Politik

Kampf gegen TTIP: 40.000 Kläger fechten Freihandel in Karlsruhe an

Mehr als 40.000 Bürger wollen Ceta, das kanadisch-europäische Freihandelsabkommen, verhindern. Gemeinsam streben sie eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an. Den Klägern geht es vor allem um die Vorbildwirkung, die das Abkommen für das geplante TTIP mit den USA hat.
22.02.2016 00:24
Lesezeit: 2 min

Gegner des Freihandelsabkommens Ceta zwischen der EU und Kanada wollen die Vereinbarungen mit einer rekordverdächtigen Verfassungsbeschwerde zu Fall bringen. "Wir haben knapp über 40.000 Vollmachten für eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gesammelt", sagte die Initiatorin Marianne Grimmenstein-Balas der Nachrichtenagentur Reuters und bestätigte damit einen "Spiegel"-Bericht. Demnach hat es noch nie eine Verfassungsklage gegeben, der sich mehr als 40.000 Menschen angeschlossen haben. Das bereits ausgehandelte, aber noch nicht ratifizierte Abkommen gilt als Blaupause für das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU.

Grimmenstein-Balas begründet die geplante Klage unter anderem mit der Befürchtung, durch das Abkommen würden Standards etwa im Verbraucherschutz abgebaut. Bis zum 12. März will sie weitere Vollmachten einsammeln. Die eigentliche Klage soll der Bielefelder Rechtsprofessor Andreas Fisahn ausarbeiten. "Es hilft sehr, dass so viele Bürger die Klage unterstützen, dann werden die Richter sie mit großer Wahrscheinlichkeit zulassen", sagte er dem Spiegel. Grimmenstein-Balas erklärte, die Klage werde wohl in diesem Jahr eingereicht.

Vor der anstehenden zwölften Verhandlungsrunde wirbt die deutsche Wirtschaft unterdessen für ein umfassendes transatlantisches Freihandelsabkommen TTIP. Der Chef des Industrieverbandes BDI, Ulrich Grillo, sagte dem Handelsblatt, ein "TTIP Light", also ein abgespecktes Abkommen, sei keine Lösung. "Die deutsche Wirtschaft hat ein hohes Interesse daran, dass die jetzt beginnende Verhandlungsrunde ein Erfolg wird." Der Maschinenbauverband VDMA betonte, die Branche müsse ein Teil von TTIP bleiben. Gerade für diesen mittelständisch geprägten Wirtschaftszweig sei es der Freihandelsvertrag unbedingt notwendig, um Handelshemmnisse abzubauen. Der US-Handelsbeauftragte Michael Froman warnte vor einem Scheitern der Gespräche. Das würde Deutschlands Wohlstand gefährden, sagte er der "Bild am Sonntag".

"Derzeit geht es Deutschland wirtschaftlich gut, aber kein Land sollte sich auf dem Status quo ausruhen", sagte er. Der globale Handel werde weiter wachsen, deswegen müssten Europa und die USA alles versuchen, um eine Führungsrolle zu übernehmen. Die Verbraucher profitierten von der Abschaffung von Zöllen, weil dadurch Waren günstiger angeboten werden könnten.

Bei der nun anstehenden Verhandlungsrunde zu TTIP wollen die Europäer in zwei zentralen und besonders umstrittenen Bereichen Neues auf den Tisch legen. Zum einen geht es um den Investitionsschutz, also das Verfahren, wie Konflikte zwischen Unternehmen und Staaten beigelegt werden sollen. Bislang wurde hier über private, wenig transparente Schiedsgerichte gesprochen.

Der neue EU-Vorschlag sieht nun vor, dass Berufsrichter solche Streits außerhalb der üblichen Gerichtsbarkeit lösen sollen. Doch Experten wie die CEO-Sprecherin Pia Eberhardt sehen in dem Vorschlag keine Verbesserung, sondern erwarten, dass damit eine Zwei-Klassen-Gerichtsbarkeit entsteht - mit unabsehbaren Risiken für die Staaten und Steuerzahlern. 

Der zweite Punkt ist die regulatorische Zusammenarbeit, bei der es um die Abstimmung der Aufsichtsbehörden auf beiden Seiten des Atlantiks geht. Kritiker befürchten hier ein Aushebeln demokratischer Rechte, eine Schmälerung von Parlamentskompetenzen bei nationalen Gesetzgebungen. Ziel sei es, bis Jahresende eine Vereinbarung zu erreichen, sagte US-Unterhändler Froman. "Wir setzen von unserer Seite alles daran, es bis zum Winter zu schaffen."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie „Mein alter Job als Softwareentwickler ist weg“ – Jentic-Chef über selbstprogrammierende KI-Agenten
19.04.2025

Der irische Tech-Unternehmer Sean Blanchfield ist überzeugt, dass KI-Agenten menschliche Programmierer und Softwareentwickler zunehmend...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt „We don’t believe in Outsourcing“ – Klöber zeigt, wie Produktion in Deutschland wieder gelingt
18.04.2025

Sitzen, aber richtig: Der Büromöbelhersteller aus Owingen setzt auf Inhouse-Produktion, recycelte Materialien und digitale Innovation –...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 und die Illusion von sicheren, langfristigen Renditen
18.04.2025

Der amerikanische Aktienmarkt befindet sich in turbulenten Zeiten. Angesichts der unvorhersehbaren Handelspolitik von Präsident Donald...

DWN
Finanzen
Finanzen Wertvoller Schmuck im Fokus: So sichern Sie Ihre teuren Schmuckstücke ab
18.04.2025

Die Absicherung wertvoller Schmuckstücke wird immer wichtiger – Hausrat reicht oft nicht aus. Experten raten zu gezieltem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnen in Dänemark: Wie Sie mit etwas Hygge ein Haus günstig kaufen können
18.04.2025

Nachdem es 2023 und 2024 in Deutschland zum ersten Mal seit 2013 spürbare Wertverluste auf dem Immobilienmarkt gab, kündigten Experten...

DWN
Finanzen
Finanzen USA: Staatsverschuldung erreicht 36,6 Billionen Dollar – wer sind die Gläubiger?
18.04.2025

Die Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten hat mit 36,6 Billionen Dollar einen neuen Höchststand erreicht und wächst in den letzten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Online-Handel unter Druck: Steigende Erwartungen, weniger Spielraum für Fehler
18.04.2025

Der digitale Handel erlebt 2025 einen Wendepunkt: Kunden erwarten Perfektion, während lokale Anbieter ums Überleben im globalen...

DWN
Panorama
Panorama Nach Corona: Aufwärtstrend bei Amateurmusik - Deutsche musizieren wieder
18.04.2025

Den Flohwalzer klimpern, ein Liebeslied singen, auf der Gitarre schrammeln – Hobbymusik hat viele Facetten. Doch wie viele Menschen...