Politik

Unfinanzierbares Luftschloss: Der SPD-Wachstumsplan für Europa

Das von der SPD vorgelegte Wachstums-Programm für Europa erweist sich bei näherem Hinsehen als utopisch: Bei der Finanzierung kommt die SPD entweder auf höhere Staatsausgaben, politisch nicht mehrheitsfähige Ideen oder olle Kamellen. Mit dem Papier eröffnet die SPD den Bundestagswahlkampf.
15.05.2012 15:35
Lesezeit: 3 min

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Zwei Tage nach dem Sieg in NRW und ein paar Stunden vor Francois Hollandes Antrittsbesuch bei Angela Merkel hat die SPD-Spitze um Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück ein Wachstumspaket vorgestellt: „Der Weg aus der Krise – Wachstum und Beschäftigung in Europa.

Der erste für die SPD wichtige Punkt ist der Aufbau eines Europäischen Sofortprogramms zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Einerseits wird eine „Erleichterung der europaweiten Mobilität“ für Jugendliche eingefordert, um europaweit nach adäquaten Arbeitsplätzen suchen zu können und andererseits eine „Jugendgarantie, die das Recht auf Aus- oder Weiterbildung innerhalb von vier Monaten nach Erhalt eines schulischen Abschlusszeugnisses einführt“. Erreicht werden soll dies durch „zeitlich befristete Zuschüsse über den ESF“, den Europäischen Sozialfonds. Zusätzlich dazu soll die Förderung von innovativen Technologien, „ökologische Industriepolitik“, der Ausbau „moderner transeuropäischer Infrastrukturnetze“ und der Ausbau öffentlicher sowie privater Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung erreicht werden.

Für die Finanzierbarkeit dieser Maßnahmen greift die SDP allerdings auf Lösungen zurück, die entweder nicht durchführbar sind, die zu höheren staatlichen Ausgaben führen oder bei denen sich schon in der Vergangenheit gezeigt hat, dass sie ihre Wirkung nicht erreichen konnten. So fordert die SPD in ihrem Wachstumspakt erneut eine europäische Finanztransaktionssteuer „zur Eindämmung von Spekulationen und um mit den Mitteln – selbst laut EU-Kommission ca. 57 Mrd. Euro in Europa – europäische  Wachstumsimpulse zu geben“. Schließlich kann es „nicht angehen, dass der Staat die Zeche zahlt und für Zockerei haftet“, heißt es in dem Papier. Sollte diese nicht auf EU-Ebene erreichbar sein, so müsste sie „innerhalb der Eurozone im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit gleichgesinnter Staaten realisiert werden“. Da Großbritannien sich seit jeher gegen eine Finanztransaktionssteuer ausspricht, ist dies auf EU-Ebene grundsätzlich nicht denkbar. Und auch die vergangenen EU-Gipfel haben gezeigt, dass sich eine solche Steuer bisher nicht einmal in der Eurozone durchsetzen kann, da eine Abwanderung wichtiger Finanzgeschäfte ins Ausland oder eben nach London befürchtet wird. Selbst ob also die geplante deutsch-französische Steuer kommt, steht noch in den Sternen.

Als zweites Standbein gibt die SPD die Schaffung eines europäischen Investitions- und Aufbaufonds an. Dieser soll „nicht über zusätzliche Staatsverschuldung, sondern durch eine ‚Umprogrammierung‘ bestehender Mittel, eine Stärkung der Europäischen Investitionsbank, Projektanleihen“ und wieder einmal über eine Finanztransaktionssteuer „gespeist“ werden. Darüber hinaus sollen bis 2015 nicht genutzte Strukturfonds nicht in die nationalen Haushalte zurückfließen, sondern in den Fonds „überführt werden“. Da jedoch beispielsweise das Stammkapital der Europäischen Investitionsbank (EIB) um „mindestens 10 Milliarden Euro“ erhöht werden soll, ist schon allein dies nicht möglich, ohne eine Neuverschuldung der Mitgliedsstaaten. Ganz besonders, wenn die SPD zusätzlich noch über eine „zweckgebundene Kapitalerhöhung im Sinne einer Sondereinlage, die nicht von allen 27 EU-Mitgliedern, sondern von einer Allianz gleichgesinnter Staaten bereitgestellt wird“, nachdenkt.

Aber auch die Europäischen Projektbonds, die ermöglicht werden sollen durch die Übernahme eines Teils der Risiken für Investoren durch Kredite und Garantien der EIB sind fragwürdig. Nicht nur aufgrund der Garantien, die die EIB übernehmen soll, sondern auch aufgrund der Hebelwirkung, auf die man auch hier setzt. Die Vergangenheit hat exemplarisch an der gescheiterten Hebelwirkung der Rettungsfonds gezeigt, dass die Investoren derzeit alles andere als bereits sind, sich so für Investitionen locken zu lassen.

Betrachtet man die Umstrukturierung von EU-Mitteln, die bis 2015 noch nicht aufgebraucht worden, ist auch einiges unklar. Sicher gab es bisher EU-Mittel, die alles andere als sinnvoll eingesetzt wurden (mehr hier) und noch nicht alle Mittel sind erschöpft. Doch wie in Zukunft garantiert werden kann, dass auch unter der Prämisse des Wachstums letztlich nicht EU-Mittel verschwendet werden, darauf gibt die SPD keine Antwort.

Ebenso kritisch ist der Vorschlag, einen europäischen Schuldentilgungsfonds“ einführen zu wollen, zu sehen. Hier wird der Weg zur Transferunion perfektioniert: eine „gemeinsame europäische Haftung für einen Teil der Staatsschulden darf nicht länger ausgeschlossen werden“. Dieser werde benötigt „für den Teil der nationalen Altschulden, der 60% des BIP überschreitet, gekoppelt an einen verbindlichen Schuldenabbauplan, der die einzelnen Länder in die Pflicht nimmt.“

Um ihre eigene Stellung als soziale Partei zu unterstreichen, hat die SPD in ihren Wachstumspakt auch eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für Mindeststeuersätze und den Aufbau einer europäischen Sozialunion gefordert. „Gleiche Lohn- und Arbeitsbedingungen für gleiche Arbeit am gleichen Ort“, heißt es. Existenzsichernde Mindestlöhne in allen EU-Mitgliedsstaaten „gemessen am jeweiligen nationalen Durchschnittseinkommen“ sollen in einem „sozialen Stabilitätspakt“ festgeschrieben werden.

Hier geht's zum SPD-Wachstumspakt

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