Die AFP berichtet von verstärkten Öffentlichkeits-Initiativen der EU im Vorfeld des Referendums um einen Austritt Großbritanniens. Angesichts verbreiteter EU-Skepsis haben führende EU-Vertreter eine Beschränkung der Union auf wesentliche Aufgaben gefordert. Ein Szenario, in dem „antiliberale und euroskeptische politische Kräfte triumphieren“, müsse unbedingt vermieden werden, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Mittwochabend in Brüssel. Dazu müssten die EU-Verteidiger aber „utopische Träume“ einer „totalen Integration“ begraben und „praktische“ Politik betreiben.
Tusk nannte bei einem Treffen mit Wirtschaftsvertretern als Beispiele die Sicherung der EU-Außengrenzen in der Flüchtlingskrise oder die Vollendung der Bankenunion. „Lyrische und de facto naive, euro-enthusiastische Visionen“ durchzusetzen, sei „keine passende Antwort auf unsere Probleme“, sagte Tusk. Dies werde nur zu einer weiteren Stärkung der EU-Skeptiker führen - nicht nur in Großbritannien, sondern auch andernorts.
Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderte, Europa müsse sich „auf die großen Fragen“ konzentrieren. Die EU habe sich in der Vergangenheit zu sehr in die Probleme von Staaten und Regionen eingemischt, sagte Juncker in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit dem Spiegel. „Ich glaube, zu viel Europa überall endet damit, dass es Europa tötet. Genauso würde aber auch zu wenig Europa Europa töten.“
Juncker hat seine Argumentation im Vergleich zu den vergangenen Wochen modifiziert. Noch vor kurzem hatte Juncker die Briten gewarnt, dass ein Sieg der EU-Gegner gravierende Folgen für Großbritannien haben werde: „Wer den Tisch verlässt, darf auch nicht mehr vom Tisch essen“, wird er vom WDR zitiert.
Die Briten stimmen am 23. Juni über den Verbleib in der EU ab. Der britische Premierminister David Cameron hat im Vorfeld von seinen EU-Kollegen eine Reihe von Reformzusagen erhalten, wenn Großbritannien Mitglied bleibt. Dazu gehört auch die Garantie, dass die Formulierung einer „immer engeren Union“ aus den EU-Verträgen keinen Mitgliedstaat zwingt, an einer weiteren politischen Vertiefung teilzunehmen.