Politik

Seehofer wirft Merkel „Herrschaft des Unrechts“ vor

Der bayrische Ministerpräsident Seehofer will in der Frage von Recht und Gesetz bei der Einwanderung nicht „opportunistisch“ sein: Bundeskanzlerin Merkel habe mit der Grenzöffnung die „Herrschaft des Unrechts“ in Kraft gesetzt. Diese gelte es zu beenden.
09.02.2016 17:35
Lesezeit: 2 min

CSU-Chef Horst Seehofer vergleicht die von Angela Merkel am 4. September vergangenen Jahres verkündete Grenzöffnung für Flüchtlinge mit der Praxis von Unrechtstaaten: «Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung», sagte Seehofer in einem Interview mit der Passauer Neuen Presse. «Es ist eine Herrschaft des Unrechts.» Der bayerische Ministerpräsident hält es für untragbar, dass Flüchtlinge und Migranten ohne gültige Einreisepapiere ungehindert ins Land kommen dürfen.

Die angedrohte Verfassungsklage gegen den Kurs von CDU-Chefin Merkel in der Asylpolitik könnte Bayern noch vor den Landtagswahlen Mitte März einreichen, wenn die Flüchtlingszahlen nicht begrenzt würden. Er könne «da nicht opportunistisch handeln und eine Klage unterlassen, nur weil ich befürchten muss, dass mich dafür nicht alle lieben», meinte Seehofer. Der frühere Verfassungsrichter Udo di Fabio hatte in einem Gutachten festgestellt, dass die willkürliche Aufgabe des Schutzes der Grenzen nicht von der Verfassung gedeckt sei. Justizminister Heiko Maas hatte den renommierten Juristen darauf der „geistigen Brandstiftung“ bezichtigt.

Seehofer knöpfte sich auch den Regierungspartner SPD vor. Auf die Frage, ob es für ihn denkbar sei, dass SPD-Chef Sigmar Gabriel die große Koalition platzen lässt, um mit Linken und Grünen den Rest der Wahlperiode zu regieren, antwortete er: «Ich würde bei den Sozialdemokraten gar nichts mehr ausschließen. Ich kann bei ihnen keine Linie erkennen.»

Zuvor hatte Gabriel versucht, den Streit um den Familiennachzug bei Flüchtlingskindern zu entschärfen. Gabriel brachte einen für seine Partei gesichtswahrenden Kompromissvorschlag ins Spiel. So könnte bei minderjährigen Flüchtlingen künftig im Einzelfall entschieden werden, ob sie ihre Eltern nach Deutschland nachholen dürfen. Gabriel forderte die Union auf, am Ende «nach menschlichem Ermessen, nach Nächstenliebe und Verantwortungsbewusstsein» zu entscheiden.

Die Union lehnt Zugeständnisse bislang ab und pocht auf den strikten Regierungsbeschluss. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte am Dienstag im Bayerischen Rundfunk, man könne «nur den Kopf schütteln über so ein närrisches Treiben innerhalb der SPD und von der SPD-Spitze Sigmar Gabriel».

So brachten Gespräche zwischen Bundesinnenministerium (CDU) und Bundesjustizministerium (SPD) keine Annäherung. Von einer «Quadratur des Kreises» war die Rede. CDU und CSU sehen nicht ein, warum sie den eben vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf zum Asylpaket II wieder aufschnüren sollen - nur weil das SPD-geführte Familienministerium im Gesetzestext übersah, dass auch bestimmte jugendliche Flüchtlinge, die allein unterwegs sind, für zwei Jahre ihre Familie nicht nachholen dürfen.

In der Praxis geht es um äußerst geringe Zahlen. Im Jahr 2014 erhielten laut Innenministerium 214 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge eingeschränkten (subsidiären) Schutz. 2015 wurde nach Informationen der FR und der Welt laut vorläufigen Zahlen nur 442 Eltern eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland erteilt, weil sie zu ihrem vorher eingereisten Kind nachzogen.

Grüne und Linke warfen der SPD vor, beim Verteidigen des Asylrechts zu versagen: «Es grenzt an ein Wunder, dass Sigmar Gabriel nach all den Asylrechtsverschärfungen der vergangenen Monate das Wort Nächstenliebe noch ausbuchstabieren kann», sagte Grünen-Chefin Simone Peter.

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