Finanzen

Issing: Umverteilung der Schulden ist keine Lösung für Europa

Ottmar Issing, ehemaliger Mitarbeiter bei der EZB und der Bundesbank, spricht sich für eine klare Durchsetzung der „No Bail Out“-Klausel aus. Man müsse zu einer vernünftigen Wirtschaftsordnung und einem gesunden Wettbewerb zurückfinden. Die hohe Staatsverschuldung sei hausgemacht, daher stellt die Umverteilung eine „Perversion“ des Solidaritätsbegriffes dar.
31.10.2012 23:35
Lesezeit: 2 min

Aktuell: Krise erreicht Lufthansa: Massiver Jobabbau droht

In Europa herrsche eine „Perversion“ der Solidarität, sagte der ehemalige EZB- und Bundesbankchef Ottmar Issing auf der Eröffnungsveranstaltung der Denkfabrik Open Europe Berlin. Denn die Schuldenkrise in Ländern wie Spanien und Griechenland ist über Jahrzehnte von den Regierungen hausgemacht und kein Produkt der Europäischen Union, das mit der Floskel „mehr Europa“ und neuen Institutionen gelöst werden könne. Bundeskanzlerin Merkel hatte zuletzt mit der Forderung eines Solidaritätsfonds für Krisenländer Aufsehen erregt (mehr hier). Deutschland, Frankreich und Italien hätten die Entwicklung der Schuldenkrise maßgeblich mit beeinflusst, als sie gegen den EU-Stabilitätspakt verstießen und Sanktionen durch die EU gemeinsam blockierten, sagte Issing: „Davon hat sich der Pakt nie wieder erholt“.

Daher biete auch die aktuelle Politik der Umverteilung keine Lösung für das Problem der Schuldenkrise, so Ottmar Issing. Griechenland und Spanien erhalten Milliarden im Gegenzug für die Umsetzung umfangreicher Reformen und Sparmaßnahmen (hier).  „Das Ziel europäischer Zusammenarbeit war stets die Entwicklung und das Zusammenwachsen der Wirtschaft“, sagte Issing und forderte die Rückkehr zu einer vernünftigen Wirtschaftsordnung und einem funktionierenden Wettbewerb. Die dramatischen Entwicklungen der ungleichen Wettbewerbsvorteile, z.B. im Bereich der Arbeitskosten in Portugal (hier) seien schon vor Jahren absehbar gewesen. Länder mit Wettbewerbsnachteilen reagierten mit einer expansiven Geldpolitik, die durch die gemeinsame Währung und die EZB begünstigt wurde.

Für eine Bankenunion brauche man einen einheitlichen europäischen Markt und gemeinsame Rücklagen. Davon sei man noch Jahrzehnte entfernt. Europa brauche auch keine neuen Institutionen wie die Bankenaufsicht, die die europäische Zentralisierung nur noch weiter vorantreiben würden. „Der Zeitpunkt für den Start der Bankenaufsicht Anfang 2013 ist absurd“, sagte Issing. Der einzige Grund für diese „illusorische“ Terminierung liege darin, dass mit der Erschaffung eines rechtlichen Rahmens „der Rekapitalisierung der Banken Tür und Tor geöffnet werden“. Dass kein einziger Regierungschef diesen Umstand als Skandal deklariert habe, lege die Notwendigkeit nahe, der EU-Kommission zu misstrauen.

Die Politiker hätten mit der Verletzung der „No Bail Out“-Klausel einen Rechtsbruch im Sinne der europäischen Wirtschaftsidee begangen. Jeder Schuldner ist selbst für seine Finanzen verantwortlich. In diesem Zusammenhang betrachtet Issing auch das Prinzip der europaweiten Verteilung der Schuldenlast durch Eurobonds für „unbegreiflich“. Deutschland hätte einen erheblichen Nachteil von der Einführung von Eurobonds, weil die Zinslast für Deutschland steigen und die Rating-Agenturen die deutsche Kreditwürdigkeit konsequent herabstufen würden. „Man kann die Ausgaben von Eurobonds nicht begrenzen“, da es sich um gemeinsame Europaanleihen handelt, die, genau wie Staatsanleihen, Schwankungen unterliegen können.

Desweiteren würden Eurobonds die europäischen Bürgerinnen und Bürger noch viel mehr belasten, als es jetzt schon der Fall ist. Europa steckt in einer Demokratiekrise. Sämtliche Hilfsprogramme, Schuldenschnitte und Staatsreformen wurden von der EU ohne jegliche parlamentarische Rückkopplung verabschiedet. Issing bemängelt auch hier die Verletzung des Grundprinzips „Keine Besteuerung ohne Repräsentation“. Die Bewältigung der Schuldenkrise liegt in der Verantwortung der Schuldnerstaaten. „Der Reformprozess muss fortgeführt werden, aber man muss auch wissen wie es weiter geht“, sagte Issing zum Abschluss seiner Rede. Issings konkrete Strategie für die Zukunft Europas ist die Rückkehr zur alten Wirtschaftsordnung. Der Erhalt der europäischen Währungsunion dürfe nicht „um jeden Preis geschehen“. Issing hält die Überhöhung der Bedeutung einer einzelnen Währung wie der D-Mark und des Euro für „eine pathologische Entwicklung“.  Auf die Nachfrage, ob er als letzte Konsequenz seiner „No Bail Out“-Doktrin einen Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone befürworten würde, blieb Issing jedoch vage: „Jetzt zu sagen, man müsse Länder ausschließen, ist zu simpel, das Phänomen der Schuldenkrise ist weitaus komplexer“. Man könne aber mit der Drohung Politik machen, Deutschland würde sich aus dem Euro-Raum zurückziehen und den Rest Europas seine Schulden selbst bezahlen lassen.

Weitere Themen:

Griechenland: Rezession verschärft sich massiv

Finanz-Probleme: Banken vergeben weniger Kredite an Unternehmen

Arbeitslosigkeit in der Eurozone auf Rekordhöhe

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Neobroker Trade Republic: Wie ein Berliner Fintech den Kapitalmarkt für alle geöffnet hat
27.06.2025

Büroräume in Berlin-Kreuzberg, drei Gründer mit einer Vision und eine App, die Europas Sparer an die Börse gebracht hat: Trade Republic...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nvidia-Aktie mit Rekordhoch: Geht die Aufwärtsrally weiter?
27.06.2025

Trotz Handelskrieg und wachsender Konkurrenz feiert die Nvidia-Aktie ein Rekordhoch. Experten sprechen von einer Monopolstellung im...

DWN
Politik
Politik Bundestag stellt Weichen neu: Familiennachzug vorerst gestoppt
27.06.2025

Der Bundestag hat den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte gestoppt – ein umstrittener Schritt in der deutschen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Occidental Petroleum-Aktie: Warren Buffett setzt auf US-Ölgiganten – Risiko oder Chance?
27.06.2025

Warren Buffett stockt seine Beteiligung an der Occidental Petroleum-Aktie weiter auf – während grüne Fonds schließen. DWN zeigt, was...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn 2026: Anstieg bis 2027 auf 14,60 Euro geplant
27.06.2025

Der Mindestlohn in Deutschland soll in zwei Schritten weiter steigen – doch der Weg dorthin war steinig. Arbeitgeber, Gewerkschaften und...

DWN
Politik
Politik Bundeskabinett: Bauturbo, Bahnflächen, Mietpreisbremse und was sonst noch kommt
27.06.2025

Im Juni 2025 hat sich das Bundeskabinett getroffen, um Parameter für die kommende Legislaturperiode festzulegen – ganz sportlich einen...

DWN
Politik
Politik Von der Leyens Plan: EU will neuen globalen Handelsblock ohne die USA gründen
27.06.2025

Die EU will ein globales Handelsbündnis ohne die USA aufbauen – mitten im eskalierenden Konflikt mit Donald Trump. Bringt von der Leyens...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft E-Automarkt: Fast 56 Millionen Elektroautos weltweit unterwegs
27.06.2025

Immer mehr Elektroautos sind weltweit auf den Straßen unterwegs – doch ein Blick hinter die Zahlen offenbart Überraschungen. Besonders...