Unternehmen

Angst vor dem Scheitern: Deutschland fehlt der Gründer-Geist

In kaum einem Land können sich derzeit so wenige junge Menschen entschließen, sich selbstständig zu machen, wie in Deutschland. Nur jeder vierte sieht sich hierzulande als potentieller Gründer, wie der aktuelle Amway Global Entrepreneurship Report zeigt. Damit gehört Deutschland nicht nur in der EU zu den Schlusslichtern.
19.11.2015 00:29
Lesezeit: 2 min

Mittelständische Unternehmen sind seit Jahrzehnten das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Ohne den Gründergeist dieser Unternehmenschefs und Gründerväter wäre die deutsche Wirtschaft nicht so gut aufgestellt, wie sie es heute ist. Doch ein Blick in die Köpfe der Jugend von heute zeigt, dass der deutsche Mittelstand und die deutsche Wirtschaft vor erheblichen Herausforderungen stehen. Immer weniger junge Menschen sehen sich selbst als Gründer oder auch generell in der Selbstständigkeit.

So lag Deutschland beim jährlich erhobenen Amway Global Entrepreneurship Report 2015 auf Rang 41 von 44 befragten Ländern. Mit einem Indexwert von 31 (bei 100 Möglichen Punkten) liegt Deutschland nur knapp vor Polen, Kroatien und Japan. Der EU-Schnitt allerdings befindet sich bei 45 Punkten und Spitzenreiter Indien erreichte 79 Punkte. „Insgesamt sehen sich nur 25 Prozent der Deutschen als potentielle Gründer, während es im EU-Durchschnitt 38 Prozent und weltweit 42 Prozent sind“, heißt es in dem Amway Global Entrepreneurship Report.

Zwar haben 59 Prozent der Deutschen im Alter zwischen 14 und 34 Jahren eine positive Einstellung der Selbstständigkeit gegenüber, aber im EU-Schnitt sind es 80 Prozent. „Wenn wir es schaffen, die potentiellen Unternehmer zu inspirieren und ihnen früher ökonomische Grundkenntnisse zu vermitteln, werden wir nicht nur den Mittelstand, sondern auch den Innovationsstandort Deutschland langfristig fördern“, sagt Julia Lutter-Müller von Amway. Das fordert auch die am Report beteiligte TU München.

„Der Kontakt mit unternehmerischer Ausbildung kommt in Deutschland oft nur zustande, wenn man gezielt danach sucht“, sagt Professor Isabell M. Welpe, Inhaberin des Lehrstuhls für Strategie und Organisation an der Technischen Universität München und wissenschaftliche Leiterin der internationalen Studie. „Um in der Breite ein größeres Bewusstsein für die verschiedenen Möglichkeiten unternehmerischen Handelns zu erreichen, müssten bereits die Schulen im Unterricht stärker auf das Thema eingehen.“ Denn lediglich 29 Prozent der jungen Deutschen halten eine Gründung mit ihren eigenen Fähigkeiten für durchführbar.

Anders als in Deutschland werden in etlichen anderen Ländern unternehmerische Grundkenntnisse nicht nur in speziellen Bildungsprogrammen sondern vielmehr auch im Schulunterricht vermittelt. Vor allem in Ländern wie Finnland, Schweden, Dänemark und Norwegen sieht man die Schule sogar in der Pflicht diese Kenntnisse zu vermitteln. Entsprechend positiv ist hier auch die Einstellung zur Selbstständigkeit: Norwegen 90 Prozent, Schweden 94 Prozent.

Eine große Rolle bei dem geringen Gründergeist in Deutschland spielt die Angst vor dem Versagen. Für immerhin 84 Prozent der 14- bis 34-Jährigen ist das ein Hindernis für eine Gründung. Zwei Drittel fürchtet finanzielle Belastungen oder gar eine Insolvenz. Die Infrastruktur und politischen Voraussetzungen verstärken den Trend in Deutschland. 2015 bewerten nur noch 44 Prozent der Befragten Deutschland als gründerfreundlich - dies ist ein Rückgang um sechs Prozent.

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