Gemischtes

Autonomes Fahren: Autofahrer wollen nicht auf Fahrspaß verzichten

Die überwiegende Mehrheit der Deutschen lehnt selbstfahrende Autos derzeit ab, weil ihnen dabei der Fahrspaß verloren geht. Auch von einer schnellen Gewöhnung an autonome Fahrzeuge im Straßenverkehr ist nicht auszugehen. Die Stimmung erinnert an die Zeit der Einführung von Mobiltelefonen.
30.05.2016 08:37
Lesezeit: 2 min

Laut einer aktuelle Expertenbefragung durch die internationale Technologie- und Innovationsberatungsgesellschaft Invensity gehen im Augenblick 62 Prozent der 85 befragten Fach- und Führungskräfte davon aus, dass die meisten Autofahrer Freude daran haben, selbst zu fahren. Ihr momentaner Eindruck: Noch überwiegt unter den Fahrern die Skepsis vor zu viel Technik.

Die Experten vertreten zudem laut Umfrage überwiegend (57 Prozent) die Meinung, dass die meisten Menschen in Deutschland zumindest derzeit kein Interesse haben, selbst in einem Auto zu sitzen, dass sich automatisch ans Ziel steuert. Allerdings räumen beinahe zwei Drittel ein, dass sich dadurch die Sicherheit auf den Straßen erhöhen würde. Das „Automatik-Auto“ als Mittel zum Zeitsparen - beispielsweise könnte der Wagen die Kinder alleine zur Schule fahren usw. - stufen 47 Prozent der Experten als zutreffend ein; 53 Prozent halten das für „Unsinn“.

„Dieses Umfrageergebnis gibt allerdings nur den heutigen Stand wider und berücksichtigt nicht, dass die meisten noch nicht die Gelegenheit hatten, sich von einem selbstfahrenden Auto eventuell auch begeistern zu lassen“, so Paul Arndt, Ressortleiter des Kompetenzzentrum Cyber Security bei Invensity, ein.

Auch bei der entscheidenden Frage, ob wir uns nicht alle einfach in den nächsten Jahren und Jahrzehnten an die selbstfahrenden Autos schlichtweg gewöhnen werden, seien die befragten Fachleute überwiegend skeptisch, so der Invensity Principal Consultant weiter. Laut Umfrage geht zwei Drittel nicht davon aus, dass sich die Bevölkerung „einfach so“ an die Selbstfahrer auf den Straßen gewöhnen wird. Die Frage, ob die meisten Menschen die „Autos ohne Fahrer“ als „unheimlich“ empfinden werden, bejahen immerhin nur 39 Prozent der Experten. Auch die Angst davor, dass die computergesteuerten Automobile verstärkt zu Unfällen führen werden, ist auf rund ein Viertel (26 Prozent) der Befragten begrenzt.

Unentschlossenheit schließt Alltagstauglichkeit nicht aus

„Die Umfrageergebnisse drücken eine gewisse Unentschlossenheit aus“, sagt Arndt. Er zieht einen historischen Vergleich zur Mobilkommunikation:

„Alle Umfragen in Deutschland zum Thema Handy bevor die Geräte allgemein verfügbar wurden, hatten einen klaren Tenor: Es gibt keinen Bedarf an mobilen Telefonen, weil man bislang auch ohne sie auskam, weil sie teuer sind, und weil die ständige Erreichbarkeit nicht wünschenswert ist. Heute wissen wir es besser: Kaum noch jemand will privat wie beruflich die Mobilkommunikation missen. Möglicherweise erleben wir bei selbstfahrenden Autos eine ähnliche Entwicklung. Dann würden selbstfahrende Fahrzeuge so sehr zum Alltag gehören wie heute das Smartphone.“

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will das automatisierte Fahren mit computergesteuerten Autos auf deutschen Straßen unterdessen weiter vorantreiben. Dafür soll eine Kommission „ethische Fragen beim Paradigmenwechsel vom Autofahrer zum Autopilot“ klären. Mit Beteiligung von Vertretern aus Wissenschaft, Auto- und Digitalbranche soll diese Kommission Leitlinien für Algorithmen entwickeln, nach denen Autos in Risikosituationen reagieren. Hierfür soll etwa gelten: „Ein Sachschaden ist einem Personenschaden immer vorzuziehen.“

Das entsprechende Strategiepapier enthalte der Zeitung Welt zufolge konkrete Vorschläge, wie Deutschland fit für autonome Autos gemacht werden solle. Dobrindt wolle unter anderem das Straßenverkehrsgesetz ändern. Künftig solle demnach rechtlich kein Unterschied zwischen einem Autopiloten und einem menschlichen Fahrer gemacht werden. In dem Gesetzentwurf „schreiben wir erstmals fest, dass automatisierte Systeme mit voller Kontrolle über ein Fahrzeug dem Fahrer rechtlich gleichgestellt werden“, zitiert das Blatt Dobrindts Ministerium.

Das Bundeskabinett hatte Mitte April eine Erweiterung der rechtlichen Grundlagen für das automatisierte Fahren beschlossen. Demnach dürfen Computer selbstständig neue Aufgaben übernehmen. Die Systeme müssen aber so gestaltet sein, dass Fahrer sie jederzeit übersteuern oder abschalten können. Dies betrifft etwa Brems- und Spurhalteassistenten oder Systeme, bei denen der Fahrer auf der Autobahn für einige Zeit die Hand vom Lenkrad nehmen kann. Darüber hinaus peilt Dobrindt Rechtsänderungen an, die den Weg für Systeme ohne Fahrer ebnen.

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Unser neues Magazin ist da: Kapital und Kontrolle – wem gehört Deutschland?
19.07.2025

Deutschland ist reich – doch nicht alle profitieren. Kapital, Einfluss und Eigentum konzentrieren sich zunehmend. Wer bestimmt wirklich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung: Wann Verspätungszuschläge unzulässig sind
19.07.2025

Viele Steuerzahler ärgern sich über Verspätungszuschläge, wenn sie ihre Steuererklärung zu spät abgeben. Doch nicht immer ist die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...