Der Gründer der Asset-Management-Firma CMO, Jeremy Grantham, hält die Nahrungsmittelkrise für die zentrale Bedrohung der Weltwirtschaft. In einem Interview mit der Schweizer Zeitung Der Sonntag sagte Grantham, die Nahrungsmittelkrise könne zu einer "kompletten Destabilisierung führen, die unkontrollierbare Migrationswellen mit dramatischen Konsequenzen nach sich ziehen".
Die Schuld sieht Grantham in der Tatsache, dass sich die westlichen Gesellschaften nicht um die dramatische Entwicklung in den Entwicklungsländern kümmern. Während die Menschen in den reichen Ländern heute etwa 10 Prozent des Einkommens für das Essen ausgeben, sei diese Zahl in den Entwicklungsländern um ein vielfaches höher. In Ägypten beispielsweise müssten die Bürger bereits 40 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben.
Wenn sich die Lebensmittelpreise in den kommenden 20 Jahren erneut verdoppeln würden, könne sich Ägypten nicht mehr selbst ernähren. Grantham: "Ägypten hat heute einen Selbstversorgungsgrad von 55 Prozent, der Rest der Nahrungsmittel wird importiert. Zu Zeiten Napoleons lebten 2 Millionen Menschen am Nil; heute sind es 82 Millionen. Wahrscheinlich wird die Bevölkerung auf 120 Millionen anwachsen. Heute kann Ägypten jedoch nur 50 Millionen Menschen selbst ernähren. Auch wenn die Agrarwirtschaft nochmals deutlich effizienter wird, gibt es dann eine Lücke für 40 bis 50 Millionen Menschen." Deren Ernährung könne sich Ägypten nicht leisten. Grantham: "Das Land weist ja bereits heute ein Handelsdefizit von 5 Milliarden Dollar auf. Die westlichen Staaten haben kein Interesse daran, für die Menschen in Ägypten zu zahlen. Und sie haben auch kein Interesse daran, selbst eine vernünftigere Landwirtschaft zu betreiben, um den Druck von den Nahrungsmittelpreisen zu nehmen."
Eine der Ursachen sieht der CMO-Gründer in der verantwortungslosen Ethanol-Politik der USA (mehr dazu hier): "Die Subventionen für reiche Farmer aus dem Mittleren Westen, die Mais für die Ethanol-Produktion anbauen, werden von ein paar wenigen Senatoren, die selber Farmer sind, durch alle Böden verteidigt. Die interessiert es nicht im geringsten, ob die Ägypter verhungern oder nicht. Ich ziehe jetzt einen brutalen Vergleich: Die Ethanol-Politik der USA hat den gleichen Effekt, wie wenn wir diese armen Bauern einfach erschiessen. Ja, sie ist noch viel qualvoller: Denn die Bauern würden lieber erschossen werden, als an Unterernährung sterben."