Ein am Montag geplanter Beschluss zur Auszahlung von zwei Milliarden Euro an neuen Krediten an Griechenland gilt schon vor Beginn des Treffens der Euro-Finanzminister in Brüssel als unwahrscheinlich. Grund ist der Streit um geforderte Reformen. Athen will die massenhafte Pfändung von Immobilienbesitz bei überschuldeten Haushalten verhindern.
"Es wird an diesem Montag keine Einigung auf die Auszahlung der zwei Milliarden geben", sagte ein EU-Diplomat. Eine Entscheidung im Laufe der Woche sei aber nicht ausgeschlossen, wenn Athen die Voraussetzungen erfülle. "Die Zeit ist begrenzt", warnte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Die Umsetzung der vereinbarten Reformen müsse "sehr schnell" erfolgen. Ziel müsse es sein, die geplante Rekapitalisierung der griechischen Banken nicht in Gefahr zu bringen. Frankreich verlangt ebenfalls eine Einigung am Montag, meldet Bloomberg. EU-Diplomaten sehen laut AFP einen direkten Zusammenhang zwischen der Pfändungsfrage und der Bankenrekapitalisierung. Wenn die griechischen Banken Schulden nicht eintreiben könnten, müsse auch der Betrag für die geplante Rekapitalisierung der Institute steigen.
Die griechische Seite versicherte, dass es "Fortschritte bei allen Themen" gebe. "Großer Streitpunkt" sei aber die Frage der Pfändung des Hauptwohnsitzes von verschuldeten Privatleuten, sagte Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis. Die Gläubiger wollen die Schwelle für Pfändung und Verkauf von Immobilieneigentum senken. Für die linksgeführte Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras kommt es jedoch nicht in Frage, tausende Familien auf die Straße zu setzen.
Die zwei Milliarden Euro hätten eigentlich schon im Oktober an Athen ausgezahlt werden sollen. Geplant ist bisher auch die Auszahlung einer weiteren Tranche von einer Milliarde Euro bis Ende des Jahres. Umstritten waren zuletzt neben der Pfändungsfrage auch Mehrwertsteuererhöhungen auf den griechischen Inseln und im Bereich privater Bildungseinrichtungen sowie der Minimalpreis für Medikamente
Doch in den vergangenen Monaten hat sich die Lage wegen der Flüchtlingskrise dramatisch verändert: Die Euro-Retter sind auf die Kooperation Griechenlands angewiesen. Griechenland müsste eigentlich die EU-Außengrenze schützen, was sich das Land naturgemäß wegen der Finanzlage nicht mehr leisten kann. Daher hatte die EU gefordert, Griechenland solle gemeinsam mit der Türkei Patrouillenfahrten in der Ägäis durchführen, um die Flüchtlinge zu kontrollieren. Doch die griechische Regierung lehnt dies kategorisch ab, weil die Türkei und Griechenland über die Territorialansprüche im Osten streiten. Heimatschutz-Minister Nikos Toskas sagte einer halbstaatlichen mazedonischen Nachrichtenagentur laut Kathimerini, dass dies keinesfalls geschehen werde. Griechenland sei ein souveräner Staat und werde nicht ein Problem lösen, indem es ein anderes, größeres schafft. Außerdem dürften die wirtschaftlichen Interessen andere sein als die der Türkei: Offenbar verdient die türkische Küstenwache durch Schutzgelder an die Schleppermafia kräftig mit.
Die Griechen sehen eine Chance, mit den Flüchtlingen den Druck auf die EU zu erhöhen: Man sei bereit, einen Teil des Grenzzauns zur Türkei zu öffnen und mehr Flüchtlinge aufzunehmen, wenn dies Teil einer Vereinbarung mit der Türkei, Bulgarien und der EU würde, sagte Toskas. Allerdings könne man nicht die ganze Grenze aufmachen, weil die Gefahr bestehe, dass die anderen EU-Staaten ihre Grenzen dichtmachen. Daraus lässt sich ableiten, dass Griechenland die Möglichkeit in Betracht zieht, mehrere Flüchtlinge aufzunehmen - offenbar aber nicht garantieren kann, dass diese dann auch tatsächlich in Griechenland bleiben.
Die Türkei benützt die Flüchtlinge mittlerweile ganz offen als Erpressungs-Potenzial für die in dieser Frage heillos zerstrittene EU.