Politik

Nahost: Westerwelle vermittelt auf den Trümmern einer gescheiterten EU-Politik

Guido Westerwelle, einer der Vermittler eines Waffenstillstands im Nahen Osten, will mehr internationales Engagement im Gaza Streifen. Bisher sind etwa 10 Milliarden Dollar aus internationalen Hilfsgeldern in das arme Land geflossen. Politische Führungs-Eliten können ihr Volk nicht ernähren, sondern kaufen Waffen – während 80 Prozent in Gaza von Hilfsgeldern leben. Die Korruption blüht, die Führer leben in beträchtlichem Luxus. Wie lange will die EU einen sinnlosen, ideologischen Kampf noch unterstützen?
21.11.2012 01:13
Lesezeit: 3 min

Vieles, was Israel in den vergangenen Jahren im Hinblick auf die Palästinenser gemacht hat, war töricht, verblendet und politisch falsch. Der jüngste Fehler war die gezielte Tötung eines Hamas-Führers, die den aktuellen Flächenbrand ausgelöst hatte.

Aber Israel hat in den vergangen Jahren auch oft den Versuch gemacht, sich von den Nachbarn abzukoppeln. Vor sieben Jahren haben die Israelis den Gaza-Streifen geräumt – ohne politische Vorbedingungen, und ohne eine Gegenleistung. Geholfen hat es nichts, im Gegenteil: Der Terror ging weiter. Die Blockade des Gaza Streifens war wieder so ein Fehler, der als Reaktion auf die erneut zunehmende Aggression der militanten Gruppen überzogen erscheint und politisch zumindest zweifelhaft war.

Noch absurder war jedoch die Rolle jener, die jetzt wie Westerwelle, in die Region fliegen, um zu vermitteln. Westerwelle sagte am Dienstagabend vor Journalisten in Jerusalem, dass es Ziel eines Waffenstillstands sein müsse, den Gazastreifen wieder zu öffnen. Dadurch werde es den Bewohnern des Gaza möglich, die Wirtschaft zum Laufen zu bringen. Man müsse allerdings, so Westerwelle, den Waffenschmuggel einstellen. Dazu schlug der Bundesaußenminister vor, die internationale Gemeinschaft könnte hier eine regulierende Rolle spielen. Ins Detail ging Westerwelle nicht.

Genau hier liegt das Problem: Die EU – und mit ihr die USA und die UN – gehen eigentlich nie ins Details, sondern glauben, mit finanziellen Zuwendungen die Problem der Welt lösen zu können. Im Falle von Gaza würde es sich jedoch sehr empfehlen, einmal ins Detail zu gehen: 80 Prozent der Bewohner des Gaza Streifens leben mittlerweile von internationalen Geldern. Bis dato sind etwa 10 Milliarden Dollar an internationalen Geldern in die palästinensischen Gebiete geflossen. Die EU hat allein in den vergangene zehn Jahren 2 Milliarden Euro der größte Financier der Palästinenser.

Nach zehn Jahren muss jedoch gefragt werden: Was ist eigentlich mit dem Geld geschehen? Warum haben die militanten Eliten nichts unternommen, um ihr Volk aus der Armut zu führen? Wer die Region kennt weiß die Antwort: Die Korruption blüht – auch wenn die Antikorruptions-Behörde der EU keine handfesten Beweise dafür zu Tage fördern konnte, dass die Gelder aus Europa für die Aufrüstung verwendet wurden. Immer stellte die Anti-Korruptions-Behörde OLAF fest, dass eine missbräuchliche Verwendung von Hilfsgeldern nicht ausgeschlossen werden könne, weil die Kontrollmechanismen bei den Palästinensern „unterentwickelt“ seien (Originalbericht aus dem Jahr 2005 - hier).

Tatsächlich scheren sich die Hamas-Führer herzlich wenig um „ihr“ Volk. Sie führten einen brutalen Bruderkrieg gegen die rivalisierende Fatah, schrecken dabei auch nicht vor nackter Gewalt gegen die eigene Zivilbevölkerung zurück. Ihre Methoden haben nichts von dem „rechtsstaatlichen“ Charakter, den die EU der Region verordnen wollte. Sie agieren barbarisch wie eh und je: Am Dienstag wurden in Gaza sechs Männer exekutiert, weil sie der Kollaboration mit Israel verdächtigt wurden. Von einem Gerichtsverfahren vor dem Todesurteil ist nichts bekannt.

Die Hamas verfolgt, wie die Hisbollah im Libanon, ideologische Ziele. Gefördert wird ihr Bestreben nach der Auslöschung Israels vom Iran und von Syrien. Gestärkt werden die vermeintlichen „Gottes“-Kämpfer von Leuten wie dem türkischen Präsidenten Erdogan, dem mitten im aktuellen Krieg nichts Besseres einfiel, als Israel des systematischen Völkermordes zu bezichtigen. Ausgerechnet Erdogan: In der Türkei ist selbst die Verwendung des Wortes Völkermord im Zusammenhang mit dem Massaker an den Armeniern immer noch gelegentlich lebensgefährlich – auf jeden Fall jedoch politisch inkorrekt.

Die Opfer sind die Zivilisten in den palästinensischen Gebieten, die seit Jahrzehnten der Spielball einer pan-arabischen und seit neuestem auch islamistisch gefärbten Desperado-Politik sind. Sie werden im Grunde täglich von ihren „Führern“ auf Neue verraten. An einem Frieden hat die Hamas kein Interesse, weil sie als militante Gruppe in einem friedlichen Land überflüssig würde.

Die Mischung aus Korruption, ideologischer Verblendung und handfesten persönlichen Interessen der Eliten im Gaza macht einen dauerhaften Frieden unwahrscheinlich. Ob es den Palästinensern gelingt, eines Tages zu einer Führung zu gelangen, die die „minima democratica“ in ihren Kodex aufgenommen hat, kann in Brüssel oder Berlin im Grunde niemand beeinflussen. Die gutgläubige Überweisung von Milliarden-Beträgen ohne echte Kontrolle ist jedenfalls kein Rezept, wie die vergangenen Jahre gezeigt haben. Guido Westerwelles Bemühungen um einen Waffenstillstand sind nichts anderes als ein ratloser Auftritt auf dem Trümmerhaufen einer EU-Politik, die in diesen Tagen nicht nur nach Griechenland schauen muss, um ihr hegemoniales Scheitern zu erkennen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Start-up ATMOS Space Cargo setzt neue Maßstäbe: Deutsche Logistik erobert den Weltraum
11.07.2025

Fracht ins Weltall zu bringen, ist eine Herausforderung. Eine noch größere ist es, sie wieder unversehrt zur Erde zurückzubringen....

DWN
Finanzen
Finanzen JP Morgan-CEO Jamie Dimon rechnet mit Europa ab: „Europa verliert“
11.07.2025

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan und einer der mächtigsten Akteure der US-Wirtschaft, warnt europäische Politiker: Der Kontinent droht...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse bleibt bestehen: Bundesjustizministerin Hubig kündigt Bußgeldregelung an
11.07.2025

Die Mietpreisbremse wird verlängert – doch ist das genug, um Mieter wirklich zu schützen? Während die Politik nachjustiert, plant das...

DWN
Politik
Politik Trump: Wir schicken Waffen, die NATO zahlt
11.07.2025

Erst Stopp, dann Freigabe: Trump entscheidet über Waffen für Kiew – und kündigt neue Schritte gegen Russland an. Bezahlen will er das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Shitstorm im Joballtag: Hate Speech am Arbeitsplatz explodiert – was Unternehmen jetzt tun müssen
11.07.2025

Hassrede hat den Mittelstand erreicht – von Social Media bis ins Kundengespräch. Wo endet Meinungsfreiheit, wo beginnt...

DWN
Politik
Politik Milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen: Bundesrat macht Weg frei für Wachstumspaket
11.07.2025

Deutschland steht wirtschaftlich unter Druck. Das Wachstumspaket der Bundesregierung soll neue Investitionen anregen und Unternehmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell im Plus: Zwischen Zollstreit, Zinspolitik und charttechnischer Entscheidung
11.07.2025

Der Goldpreis schwankt – zwischen geopolitischer Unsicherheit, robuster US-Wirtschaft und charttechnischen Signalen. Anleger fragen sich:...

DWN
Politik
Politik Generälin über Krieg mit Russland: Ist Lettland die Schwachstelle der NATO?
11.07.2025

NATO-Generälin Jette Albinus rechnet mit russischem Angriff auf Lettland. Der Einsatz wäre kein Afghanistanszenario – sondern ein Kampf...