Unternehmen

Niedrigzins: Firmen müssen mehr Geld für Pensionen zurückhalten

Eigentlich sollen die niedrigen Zinsen die Banken dazu ermutigen, mehr Kredite an Unternehmen zu vergeben. Doch tatsächlich schaden sie den Unternehmen eher, als das sie ihnen nützen. Unternehmen müssen jetzt insgesamt deutlich mehr Geld für ihre Pensionszusagen zurücklegen als früher.
06.08.2016 23:26
Lesezeit: 2 min

Grund dafür sind die ursprünglich gemachten Pensionsversprechen. Denn weil die Firmen weniger Zinsen für ihr Geld erhalten, müssen sie selbst mehr zurückstellen, um ihren Verpflichtungen später nachkommen zu können. So stieg die Zahl der Rückstellungen zwischen 2008 und 2014 von 22.000 auf 37.000 Euro pro Kopf, wie eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zeigt. Der Rückgang des Zinssatzes um einen Prozentpunkt führt dabei zu einer Erhöhung der Pensionsrückstellungen um 14 bis 17 Prozent!

Darüber hinaus sind die Unternehmen jedoch doppelt gestraft. Denn der Fiskus hat keine Angleichung der Steuern aufgrund der eben geschilderten Mehrbelastung durchgeführt. „Das Steuerrecht geht weiterhin von deutlich höheren Zinsen auf die Geldanlagen aus. Im Ergebnis müssen die Firmen deshalb Steuern auf fiktive Gewinne zahlen“, so das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Letztlich erhalten die Unternehmen zwar nach einer gewissen Zeit das Geld zurück, doch die zwischenzeitliche Mehrbelastung ist Tobias Hentze vom IW zufolge brandgefährlich.

„Den Unternehmen fehlt es an Liquidität, weil sie zu viel Geld ans Finanzamt abführen müssen“, so Hentze. „Also schieben sie Investitionen auf oder verzichten ganz auf sie.“ Letztlich gefährde das aber Arbeitsplätze und im schlimmsten Fall können Firmen zahlungsunfähig werden, während der Staat ein zinsloses Darlehen von ihnen bekomme. Insgesamt ergibt sich aus der Besteuerung der fiktiven Gewinne eine Mehrbelastung der Unternehmen zwischen 20 bis 25 Milliarden Euro.

Denn der sinkende HGB-Rechnungszins (Handelsgesetzbuch) und die somit steigenden Pensionsrückstellungen belasten dem IW zufolge die Unternehmen über verschiedene Wirkungskanäle: „Aufgrund der geringeren Eigenkapitalquote – verstärkt durch eine höhere Kreditaufnahme – kann es zu einer Verschlechterung der Finanzierungskonditionen kommen. Eine schlechtere Bonitätseinstufung führt zu höheren Risikoaufschlägen und damit zu höheren Fremdkapitalzinsen (Jeske, 2009, 1410). Zudem rückt der gesunkene operative Gewinn die Ertragslage des Unternehmens in ein schlechteres Licht.“

Doch das ist nicht das einzige Risiko. Der Unterschied zwischen dem steuer- und handelsrechtlichen Zinssatz verringert zwischenzeitlich die Liquidität der Unternehmen. „Zwar kommt es trotz der Differenz im Zeitverlauf ohne Berücksichtigung von steuerrechtlichen Änderungen nominal zu einer identischen Steuerzahlung, sobald die Pensionsrückstellungen vollends aufgelöst sind, allerdings ist der Zeitpunkt der Besteuerung unterschiedlich. Es werden somit fiktive Unternehmensgewinne besteuert.“, heißt es in der Studie.

Je nach Branche fallen die hohen Rückstellungen aber unterschiedlich schwer aus. Im Energiesektor und im Bereich der technischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Dienstleistungen sind die Rückstellungen sehr hoch. In der Industrie liegen diese mit rund 25.000 Euro pro Kopf im Mittelfeld. Am geringsten fallen sie im Verkehr aus.

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Technologie
Technologie Erkennen Sie schnell instabile Li-Ion-Batterien

Brady Corporation bietet eine neue, kostengünstigere Lösung an, um instabile Li-Ion-Batterien im Lager schnell und einfach zu erkennen....

 

DWN
Politik
Politik Merz drängt auf Asylwende: "Werden diese Anträge einbringen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt“
24.01.2025

CDU-Kanzlerkandidat Merz will eine Kehrtwende in der Asylpolitik und dafür Anträge zur Eindämmung der illegalen Migration im Bundestag...

DWN
Technologie
Technologie Energieimport Deutschland: 80 Milliarden Euro für fossile Brennstoffe!
24.01.2025

Energieimport Deutschland: Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen kostet das Land astronomische Summen, während gleichzeitig die...

DWN
Politik
Politik Wen soll ich wählen 2025? Die Folgen der tödlichen Messerattacke in Aschaffenburg
24.01.2025

Wen soll ich wählen bei der Bundestagswahl 2025? Diese Frage stellen sich gerade Millionen Deutsche. Einige wissen die Antwort bereits,...

DWN
Finanzen
Finanzen Erben und Vererben - steuerliche Aspekte im Überblick
24.01.2025

Erbschaften und Schenkungen sind in Deutschland nicht nur mit emotionalen, sondern auch mit steuerlichen Herausforderungen verbunden....

DWN
Politik
Politik Trump gibt Selenskyj Kriegsmitschuld: "Hätte das nicht tun müssen"
24.01.2025

Für Donald Trump liegt die Verantwortung für die Eskalation des Ukraine-Kriegs auch beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj....

DWN
Unternehmen
Unternehmen KI-Betrug: Nur 22 Prozent der Unternehmen schützen sich
24.01.2025

KI-Betrug wird 2025 zur größten Bedrohung für Unternehmen. Deepfakes und andere KI-gestützte Betrugstechniken nehmen in Deutschland und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fachkräftemangel hausgemacht? Zu viele Akademiker, zu wenig Azubis - Deutschland braucht eine Reform der Berufsausbildung
24.01.2025

Zu viele Jugendliche studieren, zu wenige streben in die Ausbildung. Die Unternehmen sehen einen Veränderungsbedarf bei der...

DWN
Technologie
Technologie Atomkraft-Comeback? Weltweiter Run auf Kernenergie laut IEA
23.01.2025

"Neue Ära der Kernenergie": Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert einen wachsenden Strombedarf weltweit und ruft...