- und Währungssystem stark macht».
Wagenknecht kritisiert die Pläne der EU und will die Rückkehr zu mehr nationaler Souveränität: «Alles deutet darauf hin, dass es immer mehr Integrationsschritte gibt, die jede nationale Souveränität erledigen. Wenn in Zukunft die Haushalts- und sogar die Lohnpolitik in den Mitgliedsstaaten von EU-Technokraten gesteuert werden soll, dann gibt es letztlich keinen Raum mehr für demokratische Entscheidungen, und die Ergebnisse von Wahlen werden so irrelevant, wie wir das gerade in Griechenland erleben.»
Wagenknecht ist Wortführerin des linken Parteiflügels und soll im Oktober gemeinsam mit Dietmar Bartsch den scheidenden Fraktionschef Gregor Gysi beerben.
Sollte sich ihre euro-skeptische Position durchsetzen, dann würde dies eine rot-rot-grüne Koalition nach der nächsten Bundestagswahl deutlich erschweren. Denn die SPD und die Grünen unterstützen den Euro ohne Wenn und Aber und setzen zur Lösung der Probleme auf eine massive Vertiefung der Integration in der EU.
Die erstaunlich radikale Abkehr der Links-Partei von der EU hatte sich bereits vor einiger Zeit angedeutet. So schrieben die Vordenkerinnen der Links-Partei, Janine Wissler und Nicole Gohlke, im Neuen Deutschland, in einem sehr interessanten Beitrag:
Welche Fragen müssen wir uns daher in der EU-Debatte neu stellen? DIE LINKE in Deutschland hat auch deswegen oft Schwierigkeiten, die EU als imperiales Projekt zu kritisieren, weil diese als eine historische Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg dargestellt wird. Nach den Weltkriegen hätten sich die verfeindeten Großmächte demnach zu einem Bündnis zusammengeschlossen, das künftige militärische Konflikte unmöglich mache. Philosophen wie Jürgen Habermas haben die EU in diesem Sinne als post-nationales Konstrukt und als Alternative zur Rückkehr zum Nationalstaat gepriesen. Doch auch wenn sich durch die EU die Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten stark verändert haben, hat sich die wirtschaftliche Konkurrenz zwischen den Staaten dadurch eben nicht vermindert, vor einer Woche bei den »Verhandlungen« zum Griechenland-Paket sind sie für jeden offensichtlich und unverbrämt zu Tage getreten.
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Es ist an der Zeit, dass wir die EU-Politik zum Gegenstand der real existierenden sozialen Kämpfe in den verschiedenen Mitgliedsstaaten machen, statt abstrakt von einer »sozialen EU« zu sprechen, für die es in absehbarer Zeit keine Bewegung geben wird. Unsere Politik muss dazu beitragen, gesamteuropäische Netzwerke und Solidarität zwischen den politischen AkteurInnen und den politischen AktivistInnen in europäischen, nationalen, regionalen oder kommunalen Bewegungen zu schaffen, zu erhalten und zu vertiefen. Nach der Unterwerfung Griechenlands unter das Diktat der Institutionen ist es unwahrscheinlich und unangemessen zu erwarten, dass sich die GenossInnen in der Europäischen Linken weiterhin positiv auf den Euro oder die EU beziehen, denn die Mitgliedschaft in der Eurozone hat sich als Erpressungsinstrument für die Durchsetzung von Austeritätspolitik entpuppt.
In der Sache hat Sahra Wagenknecht nur teilweise recht: Nicht der Euro allein ist das Problem. Der Banken- und Finanzexperte Achim Dübel von Finpolconsult analysiert für die Deutschen Wirtschafts Nachrichten das Problem, das in der Verschuldungstechnik der Staaten und der Rolle des IWF liegt:
«Wenn Italien oder Griechenland den Euro nicht hätten, dann würden sich die Regierungen trotzdem in Euro verschulden. Gebietskörperschaften in Ungarn und Polen sind hoch in Schweizer Franken verschuldet, andere europaeische Staaten wie Rumänien und Bulgarien in Euro, die Türkei, Mexiko und Argentinien in US-Dollar. Diese Währungen sind Reservewährungen, aus offizieller und aus Investorensicht, weshalb unter anderem die Realzinssätze deutlich niedriger sind.
Weil die Bankenregulierung - von unserer Politik - dazu gebracht wurde, Staatskredit als absolut sicher anzusehen, geben die Banken in Reservewährung faktisch unbegrenzt Kredit, und die Investoren kaufen faktisch unbegrenzt Bonds. Bei einem Ausfall auf Schulden in Reservewährung tritt seit dem Zweiten Weltkrieg stets der IWF auf den Plan – der genau als eine Währungstauschinstitution zur Begleichung der Schulden in Reservewährung ist. Die Regierung druckt Geld und bekommt Reservewährung - und Konditionalität des IWF (siehe dazu auch die aktuelle Diskussion über China im IWF-Währungskorb, die genau mit diesem Problem zusammenhängt, Anm. d. Red.)
Das galt selbst zu Zeiten des kalten Kriegs und der ideologischen Machtblöcke. Wer also etwas an der Konditionalität ändern will, wenn es denn sinnvoll ist, und manchmal ist es das, muss nicht die Währung ersetzen, sondern das System öffentlicher Schuldenübernahme von privaten Schulden gegenüber diesen Staaten durch den IWF (inzwischen auch ESM etc).
Wichtig wäre zumindest eine klare Selbstbeteiligung der Investoren. Die Weiterentwicklung des ESM zu einem Europäischen Währungsfonds wäre eine Möglichkeit, gerade im Hinblick auf die hohe Verschuldung in Euro auch von Nicht-Euro-Staaten (Bulgarien) und die rasche Expedierung aus dem Euro bei Griechenland.»