Oft erklären die EU-Politiker, dass die Dinge heute so kompliziert seien, dass man sich auf Experten-Meinungen verlassen müsse. Im Fall der Beziehung der Türkei zum IS sind die Fakten sehr einfach zu verstehen. Die Fakten sind im übrigen seit Monaten bekannt: Die DWN berichteten bereits im August über die kommerziellen Interessen des Westens in der Region.
Erstens: Terror-Finanzierung durch Öl-Schmuggel
Zwei Wissenschaftler der University of Greenwich, London, haben nun auch eine wissenschaftliche Studie vorgelegt, die belegt, dass das Öl-Geschäft des IS über die Türkei läuft. Die Studie mit dem Titel „Das Tor des IS zu den globalen Rohöl-Märkten“ ist besonders seriös, weil die Autoren jede Art von Spekulation oder politischen Hypothesen vermeiden. Sie schreiben, dass sie ausdrücklich keinen Beweis haben, dass die Regierung Erdogan von den Öl-Geschäften des IS weiß. Doch dieses „caveat“ ist nichts anderes als eine Ouvertüre zu einer unbestechlichen Fakten-Darstellung, mit der George Kiourktsoglou und Alec Coutroubis aufzeigen, was wirklich gespielt wird.
Der IS verschifft demnach sein Öl vom türkischen Hafen Ceyhan, nahe der Stadt Adana. Ceyhan liegt weniger als zwei Autostunden von der US-Luftwaffenbasis in Incirlik entfernt. Der Öl-Terminal wird von der staatlichen türkischen Botas International Limited (BIL) betrieben. Die Forscher haben eine Anomalie entdeckt: Anders als bei den anderen Handelsrouten weisen die Öl-Exporte aus Ceyhan in den Jahren 2014 und 2015 ungewöhnliche Spitzen aus. Diese haben sich immer dann ergeben, wenn der IS um bestimmte Öl-Assets in der Region besonders kämpfen musste: Die erste Spitze fällt zusammen mit der Eroberung des größten syrischen Ölfelds AIOmar durch den IS im Juli 2014. Die zweite Spitze ergab sich im Oktober und November 2014, als erbitterte Kämpfe um die Gas-Felder Jahr und Mahr tobten. Die dritte Spitze entstand im Januar und Februar 2015, als die US-Luftschläge den IS in Hamija unter Druck brachten, im Kampf um die Öl-Region Kirkuk.
Die Erklärung der Forscher: „Es hat den Anschein, dass immer dann, wenn der IS in einer Region mit Öl-Assets kämpft, die Exporte aus Ceyhan sofort steigen. Dies könnte damit zusammenhängen, dass durch diese Extra-Exporte neue Einnahmen für den IS generiert werden, die dringend für die Finanzierung von Munition und militärischer Ausrüstung gebraucht werden.“
Der russische Präsident Wladimir Putin, der sich, anders als die Forscher, kein Blatt vor den Mund nimmt, sagte laut dem staatlichen Sender RT, die russische Aufklärung habe zu folgenden Erkenntnissen geführt: „Tag und Nacht fahren Tank-Lastwagen in die Türkei. Sie kommen aus den vom IS kontrollierten Gebiet voll beladen, und sie fahren leer wieder zurück.“ Man sehe in den Aufklärungsbildern „Fahrzeuge, die Öl transportieren, in einer Kolonne, die bis über den Horizont reicht.“
Die Russen haben mit der Bombardierung dieser Lastwagen begonnen, weil sie die Finanzierung der Terroristen unterbinden wollen. Die Amerikaner haben bei früheren Angriffen ebenfalls Tank-Lastwagen bombardiert. 45 Minuten vor dem Angriff haben sie jedoch Flugblätter abgeworfen, mit denen sie die Fahrer gewarnt und sie aufgefordert haben, sich in Sicherheit zu bringen. Die Amerikaner behaupten, mit Sicherheit zu wissen, dass diese Fahrer nichts mit dem IS zu tun haben. Für Putin sind jene, die dem IS bei seiner Finanzierung helfen, „Komplizen“ – es ist nicht schwer zu erraten, dass Putin die türkische Regierung gemeint hat. Präsident Erdogan hat die Anschuldigung wütend zurückgewiesen und Putin aufgefordert, Beweise für seine Behauptung vorzulegen. Es ist nicht bekannt, ob Erdogan die Greenwich-Studie kennt. Bekannt ist, dass sein Sohn mehrere Schiffs-Unternehmen betreibt. Bekannt ist auch, dass Erdogan seinen Schwiegersohn zum neuen Energieminister ernannt hat.
Zweitens: Zusammenarbeit der Türkei mit dem IS
Die investigative Website UndercoverInfo hat akribisch die Fakten der Zusammenarbeit aufgelistet. Für jedes Detail gibt es Quellen, die auf der Website nachgelesen werden können. Der äußerst lesenswerte Bericht stammt vom Direktor des Programms für Friedensforschung an der Columbia University, David L. Phillips.
Zusammengefasst kommt Phillips zu folgenden Ergebnissen:
Die Türkei liefert militärische Ausrüstung an den IS
Die Türkei hat den IS-Kämpfern logistische Unterstützung gewährt
Die Türkei hat IS-Kämpfer trainiert
Die Türkei gewährt den IS-Kämpfern medizinische Versorgung
Die Türkei unterstützt den IS bei der Finanzierung, indem sie billig Öl vom IS kauft
Die Türkei unterstützt den IS bei der Rekrutierung von Kämpfern
Türkischen Armee-Einheiten kämpfen an der Seite des IS
Die Türkei hat den IS in der Schlacht um Kobane unterstützt
Die Türkei und der IS teilen dieselbe Weltanschauung
Vor allem der letzte Punkt ist interessant. Hürriyet zitiert führende AKP-Politiker sollen gesagt haben, sie hätten lieber den IS als Nachbar als die PKK. Ein AKP-Führer postete auf Facebook: „Zum Glück gibt es den IS. Möge ihnen nie die Munition ausgehen.“ Eine türkische Sozialversicherung verwendet Briefpapier mit dem IS-Logo. Erdogans Sohn Bilal und türkische Offizielle treffen sich mit IS-Kämpfern.
Diese Fakten reichen nach gesundem Menschenverstand aus, um einen Deal, wie ihn die EU unter der Führung von Angela Merkel mit Erdogan plant, sofort zu stoppen. Sie sind öffentlich bekannt und leicht verständlich. Sie sind schwerwiegend genug, um die deutsche Bundeskanzlerin zu fragen, ob sie allen Ernstes Milliarden an Steuergeldern an ein Regime überweisen will, dessen Verhältnis zum Terrorismus dringend aufgeklärt werden muss.
Denn es besteht der mehr als begründete Verdacht, dass die europäischen Steuerzahler wegen des geplanten „Flüchtlings-Deals“ über Umwegen zu Sponsoren des angeblich gefährlichsten Terror-Netzwerks der Welt werden. Natürlich weiß niemand, wer wirklich hinter dem IS steckt. Die Kämpfer treten stets vermummt auf. Ihre Video-Botschaften sind von hervorragender technischer Qualität, gerade so, als wären sie in Hollywood gedreht. Die Sprecher sprechen ein akzentfreies, amerikanisches Englisch.
Es wird immer deutlicher, warum Putin sich auf einen Krieg in Syrien eingelassen hat: Mit dem IS und seinen Hintermännern ist im Nahen Osten ein neuer, mächtiger Player im internationalen Öl-Geschäft entstanden. Das ist für Russland nicht akzeptabel, weil die Russen auf lange Sicht nicht mit dem niedrigen Ölpreis zu Rande kommen werden. Es ist müßig zu beklagen, dass Russland seine Wirtschaft nicht ausreichend diversifiziert hat und daher nun zu den Waffen greifen muss, um seine Wirtschaft vor dem Kollaps zu bewahren.
Das vorgeblich humanistische Pathos, mit dem Merkel sich für die Flüchtlinge engagiert hat, muss nun einer eiskalten politischen Abwägung weichen: Nicht der Militäreinsatz der Bundeswehr in Syrien wird das Verbrechen der Vertreibung von Hunderttausenden beenden. Sondern eine Realpolitik, die die Financiers und Komplizen der Terroristen dingfest macht und stoppt.
Die hilflose EU sehnt sich nach einer schnellen Lösung und sieht in Erdogan ihren Retter. Das ist ein kapitaler Trugschluss: Wenn die EU dem Menschenhandel zustimmt, wird der IS weitermachen, bis die Region ethnisch gesäubert ist. Die europäischen Werte verpflichten Merkel und die EU, genau das zu verhindern.
Lässt sich die EU jedoch aus Bequemlichkeit und innenpolitischem Kalkül in den schmutzigen Krieg hineinziehen, macht sie sich direkt mitschuldig am Elend der Flüchtlinge. Die EU und die Kanzlerin müssen nun politische Verantwortung übernehmen. Sie können das Handeln nicht länger der Nato, den Geheimdiensten und den US-Neocons überlassen. Bleiben sie weiter Getriebene, wird Europa auf Jahre hinaus zum Helfershelfer von Schurken. Die Rechnung für ein solches Versagen wird mit Blut geschrieben sein, von einer neuen Generation von Terroristen, die in Europa aktiv werden. Sie werden sich auch von einer „Festung Europa“ nicht abhalten lassen. Noch ist es nicht zu spät, das Fiasko zu verhindern. Doch es bleiben nur noch wenige Stunden.