Politik

EU meldet Fortschritte bei Umsetzung des Türkei-Deals

Die EU-Kommission sieht Fortschritte in der Umsetzung des Flüchtlingsdeals mit der Türkei. Allerdings räumt die EU ein, dass auf beiden Seiten noch wichtige Schritte fehlen.
20.04.2016 13:24
Lesezeit: 4 min

Europäische Kommission - Pressemitteilung

Bewältigung der Flüchtlingskrise: Bericht der Kommission über die Umsetzung der Erklärung EU-Türkei

Brüssel, 20. April 2016

Bewältigung der Flüchtlingskrise: Bericht der Kommission über die Umsetzung der Erklärung EU-Türkei

Die Kommission hat heute einen Bericht über die Umsetzung der Erklärung EU-Türkei vorgelegt. Darin kommt sie zu dem Schluss, dass bei der operativen Umsetzung der Erklärung gute Fortschritte zu verzeichnen sind. Weitere Anstrengungen und Verpflichtungen sind nun erforderlich, um die Ergebnisse zu konsolidieren und für eine nachhaltige Rückführung und Neuansiedlung zu sorgen, insbesondere, da diese Phase der Umsetzung größtenteils noch in der Zukunft liegt. Am 18. März 2016 sind die Staats- und Regierungschefs der EU und der Türkei übereingekommen, der irregulären Migration aus der Türkei in die EU ein Ende zu setzen und stattdessen legale Wege zur Neuansiedlung von Flüchtlingen in der Europäischen Union zu schaffen. Dieser neue Ansatz hat zu ersten Ergebnissen geführt, wie der deutliche Rückgang der Zahl der Personen, die aus der Türkei irregulär über die Ägäis nach Griechenland übersetzen, zeigt. Bei dem heute vorgelegten Bericht handelt es sich zudem um den vierten Bericht über die Umsetzung des Gemeinsamen Aktionsplan EU-Türkei vom 29. November 2015.

Der Erste Vizepräsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, erklärte dazu: „Das erste Ergebnis unserer Zusammenarbeit mit der Türkei ist die klare die Botschaft, dass Menschen, die sich an Schleuser wenden, die falsche Entscheidung treffen. In den letzten drei Wochen haben wir einen starken Rückgang der Zahl der illegal ankommenden Migranten gesehen. Dieser Rückgang muss nun mit der Eröffnung eines legalen Wegs zur Neuansiedlung schutzbedürftiger Menschen einhergehen. Trotz der guten Fortschritte in den ersten Phasen der Umsetzung wird die Kommission nicht in ihrem Engagement nachlassen, sondern weiterhin darauf hinarbeiten, die vollständige und rechtzeitige Verwirklichung aller Elemente der Erklärung EU-Türkei zu gewährleisten. Dazu zählen u. a. Projekte für Flüchtlinge aus Syrien, die sich in der Türkei aufhalten, die Visaliberalisierung und die Achtung des EU- und des Völkerrechts.“

In ihrem heute vorgelegten Bericht kommt die Kommission zu dem Schluss, dass seit dem 18. März gute Fortschritte erzielt wurden. Dank der Anstrengungen der griechischen und der türkischen Regierung, der Kommission, der Mitgliedstaaten und der EU-Agenturen konnte die operative Umsetzung der Erklärung vorangebracht werden:

Die Rückführung irregulärer Migranten in die Türkei ist am 4. April angelaufen. Bisher wurden 325 Migranten, die nach dem 20. März irregulär über die Türkei nach Griechenland gelangt waren, auf der Grundlage der Erklärung in die Türkei rückgeführt. Wir begrüßen es, dass Griechenland und die Türkei eine Reihe von Gesetzesänderungen vorgenommen haben, um die uneingeschränkte Achtung des EU- und des Völkerrechts zu gewährleisten. Im Rahmen von Frontex werden inzwischen 318 Begleitbeamte und 21 Experten für die Rückübernahme auf den griechischen Inseln eingesetzt, um die Rückführung zu unterstützen. Zusätzlich dazu hat die Türkei insgesamt 25 türkische Verbindungsbeamte an die griechischen Hotspots entsandt. Im Gegenzug sind fünf griechische Verbindungsbeamte an den Ankunftsstellen in der Türkei im Einsatz.

Die ersten Neuansiedlungen aus der Türkei auf der Grundlage der Erklärung erfolgten am 4. und 5. April. Bisher wurden 103 syrische Flüchtlinge im Rahmen der 1:1-Regelung in der EU neuangesiedelt. In enger Zusammenarbeit zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten, dem EASO, dem UNHCR und der Türkei wurden Standarddurchführungsverfahren entwickelt, die nun fertiggestellt und verabschiedet werden müssen.

Griechenland hat ein beschleunigtes Verfahren zur Bearbeitung von Asylanträgen vor Ort auf den Inseln eingerichtet, das alle Bearbeitungsphasen von der ersten Anhörung bis hin zu möglichen Rechtsbehelfen abdeckt. Griechenland hat bereits im Einklang mit den Anforderungen der Richtlinie über Asylverfahren Sachbearbeiter und Polizeibeamte auf die Inseln entsandt. Das EASO hat seinerseits 60 Asylbeamte und 27 Dolmetscher auf die griechischen Inseln entsandt, um die Bearbeitung der Asylanträge zu unterstützen.

Die Kommission wird am 4. Mai ihren dritten Fortschrittsbericht zum Thema Visaliberalisierung für die Türkei vorlegen, dem – sofern die Türkei die erforderlichen Maßnahmen zur Erfüllung der verbleibenden Benchmarks ergreift – ein Legislativvorschlag über die Aufnahme der Türkei in die Liste der visumbefreiten Länder beigefügt wird.

Die Programmierung und Projektvorbereitung im Rahmen der Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei wurden beschleunigt. Zusätzlich zu der 1 Mrd. EUR aus dem EU-Haushalt haben 16 EU-Mitgliedstaaten mittlerweile ihre Beitragszertifikate eingereicht, die 1,61 Mrd. EUR des für den Zeitraum 2016-2017 zugesagten Betrags von 2 Mrd. EUR abdecken. Die ersten Verträge im Rahmen der Fazilität in Höhe von 77 Mio. EUR wurden am 4. März unterzeichnet, und die ersten Auszahlungen erfolgten am 18. März.

Die guten Fortschritte in der Anfangsphase der Umsetzung müssen in den nächsten Phasen fortgesetzt und weiter verstärkt werden. Die Kommission wird sich weiterhin uneingeschränkt an der Umsetzung sämtlicher Elemente der Erklärung beteiligen. Die Mitgliedstaaten müssen ihre Anstrengungen zur Unterstützung Griechenlands weiter verstärken, insbesondere aufgrund der Notwendigkeit, Kindern und anderen besonders schutzbedürftigen Gruppen spezielle Aufmerksamkeit zu schenken. Im Hinblick auf die Neuansiedlung und die Umverteilung sind weitere Zusagen und tatsächliche Aufnahmen erforderlich, und auch die EU-Agenturen bedürfen einer verstärkten Unterstützung. Die Mitgliedstaaten, die bisher im Rahmen der Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei keine Beitragszertifikate eingereicht haben, sollten dies so schnell wie möglich tun.

Die Türkei muss ebenfalls weitere Anstrengungen unternehmen, um zu gewährleisten, dass diejenigen Flüchtlinge, die internationalen Schutz benötigen, die Art von Unterstützung erhalten (auch im Rahmen der Fazilität), die sie am dringendsten brauchen. Das Land muss außerdem die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um bis Ende April die noch verbliebenen Benchmarks des Fahrplans für die Visaliberalisierung zu erfüllen, damit spätesten bis Ende Juni 2016 die Visumpflicht für türkische Staatsangehörige aufgehoben werden kann.

Die Kommission wird Anfang Juni 2016 ihren zweiten Bericht über die Fortschritte bei der Umsetzung der Erklärung EU-Türkei vorlegen.

Hintergrund

Gemäß der Erklärung EU-Türkei sollten ab 20. März 2016 alle neuen irregulären Migranten und Asylsuchenden, die aus der Türkei auf den griechischen Inseln ankommen und deren Asylanträge für unzulässig erklärt werden, in die Türkei rückgeführt werden. Mit dieser vorübergehenden und außerordentlichen Maßnahme soll das menschliche Leid beendet und deutlich gemacht werden, dass die von den Schleusern angebotenen Routen keinen Erfolg versprechen.

Gemäß der Erklärung wird für jeden von den griechischen Inseln in die Türkei rückgeführten Syrer im Gegenzug ein Syrer aus der Türkei in der EU neu angesiedelt. Im Rahmen der bestehenden Verpflichtungen wird dabei den Migranten Vorrang eingeräumt, die noch nicht illegal in die EU eingereist sind, oder dies versucht haben.

Die Umsetzung der Vereinbarung erfordert gewaltige Anstrengungen aller Beteiligten, vor allem Griechenlands. Griechenland und die Türkei tragen die Verantwortung für die Umsetzung der Vereinbarung. Die Behörden der beiden Länder haben die Aufgabe, die erforderlichen rechtlichen und operativen Maßnahmen zu treffen und in allen Phasen für die Achtung des EU- und des Völkerrechts zu sorgen. Die Kommission arbeitet eng mit den griechischen und den türkischen Behörden zusammen, um durch die notwendigen Verbesserungen der praktischen und logistischen Vorkehrungen und die Verstärkung der Humanressourcen eine reibungslose Durchführung der Rückführung zu gewährleisten. Sie unterstützt Griechenland mit Beratung, Know-how und Mitteln aus dem EU-Haushalt. Präsident Juncker hat unverzüglich einen EU-Koordinator ernannt und die Verstärkung des bereits vor Ort in Griechenland tätigen Teams der Kommission veranlasst. Der EU-Koordinator ist zuständig für die Koordinierung der Unterstützung der griechischen Behörden durch die Kommission, die EU-Agenturen und die anderen EU-Mitgliedstaaten sowie für die Koordinierung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Durchführung des Programms zur Neuansiedlung aus der Türkei.

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