Politik

EU-Defizitregel: Von Mitterand am Küchentisch aus dem Ärmel gezaubert

Die Länder der Eurozone sind bemüht, durch Einsparungen sich möglichst bald der Defizitgrenze von 3 Prozent zu nähern. Woher die Vorgabe kommt, wusste bisher keiner. Nun enthüllt ein französischer Ökonom, dass es sich um eine klassische Hausnummer handelt. Die EU verlieh dem Fantasie-Wert jedoch quasi-mathematische Autorität, ohne zu wissen, was er bedeutet.
29.09.2012 00:12
Lesezeit: 1 min

Frankreich versucht, sein Defizit zu reduzieren (hier), aber auch Länder wie Italien, Griechenland und Spanien setzen einiges daran, um mittels großer Sparprogramme irgendwann das vorgeschriebene Defizitziel von 3 Prozent zu erreichen (sehr zum Leidwesen der nationalen Wirtschaft und Bürger – hier). Die französische Zeitung Aujourd’hui en France hat nun den Urheber der 3-Prozent-Grenze ausgemacht, der „auf Wunsch von Francois Mitterand diese symbolträchtige Zahl aus dem Ärmel zauberte“, so die Zeitung.

Urheber ist der 62-jährige Guy Abeille, ein hochrangiger Ökonom der damaligen Budgetverwaltung Frankreichs. Die Idee soll im Juni 1981 an einem Küchentisch geboren worden sein. „Auf diese Zahl sind wir in knapp einer Stunde gekommen, sie entstand auf die Schnelle, ohne jegliche theoretische Überlegung“, erklärte er der Zeitung. „Mitterrand brauchte eine einfache Regel, die er den Ministern entgegenhalten konnte, die ständig in seinem Büro erschienen und Geld wollten“, so Guy Abeille. „Wir brauchten etwas Einfaches. Drei Prozent? Das war eine gute Zahl, eine Zahl, die durch die Epochen gegangen ist, das erinnerte an die Dreieinigkeit.“

Wie weitreichend die 3-Prozent-Grenze ist, sieht man auch am EU-Fiskalpakt. Bei der Höhe des erlaubten Strukturdefizits von 0,5 Prozent hatten sich die Technokraten in Brüssel auch an der 3-Prozent-Regel orientiert. Wenn man die Hintergründe der Entstehung der Prozent kennt, hätte die Obergrenze des strukturellen Defizits auch deutlich höher liegen können – immerhin gibt es für die 3 Prozent, an denen man sich orientiert hatte, auch keine fundierte wirtschaftliche Grundlage.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kursgewinne oder Verluste: Anleger hoffen auf drei entscheidende Auslöser für Börsenrally
18.07.2025

Zölle, Zinsen, Gewinne: Neue Daten zeigen, welche drei Faktoren jetzt über Kursgewinne oder Verluste entscheiden. Und warum viele...