Politik

Frankreich: Sogar die Linken werfen der Regierung Hollande Lügen vor

Frankreichs Sozialisten werden wegen des Anschlags in Nizza sogar schon aus dem linken Lager der Lüge bezichtigt: Das Innenministerium soll Druck aufgebaut haben, damit die Berichte über die Sicherheitsvorkehrungen geschönt werden.
26.07.2016 00:42
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Fabian Erik Schlüter von der AFP bringt einen interessanten Bericht über die schwierige Lage der französischen Regierung nach Vorwürfen, sie habe über die Sicherheitsvorkehrungen in Nizza nicht die Wahrheit gesagt:

Die Franzosen hat Bernard Cazeneuve bislang mit seiner unerschütterlichen Ruhe beeindruckt. Ob nach den Anschlägen in Paris im vergangenen Jahr oder nach dem Blutbad von Nizza am 14. Juli – stets wandte Frankreichs Innenminister sich mit sachlicher Stimme an die Öffentlichkeit, nüchtern, unaufgeregt, präzise.

Am Sonntagabend aber redete sich der Sozialist richtiggehend in Rage: Von einer „niederträchtigen Kampagne“ gegen ihn sprach er in den Abendnachrichten, von „Lügen“ und „niederen politischen Manövern“, von denen er „zutiefst angewidert“ sei.

Bei dem 53-Jährigen liegen die Nerven offenbar blank. Nicht nur ist der Innenminister als „oberster Polizist“ Frankreichs für die Sicherheit in einem Land verantwortlich, in dem bei islamistischen Attacken seit Anfang 2015 mehr als 230 Menschen getötet wurden.

Vor allem aber ist Cazeneuve seit dem Anschlag von Nizza zunehmend unter Druck und in die Kritik geraten, zuletzt wurden in den Reihen der Opposition Rücktrittsforderungen laut. Der Minister soll, so der Vorwurf, falsche Angaben, ja sogar Lügen, zu den Sicherheitsvorkehrungen gemacht haben, mit denen am 14. Juli in Nizza die Feierlichkeiten zum französischen Nationalfeiertag gesichert wurden.

Nicht nur der konservative Regionalpräsident und frühere Bürgermeister von Nizza, Christian Estrosi, auch die linksgerichtete Tageszeitung „Libération“ haben der Pariser Regierung „Lügen“ vorgeworfen. Im Kern geht es um die Frage, wieviele Polizisten mit welchen Mitteln die Strandpromenade sicherten, auf der ein 31-jähriger Islamist mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge raste.

Am Wochenende spitzte sich der Streit noch einmal zu: In einem Zeitungsinterview erhob die Leiterin der Videoüberwachung bei der städtischen Polizei von Nizza schwere Vorwürfe gegen das Innenministerium. Ein Ministeriumsvertreter habe Druck auf sie ausgeübt, damit sie ihren Bericht zu dem Anschlag frisiere – sie solle Polizisten auch dort verorten, wo sie auf den Videoaufnahmen gar nicht zu sehen sind.

Cazeneuve hat diese Darstellung empört zurückgewiesen und eine Anzeige wegen Verleumdung gegen die Frau angekündigt. Zudem wurde bekannt, dass die Polizistin in der Vergangenheit in den sozialen Netzwerken wiederholt dem jetzigen Cazeneuve-Gegenspieler Estrosi ihre Unterstützung aussprach, was ihren Vorwürfen einen politischen Beigeschmack verleiht.

Cazeneuves Ansehen nimmt trotzdem weiteren Schaden. Staatschef François Hollande sah sich in den vergangenen Tagen wiederholt genötigt, sich demonstrativ hinter seinen Innenminister zu stellen. Er will den Gefolgsmann nicht verlieren, der durch fleißige Arbeit und Loyalität nach und nach zu einem seiner wichtigsten Mitarbeiter geworden ist.

Der frühere Anwalt, der gerne Anzüge mit Einstecktuch trägt, war nach Hollandes Wahlsieg 2012 zunächst Europastaatssekretär geworden. Als Haushaltsminister Jérôme Cahuzac im folgenden Jahr wegen eines Schwarzgeldkontos zurücktreten musste, übernahm Cazeneuve den schwierigen Posten und verschaffte sich schnell Respekt.

Im April 2014 wurde er schließlich Innenminister, als Amtsinhaber Manuel Valls zum Premier ernannt wurde – auch hier bekam Cazeneuve schnell viel Lob. Das änderte sich auch nicht nach den Anschlägen auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ im Januar 2015 und den Anschlägen vom 13. November mit 130 Toten. Cazeneuve – ein begeisterter Rosenzüchter – wurde als unaufgeregter Krisenmanager gepriesen.

Nun steht er im Zentrum eines Streits, dessen Ausgang offen ist. Von einem Rücktritt will Cazeneuve aber nichts wissen: „Man zieht sich nicht aus dem Kampf gegen den Terrorismus und für die Republik zurück – man führt ihn bis zum Ende“, sagte er kürzlich. „Man lässt seine Truppen nicht im Stich.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...

DWN
Politik
Politik Gasförderung Borkum: Kabinett billigt Abkommen mit den Niederlanden
02.07.2025

Die Bundesregierung will mehr Gas vor Borkum fördern und stößt damit auf heftigen Widerstand von Umweltschützern. Das Vorhaben soll...

DWN
Immobilien
Immobilien Klimaanlage einbauen: Was Sie vor dem Kauf wissen müssen
02.07.2025

Die Sommer werden heißer – und die Nachfrage nach Klimaanlagen steigt. Doch der Einbau ist komplizierter, als viele denken. Wer nicht in...