Politik

USA stationieren neue Atombomben in Deutschland

Lesezeit: 3 min
21.09.2015 22:20
Die USA beginnen mit der Stationierung neuer Atomwaffen in Deutschland. Der Bundestag hatte erst im Jahre 2009 mit Mehrheit beschlossen, die USA sollten ihre Atomwaffen abziehen.
USA stationieren neue Atombomben in Deutschland

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz beginnen in diesen Tagen die Vorbereitungen für die Stationierung neuer amerikanischer Atombomben. Das belegen US-Haushaltspläne, berichtet das ZDF-Magazin Frontal 21. Rüstungsexperten bestätigen, dass die neuen taktischen Nuklearwaffen vom Typ B 61-12 wesentlich zielgenauer sind als die Atombomben, die bislang in Büchel lagern. Im Kriegsfall sollen deutsche Tornado-Piloten im Rahmen der NATO-Strategie der sogenannten „Nuklearen Teilhabe“ Angriffe mit den US-Bomben fliegen. Diese Teilhabe sieht vor, dass Nato-Staaten quasi zu Atommächten werden, indem sie Atomwaffen auf ihrem Territorium und mit der regionalen Infrastruktur unterstützen. Aus dieser Teilhabe kann man, den politischen Willen vorausgesetzt, auch aussteigen: Griechenland und Kanada lehnen die nukleare Teilhabe ab.

Die neuen Waffen sind offenbar auch politisch raffiniert positioniert: „Mit den neuen Bomben verwischen die Grenzen zwischen taktischen und strategischen Atomwaffen“, kritisiert Hans Kristensen vom Nuclear Information Projects (Atomic Scientists) in Washington im ZDF.

„Uns beunruhigt, dass Staaten, die eigentlich keine Atomwaffen besitzen, den Einsatz dieser Waffen üben, und zwar im Rahmen der NATO-Praxis der Nuklearen Teilhabe“, erklärt die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, der Sendung Frontal 21: „Das ist eine Verletzung der Artikel 1 und 2 des Vertrages über die Nichtverbreitung von Atomwaffen.“ Die Sorge der Russen ist nicht unbegründet: Die Nato breitet sich immer weiter nach Osten aus. Im Zuge der Ukraine-Krise haben viele Staaten, etwa die Balten und Polen, gefordert, dass es auch auf ihrem Territorium ständige Nato-Stützpunkte geben solle. Das ist mit den Staaten mit finanziellen Vorteilen verbunden, weil sie dann Arbeitsplätze in der operativen Aufrüstung schaffen können. Für die Nato ist es ein Vorteil, weil das Bündnis dann Zugriff auf die Steuergelder dieser Staaten erhält. Auch die Eröffnung eines Nato-Büros in der Ukraine dürfte nicht gerade dazu beitragen, Moskau zu beruhigen.

Der Bundestag hatte genau das Gegenteil gefordert: Das Parlament hatte im März 2010 mit breiter Mehrheit beschlossen, die Bundesregierung solle sich „gegenüber den amerikanischen Verbündeten mit Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland einsetzen“. Auch im Koalitionsvertrag von Union und FDP hatte die Bundesregierung 2009 den Abzug der Atomwaffen aus Büchel zugesagt. Doch statt der Abrüstung erfolgt nun die Stationierung von rund 20 neuen Nuklearwaffen, die zusammen die Sprengkraft von 80 Hiroshima-Bomben haben.

Gregor Gysi von der Linken hatte 2009 im Bundestag gesagt, dass es den Wählern in Deutschland nicht vermittelbar sei, dass die Bundesregierung ein mit Mehrheit (Linke, SPD, Grüne und FDP waren dafür) beschlossenes Votum einfach ignoriere. Gysi lobte ausdrücklich die damals noch aktuellen Abrüstungspläne von US-Präsident Barack Obama  und erläuterte, warum die Abschaffung der US-Atomwaffen in Deutschland die Sicherheitsinteressen Deutschlands mit Sicherheit nicht gefährden würde (die bemerkenswert hellsichtige Rede Gysis im Video am Anfang des Artikels).

Es ist nicht bekannt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel diesem Votum des Bundestags auch nur ansatzweise entsprochen hätte. Offenkundig ist Merkel mit der neuen Aufrüstung auf deutschem Boden einverstanden: Denn es werden erhebliche Mittel der deutsche Steuerzahler für den Ausbau der Flughäfen der US-Air Force zur Verfügung gestellt.

Der SPD-Verteidigungspolitiker Thomas Hitschler bestätigt dem ZDF, dass die Bundesregierung in den kommenden Jahren rund 120 Millionen Euro in den Bundeswehrstandort Büchel investieren will. Mit diesem Geld soll die Landebahn des Flugplatzes mit einem modernen Instrumentenanflugsystem ausgestattet werden. Weitere europäische Standorte amerikanischer Atomwaffen wie die Luftwaffenbasen in Incirlik/Türkei und Aviano/Italien werden modernisiert. Auch dort soll mit neuen Nuklearbomben vom Typ B 61-12 nachgerüstet werden, bestätigt Hans Kristensen vom Nuclear Information Project.

Der frühere Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Willy Wimmer (CDU), warnt im ZDF vor neuen „Angriffsoptionen gegenüber der russischen Föderation“ durch die neuen Atomwaffen in Deutschland und Europa: „Das ist eine bewusste Provokation unserer russischen Nachbarn.“

Allerdings kommt die Maßnahme nicht überraschend: Beim Nato-Gipfel in Wales im Jahr 2014 wurde Russland als neuer Hauptfeind der Nato identifiziert. Merkel hatte darauf hin auch die Militär-Doktrin der Bundeswehr überarbeiten lassen: Seither gilt Russland auch für die Bundeswehr als potentielle Bedrohung.

Mittlerweile hat Moskau auf die Nachricht über die Stationierung der US-Atombomben reagiert. Russland würde „notwendige Gegenmaßnahmen“ ergreifen, um die Machtbalance wiederherzustellen. Denkbar sei die Verlegung von Kurzstreckenraketen an die polnische Grenze, so Militärvertreter.

Die Sendung von Frontal 21 war am Dienstag, 22. September 2015, um 21.00 Uhr, im ZDF zu sehen.

Mehr zum Thema: Wie Aktivisten Merkel zum Widerstand gegen US-Atombomben zwingen wollen, lesen Sie hier.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
18.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel auf Capri: Militärische Signale für Ukraine und Nahost
18.04.2024

Inmitten eskalierender Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten kommen die G7-Außenminister auf Capri zusammen, um gemeinsam Strategien...

DWN
Politik
Politik Russische Agenten in Bayern festgenommen: Sabotagepläne aufgedeckt
18.04.2024

Zwei Russland-Deutsche sollen für einen russischen Geheimdienst spioniert haben. Einer der beiden soll sich auch zur Durchführung von...

DWN
Politik
Politik Kampf am Himmel: Ukrainische Verteidiger unter Druck
18.04.2024

Die militärische Lage der Ukraine verschlechtert sich weiter. Es fehlen Mittel, Soldaten und Luftabwehrsysteme, um sich gegen neue...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Halving: Die nächste Evolutionsstufe im digitalen Geldsystem
18.04.2024

Am 20. April 2024 ist es wieder soweit: Das nächste Halving steht vor der Tür. Doch um was geht es bei diesem Event, auf das die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Wirtschaftsstandort Deutschland: 7 Maßnahmen, die den Wohlstand sichern
18.04.2024

Kein Wirtschaftswachstum, Fachkräftemangel, Bürokratie und hohe Energiekosten: Die deutsche Wirtschaft hat viele Baustellen. Im aktuellen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bosch verhandelt über Stellenabbau: Fokus auf Alternativen und Standortsicherung
18.04.2024

Bosch will massiv Stellen streichen, um im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dagegen gingen zuletzt Tausende...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldvermögen privater Haushalte hat einen neuen Höchststand erreicht
18.04.2024

Die gestiegenen Kurse an den Aktienmärkten und die erhöhten Sparzinsen haben zusammen dazu geführt, dass das Geldvermögen der deutschen...