Politik

Analysten: „Europa ist ein völliges Desaster“

Lesezeit: 1 min
24.03.2013 02:15
Die Krise in Zypern ist nur ein Indikator dafür, dass Europa in einem Zustand des Chaos versinkt, meint der US-Analyst Joe Weisenthal. Dem System drohe der Zusammenbruch. Eine Rettung sei unmöglich, weil die Interessen der Nord- und der Südstaaten einander diametral entgegenlaufen.
Analysten: „Europa ist ein völliges Desaster“

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die großen wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den zentraleuropäischen Ländern und den Ländern der Peripherie sind die Hauptgründe dafür, warum Europa derzeit „ein völliges Desaster“ darstellt, schreibt Joe Weisenthal, Wirtschafts-Analyst beim Business Insider. Die südeuropäischen Länder brauchen viel mehr Liquidität, um ihre Volkswirtschaften am Laufen zu halten. Sie haben aber aufgrund der gemeinsamen Währung nicht die Möglichkeiten, nach Bedarf Geld zu drucken oder ihre Währungen abzuwerten. Als Konsequenz müssen sie Schulden aufnehmen.

Auf der anderen Seite der fiskalpolitischen Medaille steht Deutschland, welches an einer niedrigen Inflationsquote interessiert und derzeit erste Anlaufstelle von Kapital aus ganz Europa ist. Auf dem deutschen Immobilienmarkt zeichnet sich bereits die erste große Preisblase ab (mehr hier). Außerdem ist Deutschland aufgrund seiner geringen Arbeitslosigkeit nicht an einer expansiven Geldpolitik interessiert. Die hohe Beschäftigung garantiert derzeit gefüllte Staatskassen.

Dieser Gegensatz stellt das größte Strukturproblem Europas dar. Das System muss also reformiert oder abgeschafft werden. Wenn die EZB mehr Geld drucken würde, könnte das den Krisenländern helfen. Durch die „deutschlandfreundliche Geldpolitik der EZB sei die Peripherie Europas ins Wanken geraten“, schreibt der Wirtschaftsexperte David Beckworth in einer Analyse. Eine Abkehr der EZB von ihrem niedrigen Inflationsziel würde voraussichtlich an Deutschland scheitern, vermutet Beckworth.

Eine andere mögliche Reform besteht in der institutionellen Festschreibung der Umverteilung in einem noch höheren Maßstab, als es jetzt bereits durch den Rettungsschirm ESM der Fall ist. Eine umfassende Fiskalunion könnte das Ungleichgewicht der Volkswirtschaften in Europa ausgleichen. Dazu wäre jedoch ein Kultur-Wandel in der Haushaltspolitik der Süd-Staaten notwendig. Aktuell zeigt sich, dass nicht einmal der ohnehin schwache Fisalpakt das Papier wert ist, auf dem er gedruckt wurde: Frankreich hat beispielsweise angekündigt, die Spar-Bemühungen vorerst auf Eis zu legen (hier).

„Beide Möglichkeiten sind unwahrscheinlich“, sagt Beckworth. Deshalb schnüren die europäischen Regierungschefs ein Rettungspaket nach dem anderen. Bislang hatten sie Glück und die Abstimmungen im Parlament in Griechenland sind immer glimpflich für die Fortsetzung des einmal beschrittenen Weges ausgegangen.

Mit der Parlamentswahl in Italien (mehr hier) und der gescheiterten Abstimmung für eine Zwangsabgabe in Zypern (hier) scheint sich dieser Trend jedoch umzukehren. Angesichts des beschriebenen Dilemmas sind mit freiem Auge keine einfachen Lösungen zu erkennen.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...