Politik

Erdogan: EU-Kritik an der Türkei ist Provokation

Der türkische Präsident Erdogan hat einen EU-Bericht zur Lage der Menschenrechte in der Türkei als Provokation zurückgewiesen. Erdogan sagte, die EU brauche die Türkei in der Flüchtlingsfrage mehr als die Türkei die EU. Zugleich erhöht die Türkei den Druck auf die EU wegen des visafreien Reisens.
19.04.2016 16:29
Lesezeit: 2 min

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hält Kritik aus der EU an seiner Regierung für unangebracht und kontraproduktiv. Der jüngste Bericht des EU-Parlaments zu Demokratiedefiziten in der Türkei sei eine Provokation, sagte Erdogan am Dienstag bei einer Rede vor Lokalpolitikern in Ankara laut AFP.

Erdogan machte klar, dass die EU aus seiner Sicht nicht gut beraten sei, die Türkei zu kritisieren: Erdogan verwies auf die Zusammenarbeit der Türkei mit der EU zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen in Europa: „Die Europäische Union braucht die Türkei mehr als die Türkei die Europäische Union braucht“, sagte er. In einer Zeit, in der die Beziehungen zwischen Ankara und Brüssel auf einem guten Weg seien, sei es „provokativ, einen solchen Bericht zu veröffentlichen“, sagte der türkische Präsident.

Das EU-Parlament hatte das Vorgehen der türkischen Behörden gegen Journalisten und Regierungskritiker in der vergangenen Woche scharf kritisiert. Die EU-Volksvertreter zeigten sich „sehr besorgt“ über Rückschritte bei der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit. Sie wiesen insbesondere auf die Beschneidung der Meinungs- und Pressefreiheit sowie der Unabhängigkeit der Justiz in der Türkei hin.

Der türkische Ministerpräsident Davutoglu lobte bei einem Besuch der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg die Fortschritte bei der Umsetzung des Flüchtlingsabkommens. Der Plan zeige erste Erfolge, sagte Davutoglu. Die Zahl der Flüchtlinge, die von der Türkei aus mit Booten in Richtung Griechenland aufbrächen, sei deutlich gesunken – auf durchschnittlich etwa 60 pro Tag.

Er warnte jedoch, dass die Türkei ihre Verpflichtungen nicht mehr einhalten werde, falls die EU ihre Zusage zur Umsetzung der Visafreiheit nicht einhalten sollte. Er rechne damit, dass die Visumspflicht für türkische Bürger im Juni aufgehoben werde, hatte Davutoglu vor seiner Abreise nach Straßburg gesagt. Sollte dies nicht der Fall sein, sehe sich die Türkei nicht länger in der Pflicht, ihre Zusagen einzuhalten.

Die Visa-Liberalisierung soll mit einer Klausel versehen werden, um die Visafreiheit relativ schnell wieder aufzuheben, falls Ankara seinen Verpflichtungen nicht nachkomme. Für die Türkei ist die Visafreiheit ein wichtiger Punkt der Vereinbarung, weshalb die Bemerkungen von Davotuglu eher verhandlungstaktischer Natur sein dürfte. Die EU-Kommission wird am Mittwoch den neuen Fortschrittsbericht für die Türkei vorstellen.

Der türkische Regierungschef warnte in Straßburg außerdem vor einer zunehmenden Islamfeindlichkeit in Europa. Die jüngsten Anschläge seien schockierend. Sie müssten mit einem „globalen Ansatz“ bekämpft werden, sagte Davutoglu. Dies gelte für alle Anschläge, egal ob sie in Paris, Brüssel oder Istanbul verübt worden seien. Diese „terroristischen“ Taten dürften aber nicht „religiös begründet“ werden. Wer dies tue, schüre die Islamfeindlichkeit, warnte Davutoglu. Damit werde ein Nährboden für Extremisten geschaffen.

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Exporte überraschen - Fokus auf die USA
09.05.2025

Trotz des anhaltenden Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten sind Chinas Exporte überraschend robust geblieben. Der Außenhandel mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Reiche fordert den Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland
09.05.2025

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche setzt auf einen schnellen Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland. Die Gründe dafür...

DWN
Politik
Politik Putins Parade: Moskau feiert "Tag des Sieges" – Europas Spaltung auf dem Roten Platz sichtbar
09.05.2025

Während Putin mit Pomp den „Tag des Sieges“ feiert, marschieren zwei europäische Regierungschefs an seiner Seite – trotz Warnungen...

DWN
Panorama
Panorama Der stille Anti-Trump? Internationale Reaktionen auf Papst Leo XIV.
09.05.2025

Mit der Wahl von Robert Francis Prevost zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche übernimmt erstmals ein Amerikaner das Papstamt. Welche...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie nach Dividendenabschlag im Minus – Chance für Anleger?
09.05.2025

Die Allianz-Aktie zählt 2025 zu den Top-Performern im DAX – doch am Freitagmorgen sorgt ein deutlicher Kursrückgang für Stirnrunzeln...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch zur Eröffnung am Freitag
09.05.2025

Zum Handelsbeginn am Freitag hat der DAX ein frisches DAX-Rekordhoch erreicht. Die im April gestartete Erholungswelle nach dem ersten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Insolvenzen in Deutschland steigen nur noch geringfügig an - ist das die Trendwende?
09.05.2025

Der Anstieg der Insolvenzen in Deutschland hat sich im April deutlich verlangsamt. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Monatsvergleich...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie profitiert von starkem Jahresauftakt - und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag leicht zugelegt. Das deutsche Geldhaus überraschte mit einem...